Rom. Trotz aller Kritik bleibt Italiens Innenminister bei seinen Haushaltsplänen. Jetzt droht die nächste Herabstufung einer Rating-Agentur.

Matteo Salvini und Luigi Di Maio erfreuen sich als Figuren auf dem Krippenmarkt in Neapels Altstadt großer Beliebtheit. Da tanzt, im T-Shirt und mit Bart, der Chef der rechtsnationalen Lega, Salvini. Daneben, in Anzug und Krawatte, der Vorsitzende der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Di Maio.

In der Mitte die magische Hand, die angeblich ein gemeinsames Steuerpaket änderte und damit zu einem Eklat innerhalb der Regierung führte. Di Maio hatte Salvini mit einer Anzeige gedroht, weil dieser angeblich eine Steueramnestie auch für Schwarzgeld aus dem Ausland in einen gemeinsamen Entwurf geschmuggelt haben soll.

Bei einer eilig einberufenen Krisensitzung am Sonnabend legten die beiden stellvertretenden Ministerpräsidenten Italiens nun den Streit bei. Es gilt Geschlossenheit zu demonstrieren – schließlich wollen beide die umstrittenen Haushaltspläne gegen den Willen der EU durchsetzen.

Trotz Kritik aus Brüssel und negativer Bewertungen von Analysten bekräftigten die beiden Politiker in der Krisensitzung ihre Pläne für eine Neuverschuldung in Höhe von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Brüssel pocht auf maximal 1,6 Prozent.

Unbeeindruckt vom Brandbrief der EU-Kommission

„Ich kann im Namen der Regierung sprechen, wenn ich jedwede Neubewertung des Defizitziels von 2,4 Prozent ablehne“, verkündete Di Maio selbstbewusst. Italien habe so viele Gegner von außen, die das Land in die Knie zwingen wollten, dass die Regierung zum inneren Zusammenhalt gezwungen sei, betonte Lega-Chef Salvini.

Unbeeindruckt zeigten sich Salvini und Di Maio auch vom Brandbrief der EU-Kommission, der bis zum Montag beantwortet werden muss. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici hatte Roms Haushaltsplänen darin Verstöße gegen die Schuldenregeln „in noch nie da gewesenem“ Ausmaß bescheinigt.

Solle die Regierung im Haushaltskonflikt mit Brüssel bei ihrer harten Haltung bleiben, droht nicht nur ein Vertragsverletzungsverfahren, an dessen Ende Geldstrafen stehen.

Eine Stufe vor Ramschniveau

Tags darauf hatte die Ratingagentur Moody’s Italiens Kreditwürdigkeit herabgestuft. Staatstitel des in Höhe von 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldeten Landes stehen damit nur eine Stufe über Ramschniveau.

Ende der Woche steht das Urteil der anderen wichtigen Rating-Agentur Standard & Poor’s an. Falls sie am kommenden Freitag Italien ebenfalls herabstuft, dürfte es immer schwerer werden, neue Staatstitel zu verkaufen. Denn dann steigen die Risikoaufschläge auf diese Produkte weiter an.

Ein Problem, denn die weltweit wichtigen Fonds meiden risikoreiche Anlagen. Die Finanzierung über den Kapitalmarkt wird damit schwieriger. Zur Begründung ihres mit Spannung erwarteten Urteils betonten die Analysten von Moody’s, die römischen Haushaltspläne zeigten keine Reformagenda, die das mangelnde Wachstum Italiens berücksichtigen würde.

Positiv beurteilte die Agentur die Höhe der privaten Spareinlagen. Sie könnten in Krisensituationen zur Finanzierung des Staatshaushalts herangezogen werden.

Herabstufung „mit einem Lächeln“ beantworten

Salvini und Di Maio beeilten sich daraufhin, eine Vermögensabgabe zur Finanzierung ihrer ehrgeizigen Pläne auszuschließen. Und bei Krisensitzungen einigte sich das Kabinett auch auf die Steueramnestie.

Sie soll auch in finanzielle Engpässe geratenen Bürgern zugutekommen. Darüber hinaus können innerhalb von fünf Jahren bislang nicht versteuerte Einnahmen von bis zu 500.000 Euro gemeldet werden. Anstatt bis zu 43 Prozent müssen darauf nur 20 Prozent Steuern gezahlt werden.

Man werde die Herabstufung „mit einem Lächeln“ beantworten, versicherte Di Maio, obwohl die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen wegen der umstrittenen Finanzpläne bereits stark anstiegen. Der in Italien viel beachtete Risikoaufschlag misst den Unterschied zwischen Zinsen für deutsche und italienische Staatstitel.

Riesigen Schuldenberg angehäuft

Eigentlich sind in der Währungsunion ein maximaler Schuldenstand von 60 Prozent und eine jährliche Aufnahme neuer Kredite von höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung zulässig.

Weil Italien einen riesigen Schuldenberg von gut 130 statt 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehäuft hat, muss das Land nach früheren Beschlüssen strengere Werte einhalten. Die Vorgängerregierung hatte sich mit Brüssel auf ein Defizit von 0,8 Prozent im nächsten Haushalt geeinigt.

Ihre Nachfolger verdreifachten nun den Wert und lösten damit Sorgen um weiter steigende Risikoaufschläge für italienische Staatstitel aus. Hintergrund ist die Befürchtung, sinkendes Vertrauen in öffentliche Haushalte könne die Stabilität der gesamten Eurozone beeinträchtigen.

Die römische Regierung möchte neue Schulden aufnehmen, um ihre Wahlversprechen umzusetzen. Italiener sollen demnach früher in den Ruhestand gehen können und Arbeitslose eine Grundsicherung erhalten. Die geplanten Maßnahmen sollen gemeinsam mit einem Investitionspaket für Infrastrukturen für Wachstum sorgen.

Erhobener Zeigefinger von Finanzminister Scholz

Italiens hoher Schuldendienst bremste jedoch bereits in der Vergangenheit Investitionen in Innovation und Infrastrukturen. Italiens Banken geraten nun zunehmend unter Druck, denn sie halten jüngsten Schätzungen zufolge Staatstitel in Höhe von rund 370 Milliarden Euro.

Angesichts anhaltender Kritik an der Ausgabenpolitik der römischen Regierung warnte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bereits vor dem erhobenen Zeigefinger gegenüber Italien. Denn Kritik aus Brüssel ist Wasser auf die Mühlen der italienischen Regierung.

Salvini und Di Maio begründen ihre Pläne stets mit Widerstand gegen ein angebliches Spardiktat reicher EU-Nachbarn, die Italien schwächen wollten. Während Deutschlands Verschuldung bei knapp 65 Prozent liegt, beträgt Frankreichs Schuldenlast knapp 100 Prozent des BIP.

Italien ist nach beiden Ländern die drittgrößte Volkswirtschaft der EU. Kritik an den Schuldenplänen weist Rom daher gern unter Hinweis auf die hohe Verschuldung Frankreichs zurück.

Conte verkündet Dialogbereitschaft

Der als Vermittler zwischen den beiden ungleichen Koalitionspartnern Lega und Fünf Sterne eingesetzte Ministerpräsident Giuseppe Conte verkündet Dialogbereitschaft. Bei Gesprächen mit Brüssel soll es allerdings nicht um Änderungen an den italienischen Haushaltsplänen gehen.

„Italien sitzt nicht auf der Anklagebank“, versichert der Jurist. Je schwieriger die Situation, desto wichtiger sei es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Unter den neapolitanischen Krippenfiguren, die gewöhnlich die politische Wirklichkeit spiegeln, spielt Conte allerdings keine Rolle.