Schönheit ist ihre Beruf. Karin Hannig verantwortet weltweit die Geschäfte der Beiersdorf-Marke Eucerin - erfolgreich und mit unbändiger Energie.

Wenn Karin Hannig berichtet, vergeht die Zeit wie im Flug. Zum Beispiel davon, wie sie Anfang der 90er-Jahre in Asien als Direktorin und damit ranghöchstes Mitglied einer Mittags- oder Abendgesellschaft immer am Ende des Tisches sitzen musste, weil Frauen in der Wirtschaft in Japan und den benachbarten aufstrebenden Tigerstaaten noch kaum Einfluss zugebilligt wurde. Oder wenn sie über das Buch mit Benimmregeln in Fernost erzählt, dass sie sich extra für ihren Einsatz als Nivea-Managerin in der Region gekauft hat. "Darin stand, dass Frauen im Wirtschaftsleben ein blaues oder graues Kostüm tragen müssen, das die Knie bedeckt. Zudem dürfen sie beim Lachen nie die Zähne zeigen und müssen ungeschminkt sein", sagt sie - und lacht.

Ungeschminkt, ausgerechnet Karin Hannig, die sich ihr gesamtes berufliches Leben mit Schönheitsthemen beschäftigt hat. Heute ist die Managerin für das weltweite Geschäft der Beiersdorf-Marke Eucerin verantwortlich. "Als ich diese 1995 übernommen habe, lag der Umsatz bei 85 Millionen Euro", sagt Hannig. Heute sind es rund 400 Millionen Euro.

Zurück zum Anfang der Erfolgsgeschichte: Schon nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der European Business School in Reutlingen und im französischen Reims hatte sich der Kosmetikkonzern L'Oreal die junge Managerin direkt von der Universität weggeschnappt und nach Paris geholt. Es war eine schöne Zeit damals, erinnert sich die heute 52-Jährige. Doch bald darauf wurde Hannig in die Deutschlandzentrale des Unternehmens nach Karlsruhe versetzt. Ausgerechnet Karlsruhe, im Vergleich zu Paris mindestens so kleinstädtisch wie Stuttgart, ihr Geburtsort.

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Die junge Managerin, die erst im Vertrieb und dann im Marketing tätig war, blieb nicht lange bei L'Oreal, sondern wechselte 1985 nach knapp drei Jahren zu Beiersdorf in Hamburg. Die Stadt kannte sie bereits gut. Schließlich war es ihr Jugendtraum gewesen, später einmal in einer der damals zahlreichen Hamburger Musikfirmen zu arbeiten, in denen sie auch als Studentin mehrere Praktika absolviert hatte. Doch schon Anfang der 80er-Jahre zeichneten sich Krisentendenzen in der Branche ab. "Ein Job bei L'Oreal und danach Beiersdorf erschien mir sicherer", sagt sie. Bereut hat sie diese Entscheidung nie.

Bei Beiersdorf wurde die junge Business-Frau Produktmanagerin bei Nivea. "In den Folgejahren konnte ich mich immer wieder ein kleines Schrittchen weiter nach oben bewegen und mehr Verantwortung übernehmen", sagt sie. 1990 dann der nächste Karriereschritt: Karin Hannig bekam die internationale Verantwortung für mehrere Nivea-Kategorien übertragen.

Vor allem in Asien gab es für den Konzern noch viel aufzuholen. Denn Tochtergesellschaften, wie sie Beiersdorf etwa in den meisten europäischen Ländern hat, gab es dort nicht. Von Hamburg aus bereiste Hannig deshalb diverse asiatische Länder, baute die Marke und damit das Geschäft auf und versuchte die Tatsache, dass sie von den Männern zumindest bei offiziellen Anlässen nahezu ignoriert wurde, mit Freundlichkeit zu überspielen.

Ihre Aufgabe bei Nivea hatte Karin Hannig offenbar zur Zufriedenheit des Vorstands gemeistert. Im Jahr 1995 übergab der damalige Vorstandsvorsitzende Rolf Kunisch ihr den Geschäftsbereich Dermatologie, zu dem auch Eucerin zählte. Einzige Bedingung war, dass er innerhalb von acht Monaten keine Verluste mehr abwirft. "Ich hatte alle Freiheiten dieser Welt. Dennoch habe ich das erste Mal in meiner Karriere so reagiert, wie man es Frauen unterstellt. Ich habe mich gefragt, ob ich dies wirklich schaffen kann", erzählt sie - und entschuldigt dies damit, dass sie damals ja erst 34 Jahre alt gewesen sei. "Männer stellen sich solche Fragen eher nicht."

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Natürlich hat es Karin Hannig geschafft. Sogar schon nach sechs Monaten war die Marke aus dem Minus - und Hannig hatte ihre Lebensaufgabe und mit Rolf Kunisch ein Vorbild gefunden. Eucerin bestand 1995 aus gerade einmal einer Handvoll Produkte. Heute gehört Eucerin zu den großen medizinischen Kosmetikmarken, die ausschließlich in Apotheken angeboten werden. Nicht nur in Deutschland, sondern unter anderem auch in Chile, Thailand und den USA ist Eucerin unter Hannigs Ägide Marktführer im Apothekensegment geworden.

Einen Karriereplan für sich hat Vice-President Hannig nicht entworfen. "Ich war nie auf eine nächsthöhere Position fixiert. Aber ich habe neue Herausforderungen immer gern angenommen", sagt sie rückblickend. Auch heute, in ihrem 17. Jahr bei Eucerin, bereitet ihr der Job noch immer viel Spaß. Allerdings zahlt sie auch ihren Preis für die Karriere. "Ich verzichte oft auf Freizeit", sagt sie. Am Wochenende besucht sie zum Beispiel Kongresse von Hautärzten, auf denen sie neue Trends erkundet, die auch für Eucerin eine Rolle spielen könnten.

Aus solchen Gelegenheiten zum Informationsaustausch ist auch das jüngste Produkt von Eucerin entstanden, eine Pflegecreme gegen Pigmentflecken. Zeit, mit ihrem Fahrrad an Alster oder Elbe zu radeln, bleibt der engagierten Managerin wenig. Denn oft befindet sie sich auch auf Dienstreisen in anderen Eucerin-Ländern. "Dies ist oft wie ein Ankommen bei Freunden", sagt sie. Während ihrer Zeit bei Beiersdorf hat sich Hannig ein Netzwerk von Kollegen geschaffen, mit denen sie inzwischen auch privat bekannt ist. "Bei mir verschmelzen Beruf und Freizeit", sagt sie.

"Es gibt noch viel zu tun bei Eucerin", hat die Chefin trotz des Erfolgs in den vergangenen Jahren ihren 70 Mitarbeitern am Hamburger Standort auf die Fahnen geschrieben. Unter anderem will sie die Cremes und Bodylotions in weiteren Ländern etablieren.

Zudem hat sie vor fünf Jahren noch ein weiteres Baby aufgenommen: die Pflastermarke Hansaplast und das ABC-Pflaster. Hannig griff sofort zu, um auch diesen Bereich weiter auszubauen, denn "Stillstand kann ich nicht ertragen." Wie Eucerin gehören auch die beiden neuen Produkte in den Bereich des Apothekengeschäfts. Einiges wurde bereits auf den Markt gebracht, wie etwa eine Salbe zur Fußpflege unter dem Logo von Hansaplast.

Erfolge verspricht sich die Chefin auch von den ABC-Pflastern. "Früher wurden diese vorwiegend von älteren Menschen gekauft. Heute haben immer mehr junge Leute Rückenprobleme, etwa weil sie täglich zu lange vor dem Computer sitzen", sagt Hannig. Ihr Wunsch für die Zeit nach dem Job? "Dass mich meine Mitarbeiter als angenehmen Menschen in Erinnerung behalten."