Berlin. Eine Studie zeigt: Produkt- und Markenpiraterie sorgen für Schäden bei deutschen Unternehmen in Höhe von 50 Milliarden Euro im Jahr.

Die Beamten des Hauptzollamts Potsdam waren misstrauisch: 94 Pakete aus China kamen im Oktober 2017 als Frachtsendung am Berliner Flughafen Tegel an. Laut Frachtbrief waren darin Kleider, die nach Polen weitertransportiert werden sollten.

Die Beamten wollten es genauer wissen. Und siehe da: Zum Vorschein kamen insgesamt mehr als 16.000 Spielzeuge verschiedener Hersteller. Es handelte sich um Fälschungen, die nicht den europäischen Sicherheitsstandards für Spielzeug entsprachen.

Spielzeug, Tabletten, Handtaschen, CDs, Maschinen: Produkt- und Markenpiraterie zählt seit vielen Jahren zu den größten Problemen der Industrienationen.

Denn das Geschäft mit Fälschungen, Plagiaten oder Raub- und Schwarzkopien boomt: Der internationale Handel mit nachgeahmten Waren belief sich zuletzt auf rund 2,5 Prozent des Welthandels und erreichte laute OECD-Zahlen aus dem Jahr 2016 damit einen Gesamtwert von 338 Milliarden Euro. Für das Jahr 2022 wird mit einem Anstieg auf 931 Milliarden Euro gerechnet.

Jede zehnte Firma wurde schon von Fälschern betrogen

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun in einer Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) untersucht, welche Schäden die deutsche Wirtschaft davonträgt.

Befragt wurden Unternehmen aus der Industrie, unternehmensnahen Dienstleistungen sowie des Baugewerbes. Das Ergebnis erschreckt: „Jedes zehnte Unternehmen in Deutschland ist in den zurückliegenden fünf Jahren mindestens einmal Opfer von Produkt- und Markenpiraterie geworden“, sagt IW-Experte Oliver Koppel.

Für die deutsche Volkswirtschaft entsteht laut der IW-Untersuchung, die unserer Redaktion vorliegt, durch diese Produkt- und Markenpiraterie ein Schaden in Höhe von aktuell jährlich 54,5 Milliarden Euro.

Produktpiraten vernichten Arbeitsplätze

Der chinesische Präsident Xi Jinping.
Der chinesische Präsident Xi Jinping. © dpa | Mark Schiefelbein

Neben dem unmittelbaren Umsatzverlust für die betroffenen Unternehmen äußert sich der Schaden auch darin, dass Arbeitsplätze bei deutschen Unternehmen wegfallen, die andernfalls geschaffen würden.

Bezieht man die durchschnittliche Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde eines Erwerbstätigen auf das Schadensniveau, so sind der deutschen Volkswirtschaft laut IW durch die Produkt- und Markenpiraterie zuletzt immerhin rund 500.000 Arbeitsplätze entgangen.

Dabei gilt: Je innovativer, je größer, je internationaler und je industrienäher tätig, desto größer ist die Gefahr für ein Unternehmen. Innerhalb der Industrie waren besonders Unternehmen aus dem Maschinenbau nach eigenen Angaben Opfer der Produktpiraten.

In diesem Bereich gab fast jedes dritte Unternehmen an, von Fälschungen betroffen gewesen zu sein. Die Digitalisierung hat das Problem sogar noch verschärft. Auf Internetplattformen können gefälschte Produkte laut Studie „noch immer leicht und mit geringem Risiko für die Schutzrechtsverletzer vertrieben werden“.

Die Digitalisierung erleichtert die Verfolgung der Täter

Allerdings habe die Digitalisierung auf der anderen Seite durch standardisierte Produktdatenbanken auch die Aufdeckung und die Nachverfolgung gefälschter Produkte deutlich erleichtert, heißt es weiter.

Woher kommen die Verursacher? Laut Unternehmer sind die Schutzrechtsverletzungen in erster Linie im Ausland zu finden. In einer regionalen Aufspaltung wird insbesondere China (37 Prozent) genannt. Mit deutlichem Abstand folgen Osteuropa (20 Prozent) sowie sonstige Länder Asiens (15 Prozent).

Die Industrie sieht nun die Politik am Zug: „Es ist richtig und wichtig, dass die Bundesregierung mehr für Digitalisierung, Forschung und Entwicklung tun will. Doch diese Bemühungen sind langfristig nur sinnvoll, wenn die Patent- und Markenrechte der entwickelten Produkte und Dienstleistungen auch wirksam geschützt sind.

Abkommen mit China sollen das geistige Eigentum schützen

Den volkswirtschaftlichen Schaden durch Produkt- und Markenpiraterie von über 50 Milliarden Euro jährlich darf die Bundesregierung nicht länger hinnehmen“, betont INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.

Die Unternehmen selbst dringen auf internationale Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere mit China. Aber auch innerhalb Deutschlands beziehungsweise im EU-Binnenmarkt „sollten höhere Strafen, etwa die standardmäßige Übernahme der gesamten Prozesskosten durch überführte Plagiatoren bis hin zu temporären oder dauerhaften Berufs- und Verkaufsverboten“ gelten.

Viele Plagiate gefährden die Konsumenten

Außerdem rufen die Firmen dazu auf, die Konsumenten stärker zu sensibilisieren. Neben dem moralischen Appell an Fairness sollte „verstärkt auf die gravierenden Folgen hingewiesen werden“. Von der Hälfte aller Plagiate gingen demnach Gefährdungen für Menschen oder Umwelt aus. Etwa von plagiiertem Maschinenöl, welches Schäden an Produktionsanlagen verursacht, bis hin zu plagiierten Handtaschen, bei deren Fälschung „Chemikalien eingesetzt werden, die schwere Hautschädigungen hervorrufen“.