Berlin. Fachwissen, Charakterstärke und Interesse an Menschen sind hier gefragt. Drei Berliner Sozialarbeiterinnen berichten aus ihrem Alltag.

Sie arbeiten mit Jugendlichen oder Erwachsenen, am Schreibtisch oder auf der Straße, mit unterschiedlichsten Kulturen: So verschieden wie die Menschen sind auch die Einsatzbereiche der Sozialarbeiter.

Eine von ihnen ist Maria Meisterernst (33). Sie arbeitet als leitende Sozialarbeiterin im Kreisverband Wedding/Prenzlauer Berg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Meisterernst berät Hilfesuchende zu den Themen Schwangerschaft und Geburt, unterstützt sie bei Anträgen auf Eltern-Kind-Kuren und bei finanziellen Problemen.

Von Kühlschränken bis zu Behindertenausweisen

„Ich helfe auch, wenn jemand einen Kühlschrank braucht, Informationen über das Arbeitslosengeld benötigt oder wenn ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden soll“, erzählt Meisterernst.

Außerdem organisiert die Sozialarbeiterin Sprachkurse, einen Schwangerentreff und ein Tandem-Projekt mit Geflüchteten und Menschen aus dem Kiez.

Masterstudium für eine Leitungsposition

Schon ihr Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur absolvierte Maria Meisterernst beim DRK. Während ihres Studiums gab sie sechs Jahre ehrenamtlich Nachhilfe.

Maria Meisterernst ist leitende Sozialarbeiterin im Kreisverband Wedding/Prenzlauer Berg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).
Maria Meisterernst ist leitende Sozialarbeiterin im Kreisverband Wedding/Prenzlauer Berg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). © Privat | Privat

„2009 habe ich den Bachelorabschluss in Sozialer Arbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen gemacht und danach meine feste Stelle angenommen.“ Berufsbegleitend absolvierte sie noch ein Masterstudium, um in eine Leitungsposition zu kommen.

Schöne Momente erlebe sie bei der Arbeit regelmäßig: „Wenn ich etwas bewirken kann, egal ob klein oder groß, dann weiß ich, warum ich diesen Job mache“, sagt die 33-Jährige. Solchen Einsatz für Einzelschicksale könne man nur mittragen, wenn man sich auf verschiedene Charaktere einlassen könne, findet sie. Außerdem sei es wichtig, Arbeit und Feierabend zu trennen.

Migrationsberaterin beim DRK

Mizaida Ramírez García (29) ist Migrationsberaterin für erwachsene Zuwanderer beim Landesverband Berlin des DRK in einer Migrationsberatungsstelle in Mitte. „Ich berate erwachsene Zuwanderer und Zuwanderinnen ab 27 Jahren, die eine gute Bleibeperspektive oder bereits einen Aufenthaltstitel haben“, erzählt sie.

Inhaltlich gehe es um alle Aspekte des Integrationsprozesses. Dazu gehören Themen wie Aufenthaltsrecht, Umgang mit Behörden, Kinderbetreuung, Wohnungssuche oder die Integration auf dem Arbeitsmarkt.

„Ein Klient kommt beispielsweise zu mir, weil er nicht weiß, ob er mit seinem Berufsabschluss in Deutschland arbeiten kann“, erzählt Ramírez García. „Ich kläre, ob der Abschluss formal anerkannt werden muss oder nicht und welche Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt sein müssen.“

Ihr Ziel sei es, die Selbstständigkeit der Personen zu fördern, sie auf ihre eigenen Kompetenzen aufmerksam zu machen und diese zu aktivieren.

Neben den Fachkenntnissen der Migrationssozialarbeit müsse sie viel Geduld mitbringen und offen sein. „Unsere Ratsuchenden haben ein unterschiedliches Sprachniveau im Deutschen. Manchmal muss man eine Sache mehrmals und sehr einfach erklären oder einen Dolmetscher hinzuholen.“

Die Arbeit ist herausfordernd

Die Arbeit kann in jeder Hinsicht herausfordernd sein. „Wir beraten Personen aus verschiedenen Ländern. Das bedeutet, dass sie auch verschiedene Ansichten vertreten, ob man nun persönlich mit diesen übereinstimmt oder nicht“, sagt die 29-Jährige.

Sie werde täglich mit tragischen Erlebnissen wie Flucht, Krieg und Verlust von Familienmitgliedern konfrontiert. Obwohl sie keine Psychologin sei, müsse sie diese Geschichten verständnisvoll angehen.

Die Fähigkeiten dazu hat sie sich in der Vergangenheit angeeignet. Nach ihrem Abitur ging Ramírez García erst einmal als Au-pair nach Barcelona. Dort absolvierte sie zwei Praktika: Vormittags arbeitete sie in einem bilingualen Kindergarten mit Deutsch und Spanisch.

Nachmittags war sie Teil eines Wohnprojekts, bei dem sie mit zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit und drei Männern mit Downsyndrom in einer Wohngemeinschaft lebte. Die Frauen unterstützten die Männer bei alltäglichen Aufgaben wie Kochen oder Saubermachen und unternahmen Ausflüge mit ihnen.

Master in Soziokulturelle Studien

Zurück in Berlin begann Mizaida Ramírez García ihr Studium an der Alice Salomon Hochschule. 2014 wurde sie staatlich anerkannte Sozialarbeiterin. „In Frankfurt (Oder) habe ich dann noch einen Master in Soziokulturelle Studien absolviert“, erzählt sie. „Dort lag der Fokus auf der Migrations- und Integrationsforschung.“

Heute freut sie sich über die Erfolge der Migrationsberatung: Ein Ehepaar aus Afghanistan fand eine Wohnung, ein junger Familienvater aus Somalia wurde als Produktionshelfer angestellt.

Besonders gern erinnert sie sich an eine alleinerziehende Mutter aus Togo, die nachts als Reinigungskraft arbeitete. „Sie machte oft Überstunden, konnte ihren Sohn bei den Hausaufgaben kaum unterstützen.“

Ramírez García half der Togolesin, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und somit eine neue Lebensperspektive zu bekommen. „Sie macht jetzt einen B1-Kurs in Deutsch und will in der Pflege arbeiten“, erzählt Ramírez García. „Der Aufenthaltsstatus einer Person kann erheblichen Einfluss auf deren Selbstbewusstsein haben.“

Jugendliche auf der Straße betreuen

Das Selbstbewusstsein ihrer Klienten stärken auch Streetworker. Banu Küçük ist Straßensozialarbeiterin im Team Wedding beim Verein Gangway. Die 41-Jährige trifft die Jugendlichen, mit denen sie arbeitet, dort, wo sie sich täglich aufhalten, etwa auf öffentlichen Plätzen.

Banu Küçük ist Straßensozialarbeiterin beim Verein Gangway.
Banu Küçük ist Straßensozialarbeiterin beim Verein Gangway. © Privat | Privat

„Wir arbeiten eins zu eins mit den Jugendlichen auf der Straße“, erklärt Küçük. Dieser direkte Kontakt sei sehr intensiv. „In einer Einrichtung wären die Jugendlichen der Besuch – in der Straßensozialarbeit sind wir die Gäste bei ihnen.“ Sprechstunden, immer donnerstags zwischen 15 und 17 Uhr, gibt es bei Gangway aber auch.

Tägliche Rundgänge, um sichtbar zu sein

Banu Küçük ist täglich unterwegs und macht ihre Rundgänge. Sie will sichtbar sein für die jungen Menschen und ansprechbar, wenn sie gebraucht wird. „Ich begleite und unterstütze die Jugendlichen in jeder Lebenslage, setze mich für ihre Rechte ein und fungiere somit als Sprachrohr“, erklärt die Streetworkerin.

„Sei es beim Gang zum Amt, bei schwierigen Lagen zu Hause oder in der Schule. Ich will die jungen Menschen stärken, damit sie selbstbestimmt handeln können.“

Küçük ist Diplom-Pädagogin mit einer Zusatzqualifikation in der Sozialpädagogik. Sie hat studiert, um Lehrerin zu werden, brach diesen Weg jedoch schnell ab. Sie habe gemerkt, dass sie Leistungen und Fähigkeiten junger Menschen nicht mit Noten bewerten wollte.

„Ich habe mich dann 2006 initiativ bei Gangway beworben“, erzählt sie. Dort sei sie ins kalte Wasser gesprungen und habe in der Praxis gelernt, mit den Herausforderungen umzugehen.

„Da sind die Abschiebungen junger Menschen, gegen die wir nichts tun können, bei denen wir machtlos sind, die Gänge zum Amt, die für die Jugendlichen sehr belastend sind, weil Prozesse lange dauern oder sie als Person sehr schnell abgehandelt werden“, berichtet Küçük.

Besonders schwer für sie seien Fälle, bei denen die Jugendlichen physische und psychische Gewalt erfahren haben oder noch erleben. Einschneidend war für Küçük die Abschiebung sieben junger, geflüchteter Frauen, mit denen sie innerhalb eines Theater­projekts gearbeitet hatte. „Ich war machtlos, weil ich nicht mehr für sie tun konnte.“

Lebenserfahrung ist wichtig

Trotz dieser Belastungen hat Küçük Freude an ihrer Arbeit. Sie genieße den Kontakt mit den jungen Menschen, die freiwillig auf sie zukommen und Hilfe in Anspruch nehmen. „Um das zu erreichen, muss man über einen großen persönlichen Erfahrungsschatz verfügen oder sich aneignen“, sagt sie.

Im Streetworking dürfe man nicht engstirnig sein, sagt Küçük. „Man sollte auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Das klappt unter anderem nur, wenn man das eigene Handeln und Denken reflektieren kann.“

Habe man diese Fähigkeiten nicht, hemme man nicht nur die Arbeit mit den Jugendlichen, sondern auch den Austausch im Team. Man müsse mit Kritik umgehen können, humorvoll bleiben und viel Verständnis für unterschiedliche Kulturen mitbringen.

Banu Küçük hofft darauf, mehr junge Menschen für die Straßensozialarbeit begeistern zu können. „Wir wünschen uns beruflichen Nachwuchs, der Lebenserfahrung mitbringt, Empathie und Offenheit besitzt, um mit diesen wunderbaren jungen Menschen zu arbeiten.“