Um kulturelle Projekte im Ort finanzieren zu können, will Tostedt eine Bürgerstiftung gründen. Das Beispiel Hanstedt kann dabei Vorbild sein.

Tostedt/Hanstedt. Hermann Buter hätte sagen können: Mein Geld gehört mir, alles andere ist mir schnuppe. Hat er aber nicht. Dem 80-jährigen Hanstedter war es eben nicht egal, wie es seinen Mitbürgern und seiner Heimatgemeinde geht. Er wollte mit seinem Geld etwas Sinnvolles tun, etwas anstoßen, das vielen Menschen zugute kommt. Er wollte, wie es so schön heißt, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Vor vier Jahren hat der langjährige Vorsitzende der CDU deshalb die Bürgerstiftung Hanstedt ins Leben gerufen. Eine Stiftung, wie es sie bisher rund 300 Mal in Deutschland und 45 Mal in Niedersachsen gibt und mit der Projekte für Kinder, Jugendliche und Senioren in der Gemeinde gefördert werden. "Wir hatten selbst keine Kinder, und als meine Frau vor elf Jahren starb, habe ich mich gefragt, was ich mit unserem Geld machen soll", erzählt er. Warum also nicht eine Stiftung gründen, die Dinge wie einen Mittagstisch für Senioren aufbaut oder den Hanstedter Weihnachtsmarkt unterstützt? Gesagt, getan. Die Bürgerstiftung Hanstedt war als erste Bürgerstiftung im Landkreis Harburg geboren.

Nun könnte man sich natürlich die Frage stellen, welche Rolle eine Kommune in der ganzen Sache spielt oder, besser gesagt, spielen sollte. Ist es nicht ihre Aufgabe, für das Wohlergehen ihrer Bürger zu sorgen? Aus Sicht der Stiftungen lautet die Antwort: Jein. Als Stiftungen von Bürgern für Bürger sind Bürgerstiftungen ein Ausdruck des zivilgesellschaftlichen Engagements, der Eigeninitiative und der Eigenverantwortung und stehen für politische und finanzielle Unabhängigkeit. Hinzu kommt, dass auf der anderen Seite viele Kommunen in Zukunft schlichtweg nicht mehr in der Lage sein werden, alle Belange des öffentlichen Lebens wie gewohnt zu finanzieren. Die Haushaltslage zwingt zum Sparen, und das trifft oftmals vor allem den kulturellen oder sozialen Bereich.

Das hat auch die Gemeinde Tostedt erkannt, die jetzt nach Hanstedt als zweite Kommune im Landkreis eine Bürgerstiftung starten will. Die Auftaktveranstaltung ist für Freitag, 20. Januar, 19 Uhr, geplant. Alle Bürger sind eingeladen, an diesem Abend in die Schützenhalle zu kommen, um sich zu informieren und daran mitzuwirken, einen Kapitalstock aufzubauen. Aus den Erträgen dieses Kapitals sollen langfristig gemeinnützige Projekte in der Kultur und im Sport angestoßen werden.

"Die Stiftung soll helfen, wenn Investitionen anstehen", sagt Gerd Gerhardt vom Fachbereich Steuerung und Service der Samtgemeinde Tostedt. Vor allem was die Kultur angehe, sei in Tostedt noch einiges aufzuholen. Lesungen, Theater, Kunstausstellungen, vieles sei denkbar. Gerade die freiwilligen Leistungen von Kommunen fielen häufig hintenüber, die Bürgerstiftung solle diese Lücke füllen.

"Die kulturelle Szene muss einfach belebt werden", sagt Hanscarl Hoffmann, für die SPD Mitglied im Tostedter Gemeinderat und Initiator der Bürgerstiftung. Auch er weiß, wie dringend notwendig der überparteiliche Charakter einer solchen Einrichtung ist, weshalb er selbst nicht für den Vorsitz antreten will. Die Gemeinde wird sich ebenfalls nach der Auftaktveranstaltung aus der Stiftungsarbeit zurückziehen.

"Wir haben lange Jahre überfraktionell an dem Vorhaben gearbeitet", sagt Hoffmann. Der Durchbruch kam, als die Sparkasse Harburg-Buxtehude sich meldete, weil sie ebenfalls plante, neue Stiftungen ins Leben zu rufen. "Da haben wir uns dann angeschlossen." Die Tostedter Bürgerstiftung wird deshalb eine sogenannte unselbstständige Treuhandstiftung werden, die jedoch ausschließlich Projekte in der Gemeinde fördert. Bis das geschehen kann, wird es aber noch eine Weile dauern. Der Kapitalstock liegt bei rund 30 000 Euro, alleine 25 000 Euro kamen von der Gemeinde. "Unsere Hauptaufgabe ist es nun, das Ganze bekannt zu machen", sagt Hoffmann.

Ein Blick nach Hanstedt könnte da durchaus hilfreich sein. Dort ist die Bürgerstiftung vier Jahre nach ihrer Gründung ein fester Bestandteil der örtlichen Gemeinschaft - und eine echte Erfolgsgeschichte. "Auch wir mussten am Anfang immer wieder erklären, wer und was wir überhaupt sind", sagt die erste Vorsitzende Astrid Ellerbrock. Das ging am besten über Projekte, die drei Kriterien erfüllten: sinnvoll, kostengünstig und öffentlichkeitswirksam sollten sie sein. Mit dem 14-täglichen Senioren-Mittagstisch trafen sie schließlich genau ins Schwarze, die Einrichtung wird bis zum heutigen Tage regelmäßig von bis zu 20 älteren Hanstedtern besucht.

Weitere Projekte wie das Bilderbuchkino in Kindergärten oder die Arbeitsgruppe, die sich um einen historischen Pfad durch den Ort kümmert, folgten. Ihr Meisterstück schuf die Bürgerstiftung aber mit der Bücherstube, auf Platt Bökerstuuv, die im Mai 2011 eröffnet wurde. An zwei Nachmittagen in der Woche sowie am Sonnabend bietet sie alten und jungen Hanstedtern die Möglichkeit, im Küsterhaus zu schmökern, Bücher oder Hörbücher auszuleihen oder einfach bei einem Kaffee zusammenzusitzen.

70 000 Euro brachte die Stiftung allein für die Renovierung des Gebäudes auf, und zwar aus Spenden, die nicht als Zustiftung ins Stiftungskapital flossen, sondern zweckgebunden waren. Das Stiftungskapital selbst liegt derzeit bei fast 150 000 Euro. "Wir legen Wert darauf, dass es keinen großen Haupt-Stifter gibt, sondern viele kleine", sagt Hermann Buter, der zum zweiten Vorsitzenden gewählt wurde. So könne die Stiftung ihre Unabhängigkeit bewahren und das erlangen, was ihr größtes Kapital ist: eine breite Akzeptanz bei allen Bürgern der Gemeinde.