Arbeitgeber lassen Hymnen schreiben, um Motivation und Bindung zu stärken. Wer aber zu dick aufträgt, erntet am Ende nur Spott.

Hamburg. "Von Mensch zu Mensch" heißt die Firmenhymne der Baumarktkette Max Bahr. "Damit transportiert sie unsere Unternehmenskultur und unsere strategische Ausrichtung", sagt Simone Naujoks, die als Leiterin der Internen Kommunikation den Anstoß dafür gab, dass sich das Unternehmen 2012 eine neue Hymne zulegte. Der alte Firmensong aus dem Jahr 2005 mit Fokus auf das Thema Familienunternehmen und musikalisch eine "maritime Orientierung" passte nach Umstrukturierungen nicht mehr. Damit die Hymne professionell klingt, beauftragte Simone Naujoks einen hauptberuflichen Komponisten und Texter damit, den Song zu kreieren.

Firmenhymnen gibt es in Deutschland inzwischen mehrere Tausend, schätzt Kulturwissenschaftler Rudi Maier von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften St. Gallen. Seit sieben Jahren forscht er zu dem Thema, archiviert alle Songs, derer er habhaft werden kann. 400 sind das inzwischen. "Die Hymnen ergeben für mich als Forscher im Bereich soziale Arbeit ein großartiges Gegenwartsbild", sagt Maier. Merkmal sei, dass sie häufig Zeichen einer Krise seien. "Sie tauchen in Umbruchsituationen auf, wenn ein Unternehmen neu justiert wird."

Einen besonders bekannten Firmensong hat die Fluggesellschaft Air Berlin. Das Lied mit den Zeilen "Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf, unsere Air Berlin" war 2006 ein Geschenk des Nürnberger Airports. "Dieses Lied hat Air Berlin als Firmenhymne damals übernommen", bestätigt ein Sprecher. Bis 2010 lief es auch als Warteschleifenmusik. Sogar ein Radiosender spielte den Song.

Allen Hymnen gemein ist, dass oft Tradition, die Zugehörigkeit der Mitarbeiter und die gute Laune besungen werden. Kulturwissenschaftler Maier zählt Loyalität, Selbstaufopferung, Kundenorientierung und den Aufruf zur ständigen Weiterbildung zu den immer wiederkehrenden Themen. Eine Hymne funktioniere und stärke das Wir-Gefühl, "wenn das, was im Lied besungen wird, auch im Alltag eingelöst wird". Doch Firmen müssten sich bewusst sein, dass das imaginäre Wir bei kleinsten Störungen im Arbeitsalltag infrage gestellt wird. Wenn die Mitarbeiter den Song als verlogen empfinden, gehe "der Schuss natürlich nach hinten los". Dann werden Hymnen von Mitarbeitern auch gern einmal anonym ins Internet gestellt - "als kleine Rache".

Denn in Deutschland wollten viele Firmen nicht, dass ihr Song nach außen dringe, "weil doch häufig sehr viel Häme und Spott über diese Lieder ausgegossen wird". Firmenhymnen sind vor allem aus der japanischen Kultur bekannt. Ihren Ursprung haben sie aber in den USA, wo IBM in den 1920er-Jahren damit angefangen habe, berichtet Rudi Maier. Dass die Lieder den deutschen Mitarbeitern peinlich seien, weist Komponist Stefan Ladage, der sich mit seiner Firma Ladage Media unter anderem auf Unternehmens- und Motivationssongs spezialisiert hat, aber zurück. "Es ist nichts Erzwungenes und Gestelztes, das würde auch nicht zur Mentalität der Deutschen passen."

Besonders eingängig ist ein im Internet kursierender Schlager mit den Zeilen "Wir bei VW sind echt okay. Ein echtes Superteam, das fest zusammensteht". Das Lied ist auf mehreren Portalen zu finden. Dass der Autobauer VW selbst etwas mit dem Lied zu tun hat, weist der Konzern aber ausdrücklich von sich. Wenn es stimmt, ist das der Idealfall, findet Maier. "Von unten nach oben" entstehen die glaubwürdigsten Hymnen. "Wenn zum Beispiel Mitarbeiter den Song dem Inhaber zum Jubiläum schenken, ist das prima", sagt der Kulturexperte. "Wenn es dagegen topdown angeordnet wird, ist es ein Management-Tool." Dann ist auch die Gefahr größer, dass die Beschäftigten den Song nicht akzeptieren.

Komponist Ladage hat seinen ersten Motivationssong vor elf Jahren für den Sportverein Arminia Bielefeld produziert. Gemessen an den Anforderungen ähnelt ein Lied dem anderen, sagt er: "Es muss immer einen gewissen Anspruch haben, es muss aber auch einen gewissen Unterhaltungswert haben, und es muss sowohl musikalisch als auch inhaltlich natürlich auf die Branche abgestimmt sein."

Nicht alle Songs setzen sich durch. Im Internet ist ein Video zu finden, in dem Mitarbeiter der Beraterfirma Ernst & Young den Klassiker "Oh happy day" mit der veränderten Zeile "When Ernst & Young showed me a better way" singen. Eine offizielle Hymne gibt es laut Sprecher Dag-Stefan Rittmeister aber nicht. "Weil das aus unserer Sicht heute schon gar nicht zeitgemäß ist, es kommt meistens nicht wirklich authentisch rüber." Das Video sei vor mehr als zehn Jahren bei einem Kennenlerntag für neue Mitarbeiter entstanden. "Heute guckt man mit einem Schmunzeln darauf."

Dass eine Firmenhymne eine sensible Angelegenheit ist, dessen war sich auch Simone Naujoks von Max Bahr bewusst. "Als Erstes habe ich zehn Marktleiter angerufen und gefragt, wie das bei ihnen ankommen würde." Die meisten, auch solche, die sie selbst als kritisch einschätzten, seien dafür gewesen. Der Komponist habe dann drei verschiedene Melodien erarbeitet, die Naujoks auf einem Delegierten-Treffen mit 500 Teilnehmern vorstellte.

"Es gab ein eindeutiges Ergebnis für die fetzige Variante." Die Mitarbeiter haben den Firmensong später auf CD erhalten. "Wer ihn für eine Feier einsetzen will, kann das tun", sagt die Kommunikations-Chefin. Vorgaben gibt es aber nicht. "So einen Song muss man vorsichtig dosieren."