Zu den eigenen Grenzen und Schwächen zu stehen wirkt oftmals karrierefördernder als das mühsame Kaschieren seiner Fehler.

Berlin. Der Chef steht in der Tür: "Es gibt eine Änderung. Der Kunde hat den Termin vorverlegt. Die Präsentation muss morgen um 8 Uhr fertig sein. Schaffen Sie das?" Hut ab vor demjenigen, der nun aufsteht, dem Chef ins Auge blickt und sagt: "Nein, das schaffe ich nicht." Denn floppt eine zusammengestückelte Präsentation und der Kunde springt ab, ist es zu spät, um zu sagen: "Ich hatte zu wenig Zeit ..."

"Es gehört Mut dazu, seinem Chef die Stirn zu bieten", sagt Professor Georg Schürgers, Gründer des Beratungsunternehmens "BURN - Mental Management" und Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg. "Und ganz sicher sollten Sie es nicht bei einem bloßen Nein belassen. Die Ablehnung sollte stets begründet werden, sonst grenzt Ihr Nein an Arbeitsverweigerung." Argumente wie "für eine fundierte Präsentation reicht die Zeit nicht, uns liegen die nötigen Zahlen noch nicht vor" seien nicht nur sinnvoll, sondern ein Muss.

Allerdings sei stets auch die Haltung des Chefs entscheidend. "Im Rahmen einer wertschätzenden Führung würde der schon mal ganz anders vorgehen. Er würde etwa sagen: Wir haben ein Problem, wir brauchen die Präsentation bereits morgen, wie machen wir das?", erläutert Schürgers. Die Vorteile liegen auf der Hand: Unter extremem Stress arbeiten die meisten Mitarbeiter eher schlecht. Kooperativ motiviert hingegen mobilisieren sie gern die letzten Ressourcen.

Handelt es sich jedoch um einen eher ungeduldig-fordernden Chef-Typus, der auf sofortige Ergebnisse pocht, ganz gleich wie auch immer diese entstehen mögen, ist eine Überforderung des Mitarbeiters fast programmiert. Nur allzu leicht tappt er in die Falle, etwas zuzusagen, was er nicht leisten kann. Eine solche Haltung, so verständlich sie auch ist, sei nichtsdestotrotz ein klarer Fehler, sagt Schürgers. "Ohne das nötige Fachwissen eine Aufgabe lösen zu wollen führt mit ziemlicher Sicherheit in die Katastrophe. Wenn ich merke, ich kann das nicht, muss ich auf die Bremse treten. Das ist eine elementare Voraussetzung für Erfolg."

Zwei Faktoren sollten somit das Handeln des Mitarbeiters bestimmen. Zum einen seine Einschätzung der Situation: Schaffe ich das oder nicht? Zum anderen der Führungsstil und das Temperament des Chefs. So rät auch Beraterin und Psychologin Andrea Danker, das eigene Verhalten dem der Führungsebene anzugleichen. "Steht diese zu etwaigen Fehlern, können es auch die Mitarbeiter tun. Ansonsten kann ich das nicht empfehlen." Allerdings nehme die Fehlertoleranz zu, beobachtet Danker. Aus Fehlern lernen heißt immer öfter die Devise. Hat beispielsweise ein Mitarbeiter ein Projekt übernommen und ist daran gescheitert, "dann könnte die Fehleranalyse zur Teamaufgabe werden: Wo ist was schiefgegangen? Aber auch: Es war nicht alles schlecht, wir waren schon auf dem richtigen Weg. Der konstruktive Ansatz ist wichtig."

Doch woran liegt es, dass wir uns manchmal so schwertun, Fehler oder Schwächen zuzugeben? "Die Gründe liegen oftmals in der Kindheit", erklärt Danker. "Wer aufgewachsen ist mit Sätzen à la: ,Das gibt es doch nicht, das musst du doch können', ist entsprechend geprägt." Die Befürchtung, nicht respektiert zu werden, bis hin zur Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, sind weitere Gründe. Doch das anhaltende, oft mühsame Kaschieren von Schwächen kostet Energie, in Extremfällen kann es gar krank machen. Dabei lässt sich ein entspanntes Umgehen mit Schwächen lernen, sagt Danker. "Sehen Sie sich sympathische oder charismatische Menschen an, die zu ihren Fehlern stehen, und umgeben Sie sich mit ihnen." So lasse sich erleben: Schwächen zuzugeben endet nicht notwendigerweise in einer Katastrophe.

Also ein Plädoyer für totale Ehrlichkeit? Nur bedingt. Für Bewerbungsgespräche etwa gelten besondere Regeln. So ziele die klassische Frage nach Schwächen im Grunde auf die Reife des potenziellen Mitarbeiters ab, der seine Grenzen kennt und in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen, sagt die Expertin.