Das Burn-out-Syndrom trifft auch Berufseinsteiger immer häufiger. Ärzte raten: Achten Sie ausreichend auf sich selbst

Als Laura W. Anfang 2010 ihren ersten Job antrat, brannte sie schon - für ihren Beruf, der lange ihr Traumjob gewesen war, für die neuen Aufgaben, die sie unbedingt perfekt erledigen wollte, und für das Projekt, dessen Erfolg ihr die Vertragsverlängerung brachte. Ihr Chef war begeistert, freute sich über die engagierte neue Mitarbeiterin, gab ihr schnell noch mehr Aufgaben und übertrug der 29-Jährigen größere Verantwortung. "Ich lief ständig auf Hochtouren", erinnert sich W., "vernachlässigte Freunde und Familie und saß nicht selten von acht bis weit nach 20 Uhr im Büro." Ein Fehler, wie die Diplom-Kauffrau heute weiß.

Schon nach wenigen Monaten im Job fühlt sich die Absolventin antriebslos

Denn wer ständig brennt, brennt irgendwann aus. Das musste auch Laura W. eines Tages feststellen. Schon nach wenigen Monaten fühlte sie sich häufig gestresst, war antriebslos und leer. Trotzdem kam der Zusammenbruch für sie wie aus heiterem Himmel. "Ich dachte, ich könnte immer so weitermachen", sagt sie. "Wobei ... eigentlich hatte ich gar keine Zeit nachzudenken."

Auch wenn Burn-out, Leistungsabfall mit emotionaler Erschöpfung, heute immer noch landläufig als Manager-Krankheit bekannt ist, trifft es längst schon nicht mehr nur Menschen mittleren Alters, die ganz oben auf der Karriereleiter stehen. Laut einer Untersuchung der Krankenkassen TK, AOK und DAK klagt jeder zehnte Berufstätige unter 30 Jahren über Schmerzen ohne nachweisbare organische Ursachen. Außerdem ergab eine Auswertung der Gesundheitsreporte der gesetzlichen Krankenkassen durch die Bundespsychotherapeutenkammer, dass noch nie mehr Arbeitnehmer aufgrund einer psychischen Erkrankung der Arbeit ferngeblieben waren als 2010.

Hinter vielen Diagnosen steckt eigentlich eine Burn-out-Erkrankung

Experten sind besorgt über Statistiken, denn sie lassen vermuten, dass es relativ viele unerkannte Burn-out-Erkrankungen gibt. "Bei dieser Erkrankung finden sich häufig auch depressive Anteile", sagt John Hufert von der Techniker Krankenkasse. "Da es hierfür keinen eigenen Diagnose-Schlüssel gibt, wird kein Versicherter direkt wegen eines Burn-outs krankgeschrieben. Wir gehen davon aus, dass sich hinter vielen Psycho-Diagnosen und auch hinter Rücken- und Verdauungsbeschwerden ein Burnout verbergen kann."

Wie Laura W. starten viele Berufsanfänger heutzutage mit einem befristeten Vertrag ins Arbeitsleben, müssen sich nicht selten zwischen zwei und vier Jahren dauerhaft beweisen, bevor ihnen der Arbeitgeber sein volles Vertrauen ausspricht und einen unbefristeten Vertrag unterschreibt.

"Es sind die Hochleistungsleute, die Fleißigen und Motivierten, die unter dieser Last zusammenbrechen", sagt Helen Heinemann, Psychotherapeutin und Geschäftsführerin vom Institut für Burn-out-Prävention in Hamburg. "Ich habe zunehmend mehr junge Leute zwischen 20 und 30 in meinen Kursen." Die Ursache sieht Heinemann nicht allein in den schwierigen Bedingungen, unter denen viele ihren ersten Job antreten, sondern auch in der Umstellung auf die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master, die ihrer Meinung nach in ihrem vorgegebenen Umfang und in der vorgegebenen Zeit nicht gesund zu erreichen sind.

Tatsächlich beginnt die harte Phase bei den meisten Berufseinsteigern gar nicht erst mit dem Jobantritt. Unter welchem Druck die Hochschüler stehen, zeigt schon, dass viele von ihnen Präparate zur Behandlung des Nervensystems einnehmen: Dies sind die am häufigsten an Hochschüler verschriebenen Medikamente. Zur Abschlussarbeit und den zahlreichen weiteren Prüfungen im letzten Studienjahr kommt oft noch die Sorge um die Studienfinanzierung, deren drohende Rückzahlung und nicht selten ein zeitintensiver Nebenjob. Rund 23 000 Hilfe suchende Studenten registrierte das Deutsche Studentenwerk im Jahr 2009 in seinen psychologischen Beratungsstellen.

Berufseinsteiger passen sich oft bis zur Überforderung an und arbeiten zu lange

Rainer Richter ist Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer mit Sitz in Berlin. Er glaubt: "Junge Menschen haben zu Beginn ihres Berufslebens oft besonders hohe Erwartungen an die eigene Leistungsfähigkeit, an ihren Erfolg und an ihre Karriere." Damit seien sie für "Gratifikationskrisen" besonders anfällig. Das heißt, sie glauben, für ihren hohen Einsatz zu wenig Anerkennung, soziale Sicherheit und auch zu wenig Geld zu bekommen.

"Nicht wenige versuchen dann, die Unzufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation durch noch höhere Einsatzbereitschaft zu beantworten", erklärt der Psychotherapeut. "Und das macht sie letztlich in hohem Maße Burn-out-gefährdet." Insbesondere für Neulinge im Berufsleben sei es schwierig bis unmöglich, ihre meist vorgegebenen Arbeitsstrukturen zu ändern, glaubt Richter. Stattdessen neigen sie eher dazu, sich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Anforderungen bis hin zur Überforderung anzupassen.

"Wichtig ist gerade für Einsteiger, ein gesundes Mittelmaß aus Engagement für den Job und gleichzeitig Fürsorge für sich selbst zu finden", sagt Rainer Richter. "Wer regelmäßig um zwei Uhr nachts noch im Büro sitzt, ist irgendwann auch nicht mehr leistungsfähig. Wer hingegen auf sich selber aufpasst, ist letztlich erfolgreicher."

Laura W. hat sich mittlerweile beruflich umorientiert und das Unternehmen gewechselt. Und obwohl auch ihr neuer Job wieder einmal nur befristetet ist, hat sie ihre Einstellung grundlegend geändert. "Ich gebe jetzt nur noch 100 Prozent, nicht mehr 150", sagt sie und kann endlich wieder lächeln.