Berlin. Wie haben sich Mieten und Löhne in Ihrer Region in den vergangenen Jahren im Vergleich entwickelt? Hier geht es zum Wohnraum-Check.

Wer in München nicht mehr als ein Viertel seines Gehalts für die Miete ausgeben möchte, der muss sich einschränken. Bei einem Durchschnittseinkommen können sich Mieterinnen und Mieter in der bayerischen Landeshauptstadt im Mittel gerade einmal 36,2 Quadratmeter leisten – und das, obwohl die Löhne in München hoch sind. Enger wohnt man nirgendwo in Deutschland. Doch auch andernorts ist die Entwicklung alles andere als rosig. Wohnen wird immer teurer.

Zu diesem Schluss ist das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln gekommen. Vor vier Jahren hat das arbeitgebernahe Institut schon einmal untersucht, wie sich Löhne und Mieten im Vergleich entwickeln. Nun wiederholten die Immobilienökonomen Pekka Sagner, Julia Sprenger und Michael Voigtländer die Untersuchung mit Daten aus dem Jahr 2021. Und ziehen in ihrem noch unveröffentlichten Bericht, der unserer Redaktion vorliegt, ein ernüchterndes Fazit: „Für den Zeitraum 2018 bis 2021 ist die Erschwinglichkeit in fast 75 Prozent der Kreise zurückgegangen – mit Blick auf die Energiekrise ein beunruhigendes Ergebnis.“ Bedeutet: Die Mieten steigen schneller als die Löhne.

Wohnen: Nur in jedem vierten Landkreis steigen die Löhne schneller als die Mieten

Der Blick auf die Deutschlandkarte zeigt: Vor allem im Süden, aber auch im Westen und Norden nehmen die Wohnkosten stark zu. Im Osten und in der Mitte Deutschlands entwickeln sie sich dagegen moderat, sinken mitunter sogar.

In Dessau beispielsweise konnten sich vor drei Jahren Durchschnittsverdiener für 25 Prozent des Einkommens im Mittel 78,7 Quadratmeter leisten – jetzt sind es schon fünf Quadratmeter mehr. Aber auch in Kaiserslautern, der bayerischen Kreisstadt Tirschenreuth oder im niedersächsischen Nienburg sind die Löhne stärker als die Mieten gestiegen. Besonders komfortabel lässt es sich in Holzminden und der Südwestpfalz wohnen: Hier bekommt man mit einem Median-Einkommen mehr als 100 Quadratmeter Wohnfläche. Knapp darunter liegt mit Salzgitter die erste Großstadt.

Mietenschock: Besonders teuer ist Wohnen im Großraum München

Über eine Verbesserung können sich aber nur Wohnungssuchende in 107 der 400 untersuchten Landkreise und Städte freuen. Überall sonst sind die Mieten stärker gestiegen als die Löhne. Von den zehn Kreisen, in denen sich Durchschnittsverdiener am wenigsten Wohnraum leisten können, liegen neben der Stadt München sechs weitere im Umland der bayerischen Hauptstadt. Nur in Freiburg, Frankfurt am Main und Offenbach erhalten die Mieter ähnlich wenig Wohnraum für ihr Einkommen. Eine Besonderheit gibt es für Berlin: Weil in der Hauptstadt bis ins Jahr 2021 hinein die Mieten gedeckelt waren, sind die Werte verzerrt. In Hamburg stiegen die Löhne im Mittel etwas schneller als die Mieten: 48,23 Quadratmeter kann man sich mit einem Median-Einkommen leisten – einen Quadratmeter mehr als vor vier Jahren. In Erfurt sind es sogar zwei Quadratmeter mehr, in Essen und Braunschweig dagegen jeweils rund ein Quadratmeter weniger.

Untersucht hat das IW Köln auch die Möglichkeiten von Geringverdienern. Dabei hat das Institut das Einkommen – 80 Prozent der Lohnempfänger verdienen mehr – bereits in ein Verhältnis zu günstigeren Wohnungen gesetzt. Trotzdem bleibt für diejenigen, die keine hohen Einkommen haben, noch weniger Wohnraum übrig. In München müssen sie trotz der Auswahl günstigerer Wohnungen mit 30,6 Quadratmetern auskommen.

Mieterbundpräsident warnt vor sich zuspitzender Lage

Besorgt, aber nicht überrascht von der Entwicklung, zeigt sich Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. „Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass die Mieten deutlich stärker steigen als die Löhne“, sagte Siebenkotten dieser Redaktion. „Die Energiekrise wird diese Entwicklung noch drastisch verschärfen, wenn die Betriebskosten bisweilen höher als die Grundmieten sein werden. Viele Mieterhaushalte werden überfordert werden“, warnt er. Und weist darauf hin, dass es sich bei der Untersuchung lediglich um Mittelwerte handele: „Es gibt eine Menge an Mieterinnen und Mietern, die sich auf angespannten Wohnungsmärkten nur noch 18 Quadratmeter leisten können. Das ist zu wenig und die Lage spitzt sich weiter zu.“

Von einer ähnlichen Entwicklung gehen auch die IW-Ökonomen aus. Wohnungssuchende würden angesichts der Energiekosten eher auf kleinere Wohnungen ausweichen. In Wohnungsmärkten, in denen die Situation noch entspannt ist, könnten die Mieten deutlich steigen. In den Großstädten seien viele Haushalte bereits an ihrer Belastungsgrenze, die Potenziale für Mietsteigerungen seien begrenzt. „Eine soziale Folge wird daher sein, dass viele Menschen nicht umziehen können, dies gilt insbesondere für junge Erwerbstätige und Studierende sowie für Familien mit kleinen Kindern“, schreiben Sagner, Sprenger und Voigtländer. Überbelegungen dürften zunehmen.

Preisspirale: Sozialverbände schlagen Alarm

Sozialverbände, Gewerkschaften und Mieterschützer schlagen angesichts der Aussichten bereits Alarm. Am Mittwoch wandte sich ein breites Verbändebündnis, darunter der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Mieterbund und der Paritätische Wohlfahrtsverband in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und forderten einen Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter, die ihre Energierechnung nicht bezahlen können.

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hatte jüngst gegenüber unserer Redaktion zugesagt, dass Mieter nicht gekündigt werden würden, wenn sie ihre Energiekosten nicht mehr bezahlen könnten. Das größte GdW-Mitglied aber, der Wohnungsriese Vonovia, hatte am Investorentag in dieser Woche dagegen Unterlagen veröffentlicht, wonach Mietern, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkämen, notfalls gekündigt werden würde. Nach massiver Kritik ruderte Vonovia nun zurück. „Bei uns wird niemand eine Wohnung verlieren, nur weil die Heizkosten nicht gezahlt werden können“, zitierte die „Welt“ Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.