Berlin. Zwischen Supersparpreis, Fahrgastrekord, Mitarbeitermangel und Schuldenfalle: Am Mittwoch geht es um die Zukunft der Deutschen Bahn.
Sparpreise und 19-Euro-Tickets haben der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr einen neuen Fahrgastrekord im Personenfernverkehr beschert. Nach Informationen unserer Redaktion konnte das Unternehmen den Rekordwert aus dem Jahr 2017 von 142 Millionen Reisenden noch einmal übertreffen.
Der Umsatz im Personenfernverkehr stieg um fast 300 Millionen Euro auf rund 4,5 Milliarden Euro. Auch das Ergebnis in der Fernverkehrssparte bewegt sich oberhalb der gut 380 Millionen Euro aus dem Jahr 2017. Die genauen Bilanzzahlen veröffentlicht die Bahn im März.
Es geht um die Zukunft
Die positiven Nachrichten kommen zu einer Zeit, in der die Preispolitik der Bahn, aber auch die gesamte Konzernstrategie in der Kritik steht. Am Mittwochnachmittag wird sich der Vorstand der Bahn schon zum dritten Mal mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) treffen. Mit dabei werden Verkehrs- und Haushaltspolitiker der schwarz-roten Koalition sein.
Es geht um die Zukunft des Konzerns. 25 Jahre nach der Bahnreform ist die Bahn erneut hoch verschuldet. Bei dem Treffen um 15 Uhr soll es um eine mögliche Finanzspritze des Bundes für die Bahn gehen. Auch mehr direkte Verantwortung des Vorstands für das operative Geschäft und eine neue Organisation der Bahn stehen auf der Tagesordnung.
Unternehmen setzt auf Mischung aus Billig- und Normaltickets
Die guten Zahlen im Fernverkehr sind für die Bahn eine Bestätigung ihrer Preispolitik. Der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), hatte am Wochenende höhere Ticketpreise verlangt. Es könne nicht der Normalfall sein, für 19 Euro quer durch Deutschland zu fahren, hatte er bemängelt. Dagegen setzt das Unternehmen auf eine Mischung aus Billig- und Normaltickets, um die Auslastung der Züge besser zu steuern.
Rund ein Drittel der verkauften Fernverkehrstickets sind nicht-rabattierte Fahrscheine. Ein weiteres Drittel sind Spar- und Supersparpreise. Ein weiteres Drittel des Umsatzes erzielt die Bahn im Fernverkehr mit der Bahncard und Zeitkarten, Reservierungen und Einnahmen aus der Gastronomie. Im Durchschnitt kostete ein Ticket im Jahr 2018 knapp 45 Euro, also weit mehr als die von Ferlemann kritisierten Angebote.
Ein Fünftel der Neueinstellungen sollen Auszubildende sein
Die Ticketpreise seien eine „unternehmerische Entscheidung“ der Bahn, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums am Montag. Damit wurde deutlich, dass der Bahnbeauftragte nicht im Sinne von Minister Scheuer gesprochen hatte.
Beim ersten und zweiten Treffen mit Scheuer vor zwei Wochen hatte Bahnchef Richard Lutz einiges vorgeschlagen, mit dem die Züge pünktlicher und der Service am Bahnhof besser werden sollen. Dazu gehörte auch das Versprechen, mehr Personal einzustellen. Nach Informationen unserer Redaktion will die Bahn dieses Jahr rund 22.000 neue Mitarbeiter rekrutieren. Etwa ein Fünftel davon sollen Auszubildende sein.
Der Rest sind Quereinsteiger mit Vorkenntnissen, aber auch Berufserfahrene. Konkret sollen 2000 neue Lokführer zur Bahn kommen. Für die Stellwerke will der Konzern 1500 Fahrdienstleiter einstellen und 3300 neue Instandhalter für die Wartung von Schienen und Zügen. In den Zügen selbst sollen 1100 neue Servicekräfte Fahrkarten kontrollieren und Speisen verkaufen.
205.000 Mitarbeiter arbeiten derzeit bei Deutscher Bahn
In allen genannten Bereichen wird die Zahl der Mitarbeiter damit um rund zehn Prozent aufgestockt. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bahn ähnlich viel neues Personal eingestellt – zusammengerechnet waren es 24.000 neue Beschäftigte. Insgesamt arbeiten bei der Bahn in Deutschland derzeit 205.000 Mitarbeiter.
Beim Treffen am Mittwoch soll es nun ums Geld gehen. Offen ist nämlich, wie die Bahn ihre dringend benötigten Investitionen bezahlen soll. Das Unternehmen braucht neue Züge, muss die Infrastruktur erneuern und vor allem digitalisieren, damit mehr Züge gleichzeitig auf einer Strecke fahren können. Aus den laufenden Einnahmen kann die Bahn das nicht bezahlen. Die Verschuldung des Konzerns kratzt mit rund 20 Milliarden Euro an der zulässigen Obergrenze.
Verkauf der britischen Tochtergesellschaft Arriva
Das Geld muss deshalb entweder durch Verkäufe in die Kasse kommen oder vom Bund. Der Vorstand favorisiert seit geraumer Zeit einen Verkauf der britischen Tochtergesellschaft Arriva, die in mehreren europäischen Ländern Nahverkehrslinien betreibt und damit hohe Gewinne einfährt. Würden einige oder alle Anteile daran verkauft, könnte dies die dringend benötigten Milliarden einbringen. Diese Variante hat die Sympathien des Finanzministeriums.
Das Verkehrsministerium dagegen kann sich dem Vernehmen nach auch vorstellen, das Eigenkapital der Bahn noch einmal um einige Milliarden Euro zu erhöhen. Entschieden wird darüber nicht jetzt. Das ist Sache des Aufsichtsrates, der im März und dann wieder im Juni tagt. Im Zweifel aber werden die Spitzen der Koalition bestimmen, wo es langgeht.
Das gilt auch für die Reform der Konzernstruktur: Lutz hätte gerne mehr Durchgriffsmöglichkeiten in den einzelnen Sparten des Konzerns. Deren Leitungen müssten dafür wohl entmachtet werden. Das Treffen am Mittwoch wird daher nicht das letzte Treffen von Bahn und Politik sein.