Berlin. Absprachen deutscher Autobauer könnten dazu geführt haben, dass sich der Einsatz von Filtern gegen Feinstaub um Jahre verzögert hat.

Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler – die fünf großen deutschen Autobauer stehen im Verdacht, sich nicht nur bei Dieselmotoren über das Vermeiden einer wirksamen Abgasreinigung abgestimmt zu haben.

Möglicherweise betrafen die Absprachen der Manager auch den Kampf gegen schärfere Abgasgrenzwerte und den Einsatz von Partikelfiltern bei Benzinern. Das legen Recherchen des „Spiegel“ nahe. Entsprechende Hinweise habe die EU-Kommission in Unterlagen gefunden, die die Autokonzerne selbst zur Verfügung gestellt hätten, sowie in beschlagnahmten Dokumenten.

Daimler und VW kooperieren als Kronzeugen mit Behörden

Mit den Absprachen seit dem Jahr 2009 haben die Autobauer dem Magazin zufolge womöglich gegen Wettbewerbsrecht verstoßen. Auch könne der Einsatz von wirksamen Filtersystemen für gesundheitsgefährdenden Feinstaub um Jahre verzögert worden sein. Daimler und VW hatten schon im vergangenen Jahr erklärt, als Kronzeugen mit den Behörden zu kooperieren.

Zu dem neuen Verdacht wollen sich die Hersteller unter Verweis auf die laufenden Vorermittlungen nicht äußern. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte: „Die Untersuchung der Kommission läuft noch. Wir können weder das Ergebnis noch den Zeitpunkt der nächsten Schritte vorwegnehmen.“

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Partikelfilter kosten 200 bis 300 Euro je Fahrzeug

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol reagierte empört auf die Informationen. „Sollten die Automobilbosse illegale Absprachen getätigt haben, leisten sie der Automobilindustrie und den Beschäftigten einen Bärendienst“, sagte er. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: „Die Autokonzerne betätigen sich wieder einmal als Fortschrittsbremse bei Umwelt- und Gesundheitsschutz.“

„Das ist ein dummes und unglaubliches Verhalten der Autohersteller“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Universität Duisburg-Essen. Entweder seien die Ingenieure so naiv, dass sie nicht erkannt hätten, welche Bedeutung ihre Verabredungen gehabt hätten oder sie seien das Risiko bewusst eingegangen. „Das wäre eine Katastrophe für das Image und auch finanziell.“

Feinstaub-Partikel entstehen, weil der Kraftstoff unter hohem Druck und mit sehr hohen Temperaturen verbrannt wird. So werden die Motoren zwar besonders sparsam, es fallen aber unerwünschte Nebenprodukte wie die besonders kleinen Teilchen an. Bislang gab es Grenzwerte für die Anzahl von Feinstaub-Partikeln nur für Dieselmotoren. Seit September 2017 müssen neu entwickelte Benziner mit Direkteinspritzung diese Werte einhalten, ab diesem September dann auch ältere. Die Partikelfilter kosten Dudenhöffer zufolge 200 bis 300 Euro.

Einbau von Partikelfiltern bringt Herstellern große Probleme

Die Umstellung der Produktion auf Benziner mit Partikelfilter haben die Hersteller offenbar unterschätzt. BMW und Daimler haben etliche Modelle aus dem Angebot genommen. VW erwartet Engpässe in der Produktion und Lieferschwierigkeiten, Porsche hat Neubestellungen eingeschränkt. Zum Stichtag am 1. September konnten die Konzerne nicht alle Modelle fit machen für die Norm Euro 6c und den WLTP-Prüfzyklus, der näher an der Realität liegt.

Während es bei Benzinern um Feinstaub-Emissionen geht, stehen im Dieselskandal die potenziell gefährlichen Stickoxide im Fokus. Bisher wollten die Hersteller das Problem über die Motorensoftware lösen. Über technische Umrüstungen will die Bundesregierung bis Ende September entscheiden, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag ankündigte. „Das kann nicht bis in den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden.“ In der Regierung gibt es bisher keine einheitliche Linie dazu. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dringt auf Nachrüstungen, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist dagegen. Die Autoindustrie auch.