Ist die Krume oder die Kruste zu hart? Ein Brotprüfer testet Backwaren in Winsen: Auf Form, Aussehen, Lockerung und Geschmack.

Winsen. Michael Isensee, 50, kennt Brot und Brötchen von Flensburg bis Wiesbaden. Der Bäckermeister aus Lehrte bei Hannover arbeitet für das Institut für die Qualitätssicherung von Backwaren (IQBack) des Deutschen Bäckerhandwerks und untersucht Mohn- und Baguettebrötchen, Vollkorn- und Feinbrote. An diesem Dienstagvormittag sitzt Michael Isensee in der Volksbank Lüneburger Heide in Winsen vor seinem Laptop. Er will Brötchen und Brote von Bäckern der Bäcker-Innung der Kreise Harburg und Lüneburg testen: auf Form und Aussehen, Krusteneigenschaft, Lockerung und Krumenbild, Elastizität und natürlich auf Geruch und Geschmack.

"Ich möchte den Bäckern zeigen, wo Schwachstellen in der Produktion sind und was sie verbessern können", sagt Michael Isensee. Sechs Bäckereien im Landkreis Harburg haben am Morgen ihre Wettbewerbsbrötchen und -brote eingepackt und mit Zetteln versehen. Darauf stehen eine Nummer, der Name des Brotes und die Mehlsorten. Die Brote stehen Laib an Laib in einem Ständer. Die Bäcker kommen aus Salzhausen, Drage, Ashausen, Nenndorf, Winsen und Helmstorf. 27 Bäckereien der Innung nehmen nicht teil an dieser freiwilligen Prüfung, die den Bäcker nichts kostet.

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Michael Isensee nimmt sich erst die Brötchen vor. Bäckermeister und Innungsmitglied Ulrich Schneider, 60, aus Buchholz schneidet ihm ein Sesambrötchen. Der Brötchentester trinkt einen Schluck Mineralwasser, drückt das Rundstück, reißt sich mit zwei Fingern ein Stück aus der Krume und kostet. Nein, das Brötchen entspricht nicht seinen Ansprüchen: "Das Aroma gefällt mir nicht. Die Krume schmeckt leer, fad und nüchtern. Da fehlt eindeutig Salz im Teig."

100 Punkte hätte das Sesambrötchen maximal erzielen können. Michael Isensee gibt 18 Punkte Abzug: "zufriedenstellend". Dieses Brötchen wird nicht im Online-Portal www.brot-test.de erwähnt werden. Dort sind im Bäckerei-Finder die "ausgezeichneten Bäckereien" aufgelistet: Ihre Backwaren haben IQBack-Prüfer mit "gut" und "sehr gut" bewertet.

Auch beim nächsten Brötchen ist der Prüfer nicht ganz so glücklich: "Wieder wenig Salz, schwach gebacken." Was Michael Isensee nicht gefällt: "Die Krume ballt sich beim Kauen ein." Das Urteil: "zufriedenstellend".

Das Brötchen "Ofenfrische" bekommt mit 89 Punkten auch nur ein "zufriedenstellend": Michael Isensee moniert einen "verschwommenen Ausbund - ein Schlitz im Brötchen". Als Ursache diagnostiziert er "Garraumfeuchte", der Bäcker solle die Luftfeuchtigkeit im Garraum senken". Auch Hohlräume in der Krume gefallen ihm nicht, der Bäcker möge die Einstellung der Brötchenpresse überprüfen. Der Geschmack sei "zu wenig aromatisch", die Salzmenge müsse erhöht werden.

Nach zwei Stunden sind alle 24 Brötchenproben getestet. Michael Isensee zieht Bilanz: Sechsmal "sehr gut", neunmal "gut" und neunmal "zufriedenstellend". "Die Brötchen hätte ich mir besser erhofft", sagt Michael Isensee. "Sie waren durch die Bank zu schwach gesalzen." Sein Urteil: Hinreichend Salz sei wichtig für den Geschmack. Fehle das Salz, fehle der Genuss.

34 Brote bewertet Michael Isensee nach der Brötchenprüfung. Gleich beim ersten missfällt ihm die Form der Kruste: "sehr rustikal, zu gedellt. Bei meinem Vater wäre so ein Brot nicht in den Laden gekommen. Man könnte den Teig mit einem Brett ein wenig platt drücken." Die Brotergebnisse: 15-mal "sehr gut", sechsmal "gut", neunmal "zufriedenstellend" und viermal "verbesserungsbedürftig". Des Prüfers Kritik: Es habe vier Brote gegeben, bei denen der Teig zu fest gewesen sei. Das führe zu einer "trockenen und festen Krume". Deshalb seien diese Brote auch weniger aromatisch. Sein Fazit: "Die Bäcker werden sich die Bewertungen genau durchlesen, und sehr schnell die Fehler beheben."

Insgesamt zieht Michael Isensee trotz einiger erkannter Mängel ein positives Resümee: "Deutschland ist immer noch das Backland Nummer eins. Wir haben hier in Winsen eine schöne Auswahl von Brötchen und Broten gesehen. In Sachsen und Thüringen gibt es überwiegend nur Roggenmischbrot. Hier backen die Bäcker Weizenbrot, Roggenmischbrot, Roggenbrot und Vollkornbrot. Wenn man immer nur das gleiche isst, wird das richtig langweilig. Es ist doch schön, wenn man mal ein anderes Geschmackserlebnis auf der Zunge hat."