Angesichts des fallenden Euro-Kurses wird ihm bereits der Untergang nachgesagt. Britische Experten erwarten das Ende der Gemeinschaftswährung.

Hamburg. Die Schuldenkrise in Europa hält immer neue Schocks für die Finanzmärkte bereit - selbst wenn die alarmierenden Nachrichten gar nicht aus einem Euro-Land kommen. So hatten ungarische Regierungsvertreter gesagt, das Land könne nur noch schwer ein ähnliches Schicksal wie Griechenland verhindern. Zwar stellte Wirtschaftsminister György Matolcsy gestern klar, der Vergleich sei überzogen.

Doch die Angst vor einem neuen Krisenherd in Europa hatte sich bereits festgesetzt. Sie trug dazu bei, dass gestern an der Tokioter Aktienbörse der Nikkei-Index der 225 führenden Werte um 3,8 Prozent abstürzte - es war der größte Tagesverlust seit mehr als einem Jahr. Der Euro-Kurs rutschte zeitweise unter 1,19 Dollar. Damit hat die Gemeinschaftswährung seit Jahresbeginn rund 17 Prozent gegenüber dem Dollar verloren.

Dabei erwarten etliche britische Marktbeobachter offenbar schon den Untergang des Euro. In einer Umfrage der Zeitung "Daily Telegraph" gaben zwölf von 25 Wirtschaftsexperten der Währungsgemeinschaft in ihrer aktuellen Form höchstens noch fünf Jahre. Acht der Befragten glauben an die Stabilität des Euro, fünf wollten sich nicht festlegen.


Aber auch deutsche Experten halten ein Scheitern der Währungsunion zumindest nicht mehr für ausgeschlossen. "Sorgen um den Fortbestand des Euro sind nicht völlig abwegig", sagte Kapitalmarktexperte Carsten Mumm vom Bankhaus Donner & Reuschel dem Abendblatt. "Man muss jetzt einiges richtig machen, um die Währung zu erhalten", meint auch Rolf Drees, Leiter des Analyseteams bei der WGZ Bank. Es sei durchaus vorstellbar, dass sich das Gebilde des Euro als nicht tragfähig erweist - vor allem dann, wenn sich die Währungsunion immer mehr zu einer Transferunion entwickele. "Sollte der deutsche Steuerzahler für alle und für alles geradestehen müssen, wird auch den geduldigsten Landsleuten das Verständnis dafür fehlen."

EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich gestern zwar besorgt über den raschen Verfall des Euro, das Kursniveau jedoch gebe keinen Anlass zu Befürchtungen. Genauso sieht es Drees. Das "ungesunde" Tempo der Talfahrt erschwere den Unternehmen die Planungen - und zweifellos sei der Wertverlust des Euro gegenüber dem Dollar "ein Indikator dafür, dass einiges schiefzulaufen droht".


Doch der Kursrückgang an sich sei nicht besorgniserregend. So erreiche der Euro erst bei 1,15 Dollar eine Kaufkraftparität gegenüber der US-Währung. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass der Euro in seiner Geschichte nun schon zum vierten Mal ungefähr auf dem aktuellen Niveau notiert und um die Jahrtausendwende auch schon einmal bei 0,82 Dollar lag, "ohne dass die Welt untergegangen ist". Auch Mumm meint, Kurse unterhalb von 1,20 Dollar seien noch längst kein Anlass, "schon den Abgesang auf den Euro anzustimmen".

Ähnlich gelassen gab sich gestern vor einem EU-Finanzministertreffen der niederländische Ressortchef Jan Kees de Jager. Der aktuelle Wechselkurs entspreche immer noch dem langjährigen Durchschnitt, sagte er. Sein belgischer Kollege Didier Reynders erklärte, der Rückgang des Euro sei nur gut für die europäische Exportwirtschaft.

Zwar gibt es auch eine Kehrseite: Importe von außerhalb des Euro-Raums verteuern sich, was deutsche Autofahrer in Form höherer Benzinpreise an den Tanksäulen zu spüren bekommen. Dennoch gelte: "Deutschlands Wirtschaft ist so stark exportorientiert, dass die Vorteile eines niedrigeren Euro-Kurses die Nachteile überwiegen", sagte Mumm.

Auch wenn sich derzeit nur wenige Analysten noch eine konkrete Prognose für die Gemeinschaftswährung zutrauen, sind sich die meisten Fachleute aber doch einig darüber, dass der Kurs nicht auf das Verhältnis eins zu eins zum Dollar zurückgehen wird. Mumm nennt einen der Gründe dafür: "Die USA haben ein viel größeres Verschuldungsproblem als zum Beispiel Deutschland."


Darauf wies gestern auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager hin: Nicht nur die USA, sondern auch Großbritannien und Japan hätten höhere Defizite und Schuldenstände als die 16 Euro-Länder im Schnitt.

Zwar gebe es angesichts der in den vergangenen Jahren angehäuften Schuldenberge keine Alternative zu Sparanstrengungen, über die das Bundeskabinett und die Regierungen vieler anderer europäischer Staaten gerade debattieren, sagte Drees. Doch komme es in der aktuellen Lage darauf an, "auf intelligente Weise zu sparen". Denn auch eine allzu krasse Drosselung der Staatsausgaben bringe Gefahren mit sich: "Schocksparen kann einen Dominoeffekt auslösen." Trete man zu hart auf die Schuldenbremse, würge man das Wirtschaftswachstum ab - und damit träte genau das ein, was man doch eigentlich verhindern wollte: Der Euro sinkt noch weiter und der Schuldenstand erhöht sich wieder.