Rotes Kreuz und THW brauchen Freiwillige. Doch die Arbeitgeber geben Beschäftigte nicht frei. Ein Diskussionsthema beim Personalertreffen.

Er will retten, löschen, bergen, schützen. Seit 19 Jahren ist Jörn D., 33, Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr. Er würde jetzt gern den Lehrgang Gruppenführer II absolvieren, um Brandmeister zu werden. Doch sein Arbeitgeber verwehrt ihm das ehrenamtliche Engagement mit dem Hinweis, Jörn D. würde damit die Belange der Firma vernachlässigen. "Und ganz ehrlich, Sie wollen doch bei uns noch Karriere machen, oder?! Wie soll das gehen, wenn Sie ständig auf Lehrgängen und im Einsatz sind?", macht sein Chef ihm unverblümt klar.

Dies ist kein Einzelfall. Karriere und Ehrenamt - das ist meist unvereinbar. Oft ist es schon die räumliche Entfernung von Wohnort und Arbeitsplatz, die die Alarmbereitschaft am Wohnort von Pendlern stark einschränkt. Doch manchen ehrenamtlichen Feuerwehrleuten wird von ihren Arbeitgebern untersagt, während ihrer Arbeitszeit den Arbeitsplatz wegen eines Feuerwehreinsatzes zu verlassen. "Das widerspricht klar den gesetzlichen Regelungen", erklärte Dr. Jürgen Albers, Berater und Dozent für Personalwesen, beim 11. Human Resources Management Campus in Kiel. Er wies die teilnehmenden 45 Personalleiter und -experten aus Norddeutschland auf das Problem hin, das durch das Ehrenamt auf Unternehmen zukommt.

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"Dieses Thema wird oft völlig ausgeblendet", mahnte er eindringlich. Tatsache sei, dass sich künftig immer weniger jüngere Menschen ehrenamtlich engagieren würden. Zum einen sei dies der demografischen Entwicklung geschuldet, zum anderen würden die beruflichen Anforderungen mit internationalen und flexiblen Arbeitsverhältnissen für weniger Freiwillige sorgen.

Mit dem Abschaffen der Wehrpflicht habe der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg ein personelles Loch im Zivil- und Katastrophenschutz gerissen. Denn viele junge Männer hätten sich anstelle des Wehr- oder Zivildienstes für zuletzt vier oder sechs Jahre beim Technischen Hilfswerk (THW), beim Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter-Unfall-Hilfe, den Seenotrettern oder anderen Organisationen entschieden. "Dieses personelle Reservoir ist weggebrochen", sagte Albers.

Welche Dimensionen der freiwillige Einsatz hat, verdeutlichen nackte Zahlen: Pro Einsatzkraft und Jahr werden beim THW rund 400 Stunden für die Wartung von Fahrzeugen und Gerät aufgewendet sowie 270 Einsatzstunden. Das sind 84 Arbeitstage à acht Stunden. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) verbuchte im Jahr 2010 insgesamt 2,18 Millionen geleistete Wachstunden, die von 40 588 Mitgliedern geleistet wurden.

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Der Personalexperte erinnerte die Unternehmen an ihre sozialen Verpflichtungen. "Ich kann nicht einerseits erwarten, dass die Feuerwehr anrückt, wenn mein Betrieb brennt oder unter Wasser steht, und andererseits das freiwillige Engagement meiner Mitarbeiter bei der freiwilligen Feuerwehr oder anderen Organisationen ausbremsen", erklärte Albers.

Das Sankt-Florians-Prinzip zahle sich langfristig nicht aus. Denn, so Albers: "Die Brandschutzgesetze der deutschen Bundesländer erlauben aktiven Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr im Einsatzfall während der Arbeitszeit, sich vom Arbeitsplatz zu entfernen." Die Arbeitgeber erhalten übrigens auf Antrag den Lohnausfall von der Kommune erstattet. Dies gilt auch für Ausbildungsveranstaltungen, etwa die Teilnahme an Lehrgängen an einer Landesfeuerwehrschule.

Den meisten Arbeitgebern ist diese Rechtslage gar nicht bewusst, wie mehrere Personalleiter beim Campus in Kiel bestätigen. Doch es könnte noch schlimmer kommen: "Wenn der Bedarf durch Freiwillige nicht mehr gedeckt werden kann, werden die Kommunen durch die Brandschutzgesetze gezwungen sein, Pflichtfeuerwehren einzurichten. Und dann fragt niemand mehr nach Karrierechancen", warnte Albers. Eine Katastrophe wie das Oderhochwasser 1997 könnte vermutlich schon heute mit den vorhandenen Einsatzkräften nicht mehr bewältigt werden.

Der Personalexperte appellierte an die Arbeitgeber, das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter zu fördern. "Arbeitszeit-, Vergütungs- und Karrieremodelle müssen künftig darauf abgestimmt werden. Dafür sollte es im Personalmanagement eine eigene Funktion geben. Ich rate dazu, mit den ortsansässigen Katastrophenschutzorganisationen zusammenzuarbeiten."

Was im Moment für manche Arbeitgeber wie ein Schreckgespenst wirke, könnte sich langfristig als Pluspunkt bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern erweisen, erklärte Jürgen Albers: "Gerade jüngere Menschen sind an sinnvoller ehrenamtlicher Tätigkeit als Ausgleich zur vergüteten Beschäftigung interessiert. Wer ihnen dazu die Möglichkeit gibt, ist als Arbeitgeber attraktiver als Firmen, die beim Ehrenamt mauern."