Um ihre Mitarbeiter richtig zu motivieren, raten Management-Berater den Vorgesetzten zu einem weniger hierarchischen Führungsstil.

Berlin. Anerkennung zu erfahren, respektiert zu werden, zählt zu den Grundbedürfnissen. Wer von seinem Chef als gleichwertiges Gegenüber behandelt wird, hin und wieder gelobt wird, fühlt sich motiviert, arbeitet gern und identifiziert sich mit seiner Firma. Viele Führungskräfte aber ignorieren dieses Bedürfnis, schlussfolgert das Beratungsunternehmen Gallup in einer Studie. 21 Prozent von 2000 Befragten haben demnach keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen. 45 Prozent der Befragten fühlen sich von ihrer Führungskraft vernachlässigt.

Es gebe viele Firmen in Deutschland, die Respekt zwar auf die Fahnen ihres Unternehmens schreiben, jedoch nicht mit Inhalten füllen, sagt der Psychologe Niels van Quaquebeke, der die "RespectResearchGroup" an der Universität Hamburg leitet.

"Menschen gut zu führen, ist wichtig für ein Unternehmen. Anerkennung ist ein Hygienefaktor in einer wirklich guten Unternehmenskultur", sagt Petra Bock, die als Managementberaterin Führungskräfte coacht. "Anerkennung ist einer der wichtigsten Motivatoren für Menschen. Das belegt auch die Hirnforschung." Bock hält Wertschätzung "für ein völlig unterbelichtetes Thema". Unsere Führungskultur sei in erster Linie auf Leistung und Effizienz ausgerichtet.

Den Stellenwert von Wertschätzung zu stärken, hält die Trainerin für eine riesige Herausforderung, zumal die gleiche Arbeit künftig von viel weniger Personal bewerkstelligt werden müsse. "Wenn wir da nicht den Kommunikationsstil in Unternehmen, der vielerorts ein hierarchischer ist, ändern, wird ein extremer Druck entstehen." Doch Druck mache Menschen krank, warnt sie.

Nicht nur ein rauer Umgangston, auch eine schlechte Bezahlung ist ein Beleg für fehlenden Respekt: "Ein Arbeitgeber, der seine Beschäftigten respektiert, bezahlt sie auch angemessen", sagt Petra Bock. "Und er schafft ein ansprechendes Arbeitsumfeld, das Menschen ermöglicht, Mensch zu bleiben."

Wertschätzung setze Großzügigkeit voraus, sagt Coach Sabine Asgodom. "Wir können keine Wertschätzung geben, wenn wir engherzig und neidisch sind." Sie plädiert beispielsweise dafür, in Verhandlungen darauf zu achten, dass beide Seiten möglichst viele Forderungen umsetzen können. "Der gesunde Kompromiss ist die Basis für eine lange, gedeihliche Zusammenarbeit." Weder im Beruf noch im Freundeskreis sollten wir andere kleinmachen oder demotivieren, "nur damit sie uns nicht über den Kopf wachsen", warnt Asgodom. Wer vorankommen wolle, müsse die Stärken, die Werte der anderen Menschen und ihre individuelle Art zu arbeiten kennen und anerkennen.

Um Respekt ausdrücken zu können, seien mehrere Zutaten nötig, betont Ingrid Strobl, die ein Buch mit dem Titel "Respekt" (Pattloch-Verlag) geschrieben hat: "Achtsamkeit. Nicht automatisch von mir auf andere schließen. Und Wertschätzung: Den anderen Menschen als Person anerkennen und ihm das auch zeigen. Andere in Entscheidungsfindungen mit einbeziehen. Die andere Person um Rat fragen oder ihr einen hilfreichen Tipp geben, ihr vermitteln: Ich schätze dich."

Wertschätzung zeige sich auch in der Bereitschaft, Gespräche mit Mitarbeitern zu führen, sagt Petra Bock. "Regelmäßige Feedback-Gespräche halte ich für zwingend erforderlich." Sie bezweifelt, dass sich der Einzelne vom Bedürfnis nach Anerkennung frei machen kann. "Wir sind soziale Wesen, und uns geht es gut, wenn wir in einem guten Kontakt zu anderen Menschen stehen."

Wenn das Betriebsklima als belastend empfunden werde, dann raten Coaches zum Jobwechsel. "Man sollte sich ein Umfeld suchen - ich nenne es gern Biotop -, in dem man wachsen und gedeihen kann", sagt Trainerin Bock. Diejenigen, für die ein Jobwechsel nicht infrage kommt, sollten mutig das offene Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen und ansprechen: "Ich weiß nicht, ob das, was ich hier tue, gesehen wird und ob ich auf dem richtigen Kurs bin. Wie zufrieden sind Sie mit meiner Leistung?" Man sollte signalisieren, dass Rückmeldung erwünscht sei. Viele Führungskräfte, erzählt die Beraterin aus der Praxis, seien dann sehr erstaunt, dass sie diese Rückmeldung offenbar nicht geben. In aller Regel würden sie positiv auf Aussprachen reagieren.