Berlin. Jugendliche haben oft eine romantische Vorstellung von Jobs mit Tieren. Zunächst mal ist man für die vor allem Nahrungslieferdienst.

An Theresa Dellers Arbeitsplatz tummeln sich knapp 8860 Tiere – 713 verschiedene Arten. Die 22-Jährige ist Tierpflegerin im Tierpark Berlin. Im vergangenen Monat hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen.

Sie weiß, dass viele Jugendliche eine verniedlichende Vorstellung von der Arbeit mit Tieren haben. Doch sie selbst war durch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), gleich nach dem Abi im Eberswalder Zoo, gut auf die Aufgaben vorbereitet.

Wichtigster Job: Futter herankarren

„Natürlich ist es ein tolles Gefühl, zum Beispiel einem Schneeziegen-Jungtier ganz nah zu sein“, sagt Deller. „Aber der Alltag sieht meist anders aus. In erster Linie geht es darum, das Futter herbeizukarren und den Mist wegzukratzen“, sagt sie und lacht.

Theresa Deller liebt ihren Beruf – und gehört zu den wenigen Glücklichen, die ihn überhaupt erlernen dürfen. Auf fünf Ausbildungsplätze pro Jahr im Tierpark Berlin kommen 1000 Bewerber.

Während der ersten beiden Ausbildungsjahre werden die angehenden Tierpfleger in verschiedenen Revieren mit unterschiedlichen Tierarten eingesetzt. Das dritte Jahr bleiben sie konstant in einem Revier, um es zu jeder Jahreszeit kennenzulernen.

Charakter einzelner Tiere kennenlernen

„In diesem Jahr lernt man die besonderen Charaktereigenschaften der einzelnen Tiere kennen und weiß, was sie mögen“, erzählt die Pflegerin. Zum Beispiel gefällt es einem der indischen Wasserbüffel, wenn ihm mit einem Kratzer der Rücken geschrubbt wird. „Das findet der immer total klasse.“

Was für jeden Beruf gilt – Sicherheit geht vor – gilt für den Umgang mit Wildtieren noch einmal mehr: Je nach Tierart hält Deller darum zu den ausgewachsenen Tieren einen Sicherheitsabstand.

Außerdem werden die meisten Tiere zum Ausmisten ihrer Anlagen in die Stallungen gebracht und umgekehrt. „Das gilt natürlich vor allem für die Großkatzen, bei denen wir immer Abstand zum Gehege halten, sodass die Tiere nicht durchpranken können.“

Der Beruf ist nicht für jeden etwas

An ihrem Beruf schätzt Theresa Deller, dass sie viel draußen an der frischen Luft ist. Sommers wie winters: „Bei Regen auf dem Boden herumzurobben, um giftige Pflanzen auszurupfen, ist mit Sicherheit nicht für jeden etwas.“ Der 22-Jährigen aber macht es nichts aus. Und was ist mit dem Gestank beim Ausmisten? Deller winkt ab. Das sei alles eine Frage der Gewöhnung.

„Es gibt Ställe, da beeilt man sich mit der Arbeit. Aber nach zehn Minuten riecht man das eigentlich nicht mehr.“ Auch an die körperliche Arbeit gewöhne man sich, erklärt Deller. „So eine Karre voll Mist wiegt schon einiges, und am Anfang hatte ich mit Muskelkater zu kämpfen, aber auch das hat sich mit der Zeit gegeben.“

Nicht zu unterschätzen sei allerdings das Lernpensum in der Berufsschule. „Tieranatomie und -physiologie, Fütterung, Haltung, Trag- und Brutzeiten und Krankheitssymptome für etwa 800 Tierarten – da kommt einiges an Lernstoff zusammen“, sagt Theresa Deller.

Tiere betreuen und den Praxisbetrieb organisieren

Stephanie Fronecke hat vor allem tierische Krankheiten im Blick. Die 30-Jährige ist Tiermedizinische Fachangestellte (TFA, früher Tierarzthelfer) in der Tierarztpraxis im Tierheim Berlin. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Patienten vor, während und nach der Behandlung zu betreuen.

Stephanie Fronecke ist Tiermedizinische Fachangestellte und arbeitet im Tierheim Berlin.
Stephanie Fronecke ist Tiermedizinische Fachangestellte und arbeitet im Tierheim Berlin. © Privat | Privat

Außerdem dokumentiert sie die Behandlungen und die Fortschritte der Tiere, und sie organisiert die Betriebsabläufe in der Praxis. Je nach Ausrichtung einer Tierarztpraxis oder -klinik kommen für TFA zudem Aufgaben wie Laboruntersuchungen und das Röntgen hinzu.

Fronecke, die ihre Ausbildung 2011 abgeschlossen hat, konnte schon in verschiedenen Praxen Berufserfahrung sammeln. Zum Beispiel war sie in einer Fachtierpraxis, die auf bildgebende Verfahren und Chirurgie spezialisiert ist, und in einer Praxis für Reptilien und Exoten.

Kein Tag ist wie der andere

An der Arbeit in der dem Tierheim angeschlossenen Praxis gefällt ihr die Abwechslung: „Wenn ich morgens aufstehe, weiß ich nie, welche Herausforderungen auf mich warten, kein Tag ist wie der andere.“

So gibt es immer wieder Notfälle oder eine unerwartet große Zahl an Patienten. Eine sogenannte amtliche Sicherstellung bescherte dem Tierheim zum Beispiel im August 64 Katzen auf einen Schlag. Das Veterinäramt hatte sie aus einer 59-Quadratmeter-Wohnung befreit.

„So etwas ist gar nicht so ungewöhnlich“, weiß Fronecke. Da fehle es den Besitzern vielleicht an Wissen oder an Geld für die Kastration der Katzen der ersten Generation. „Und wenn der erste Wurf Kätzchen erst da ist, geht es mit der weiteren Vermehrung überraschend schnell.“

Um jedes Leben wird gekämpft

Die Tiere werden dann teils von ihren Besitzern abgegeben, von Passanten gefunden und vorbeigebracht oder von Polizei und Feuerwehr sichergestellt. Oft seien sie in einem erschreckenden Zustand. „Aber um jedes Leben wird gekämpft“, sagt Stephanie Fronecke.

„Manchmal werden die Tiere wochen- oder monatelang medizinisch versorgt und liebevoll betreut und aufgepäppelt“, erzählt sie. Ist der Kampf erfolgreich, ist das ein tolles Gefühl. Doch die 30-Jährige sagt auch: „Es ist ein körperlich, geistig und emotional anstrengender Beruf.“

Umgang mit ängstlichen Tieren Teil der Ausbildung

Und er ist potenziell gefährlich. Darum ist der Umgang mit gestressten und verängstigten Tieren Teil der Ausbildung zum TFA. „Wir ergreifen natürlich auch Vorsichtsmaßnahmen“, betont Fronecke und nennt Maulkörbe für Hunde und große Handschuhe für den Umgang mit scharfkralligen Katzen.

„Trotzdem gibt es wahrscheinlich kaum eine TFA mit makellosen Armen“, sagt sie. „Den einen oder anderen Kratzer bekommen wir immer mal ab.“ Schlimmeres sei ihr jedoch noch nicht passiert.

TFA muss das Tier bei der Behandlung im Griff haben

Von Froneckes Kompetenz hängt auch die Unversehrtheit der Tierärzte ab. „Wenn ich einem unwilligen Vierbeiner in die Ohren schaue, bin ich mit meinem Gesicht nah an Zähnen und Krallen“, erzählt Yvonne Seidler, eine von acht im Tierheim fest angestellten Tierärzten. „Da muss ich mich darauf verlassen, dass die TFA das Tier sicher im Griff hat. Zwischen uns herrscht also ein großes Vertrauensverhältnis.“

Seidlers Fach­gebiete sind Diagnostik, innere Medizin und Kardiologie. „Aus tiermedizinischer Sicht ist die Arbeit im Tierheim ausgesprochen abwechslungsreich“, sagt die 34-Jährige. „Wir behandeln vom angeborenen Herzfehler bis zu altersbedingten Erkrankungen alles.“

Sogar Affen leben im Tierheim

Zu ihren Patienten zählen vor allem Hunde und Katzen. Doch zum Tierheim gehören auch eine große Reptilienstation, viele Vögel und ein Tierschutz-Bauernhof. „Sogar einige Affen leben im Tierheim und dürfen hier sorglos alt werden“, sagt Yvonne Seidler.

Tierärztin Yvonne Seidler (l.) und Nicole Günther, Tiermedizinische Fachangestellte, behandeln in der Praxis des Tierheims Berlin eine verletzte Katze.
Tierärztin Yvonne Seidler (l.) und Nicole Günther, Tiermedizinische Fachangestellte, behandeln in der Praxis des Tierheims Berlin eine verletzte Katze. © Dr. Krakauer/Docma TV/Tierheim Berlin | Dr. Krakauer/Docma TV/Tierheim Berlin

Entsprechend umfangreich ist auch das Studium der Tiermedizin, betont Seidler. „Denn statt ,einen‘ Menschen anatomisch zu studieren, stehen hier viele verschiedene Tierarten auf dem Stundenplan – von Klein- und Großtieren über Vögel bis zu Pferden.“

Praktika im Schlachthof und beim Veterinäramt

Dazu kommen Fächer wie Botanik und Ernährung. Schließlich müssen Tierärzte sich mit den Futtermitteln ihrer Patienten auskennen. Auch diverse Praktika sind Teil des Studiums, etwa auf einem Schlachthof, im öffentlichen Veterinärwesen oder in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Das Studium soll jeden Bereich abdecken, in dem Tierärzte später arbeiten könnten.

Für Seidler war der Beruf Tierärztin ein Kindheitstraum. Darum hat sie auch schon früh begonnen, auf ein sehr gutes Abitur hinzuarbeiten. In der Regel erfordert der Numerus clausus (NC) ein Einser-Abitur, um zum Studium zugelassen zu werden.

Theorielastiges Studium erschwert Gehaltsverhandlung

Reich wird sie mit ihrem Traumberuf nicht, gerade die Gehaltsverhandlungen gleich nach dem Studium hat sie als schwierig in Erinnerung. „Das Studium ist eher theorielastig und mit der mangelnden Praxiserfahrung werden niedrige Einstiegsgehälter begründet.“

Wer sich für den Beruf des Tierarztes entscheide, brauche Idealismus und viel Herzblut, betont Seidler. Aber es sei toll, zu erleben, wie sich verletzte, erkrankte oder vernachlässigte Tiere wieder erholen und an einen neuen Besitzer vermittelt werden können, sagt die Ärztin.

Wenn die teils dramatischen Geschichten ein Happy End finden, „dann geht man erschöpft, aber glücklich nach Hause“.