Hamburg. „Berliner Zeitung“-Verleger Holger Friedrich arbeitete von Dezember 1987 bis Februar 1989 für die Stasi. Er kam einem Bericht zuvor.

Am Freitagmittag um 13:34 Uhr meldete sich Holger Friedrich „in eigener Sache“ in der Digitalausgabe der „Berliner Zeitung“ zu Wort. Was der Digitalunternehmer mit dem Rauschebart, dem das Blatt zusammen mit seiner Frau Silke seit dem Spätsommer dieses Jahres gehört, dort veröffentlichte, schlug ein wie eine Bombe: Friedrich räumte ein, zu DDR-Zeiten als IM „Peter Bernstein“ für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gespitzelt zu haben.

Das Bekenntnis des Neueigentümers der Hauptstadt-Zeitung erfolgte nicht aus freien Stücken: Journalisten der „Welt am Sonntag (WamS)“ waren der Stasi-Geschichte des 53-Jährigen bereits auf die Schliche gekommen. Laut Friedrich sollen auch „Spiegel“ und „Manager Magazin“ an der Story dran gewesen sein.

Offenbar um einer Veröffentlichung zuvorzukommen, publizierte er nun den Fragenkatalog, den er von der „WamS“ zugeschickt bekommen hatte, zusammen mit seinen Antworten. Gut zwei Stunden später stand der Text der „WamS“-Kollegen auf Welt.de.

Verleger Holger Friedrich war IM-Spitzel – Akte umfasst rund 125 Seiten

Aus ihm geht hervor, dass Friedrich vom Dezember 1987 bis zum Februar 1989 für die Stasi tätig war. In dieser Zeit leistete der spätere Verleger seinen dreijährigen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) ab.

Laut „WamS“ kam er mehrfach „mit Stasi-Offizieren zu konspirativen Treffen“ zusammen. Überliefert seien „zwölf größtenteils handschriftliche Spitzelberichte“. In ihnen würden „mehr als 20 Personen in identifizierbarer Weise genannt“.

Holger Friedrich.
Holger Friedrich. © dpa | Britta Pedersen

Für manche hatten die Berichte des IM „Peter Bernstein“ offenbar negative Folgen: Die „WamS“ führt den Fall eines Soldaten an, der auf Grundlage von Friedrichs Spitzeleien „gemaßregelt und strafrechtlich belehrt werden sollte“. Die Zeitung zitiert zudem aus einer schriftlichen Beurteilung seines Führungsoffiziers, in der es heißt: „Er belastet in Gesprächen Personen aus seinem Umgangskreis.“

Die „WamS“ hat nach eigenen Angaben von der Stasi-Unterlagenbehörde „aus Friedrichs IM-Akte, die im Original rund 125 Seiten umfasst, 80 Seiten zur Verfügung gestellt“ bekommen.

Der Verleger behauptet in seinen Antworten auf die Fragen der Zeitung, „nicht aktiv“ für die Stasi tätig gewesen zu sein. Dem widerspricht laut „WamS“ jedoch der Inhalt seiner Akte. Zudem stufe die Stasi-Unterlagenbehörde ihn selbst als „Mitarbeiter“ ein.

Holger Friedrich will nie Akteneinsicht beantragt haben

Friedrich schreibt, wegen versuchter Fahnenflucht von der Stasi zur Mitarbeit genötigt worden zu sein. Anderenfalls wäre er der „Militärstaatsanwaltschaft in Neubrandenburg überstellt“ worden „mit der Aussicht auf eine mehrjährige Haftstrafe im Militärgefängnis Schwedt“.

Laut „WamS“ geht aus Friedrichs Akte tatsächlich hervor, dass gegen ihn „wegen des Verdachts der Fahnenflucht ermittelt“ wurde. Er habe sich als „Wiedergutmachung“ als IM verpflichtet. Was seine eigene Bearbeitung durch den Geheimdienst betrifft, sehe die Stasi-Unterlagenbehörde in Friedrich auch einen „Betroffenen“. Papiere über diesen Aspekt dürfe die Behörde nicht ohne die Zustimmung des Betroffenen herausgeben.

Im Fall des Soldaten, der aufgrund seiner Berichte „gemaßregelt und strafrechtlich belehrt werden sollte“, will Friedrich sich mit dem Stasi-Opfer darüber „abgestimmt“ haben, „welche Information durch mich an den MfS berichtet werden“. Ziel sei es gewesen, „keine ohnehin bekannten Informationen weiterzugeben, weil wir uns möglicher Folgen mehr als bewusst waren“.

„Berliner Zeitung“ will sich sachlich mit Situation auseinandersetzen

Kurz danach will Friedrich sich „dekonspiriert“ haben, indem er „offen darüber gesprochen habe, dass mich das MfS unter Bewährung hält und ich zur Kooperation gezwungen bin“. Seinem Führungsoffizier habe er mitgeteilt, nicht länger für die Stasi zu arbeiten .

Friedrich will nie Akteneinsicht beantragt haben, obwohl er von der Existenz seiner Stasi-Akte gewusst habe. Er gehe, sofern er gefragt werde, mit seiner Vergangenheit „offen um“. In einem dpa-Interview hatte er allerdings auch über seine Zeit bei der NVA gesprochen, ohne seine Stasi-Mitarbeit zu thematisieren. Dabei sei es um den Spätsommer 1989 gegangen, um eine Zeit, in der er nicht mehr für die Stasi gearbeitet habe, sagt er nun.

Die Redaktion der „Berliner Zeitung“ hat in einer eigenen Erklärung versprochen, „sich sachlich und angemessen mit der Situation auseinandersetzen“ zu wollen.