Berlin. „Handelsblatt Global“ ist bald Geschichte und ein englischer „Spiegel“ erscheint nicht. Die großen Pläne scheiterten an den Kosten.

Die Erwartungen waren groß, als das „Handelsblatt“ vor gut vier Jahren seine englischsprachige Ausgabe startete. Sie sollte eine „Global Edition“ sein, sich also an Leser in der ganzen Welt richten. Erreichen wollte man sie über die Auslandsniederlassungen großer deutscher Konzerne, die das digitale Blatt für ihre Belegschaften abonnieren sollten.

Dessen Leser stellten sich die Manager der Wirtschaftszeitung so vor wie „Pablo“, jene fiktive Führungskraft von VW Mexiko, die in internen Präsentationen immer wieder auftauchte. „Pablo“ sprach zwar kein Deutsch, dafür aber Englisch. Und er interessierte sich für Themen aus dem Heimatland seines Arbeitgebers.

Doch es gab zu wenig „Pablos“. Die Mails mit der jeweils aktuellen Ausgabe der „Handelsblatt Global“, die Konzerne ihren Mitarbeitern spendierten, wurden oft nicht einmal geöffnet. Die Folge: Die Firmen kündigten ihre Abos.

Aus „Handelsblatt Global“ wird „Handelsblatt Today“

Nun wird das Angebot umgestellt: Aus „Handelsblatt Global“ wird „Handelsblatt Today“. Mit „Today“ will man ausweislich einer bereits freigeschalteten Online-Präsenz „internationale Geschäftsleute in Deutschland“ erreichen – ein vergleichsweise bescheidenes Konzept. Eine Verlagssprecherin sagt auf Anfrage, dass die Umbenennung „bis Ende des Jahres“ vollzogen sein soll.

Wie die Handelsblatt Media Group mit „Today“, das womöglich frei zugänglich sein wird, Geld verdienen will, ist unklar. Von einem Stellenabbau ist nichts bekannt. Zur Höhe einer möglichen Kürzung des Etats von „Today“-Vorläufer „Global“ Anfang des Jahres mag sich der Verlag nicht äußern.

Der englische „Spiegel“ erscheint erst gar nicht

Das geplante englischsprachige Angebot eines anderen überregionalen deutschen Blattes wird erst gar nicht das Licht der Welt erblicken: Im Januar hatte der damalige „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer gesagt, er mache sich Gedanken über eine englischsprachige Ausgabe des Nachrichtenmagazins.

Sein Nachfolger Steffen Klusmann, der offiziell erst am 1. Januar 2019 die Chefredaktion übernimmt, wird dieses Projekt nicht weiterverfolgen – jedenfalls nicht so, wie von Brinkbäumer geplant. Sobald es aber dank Künstlicher Intelligenz maschinell hochwertige Übersetzungen gebe, werde der „Spiegel“ wohl mehrsprachig erscheinen – und zwar nicht nur auf Englisch und Deutsch.

Wirtschaftlichkeit nicht gegeben

Laut Klusmann sind derzeit fremdsprachige Ausgaben deutscher Titel wegen hoher Übersetzungskosten unwirtschaftlich. Deshalb hätten Blätter aus den USA und Großbritannien einen Wettbewerbsvorteil, da sie nicht übersetzt werden müssten. Englisch werde auf der ganzen Welt gesprochen.

Bereits im Oktober hatte der einstige Zeit-Online-Chefredakteur Wolfgang Blau, der heute das internationale Geschäft des Verlags Condé Nast („GQ“, „Vogue“) verantwortet, die Europäische Union aufgefordert, eine Milliarde Euro in die Entwicklung maschineller Übersetzungsprogramme zu investieren. Dies könne „die Sichtbarkeit europäischer Inhalte und die digitale Auffindbarkeit und Verfügbarkeit europäischer Dienstleistungen dramatisch erhöhen“.

Weitere Medienmacher-Kolumnen:

Cristiano Ronaldo und das lange Schweigen der dpa

Darum sind Pläne für ein deutsches Netflix fromme Wünsche

Medienwächter prüfen Digital-Angebote: Spahn muss bangen