Brüssel. Die EU und Japan unterzeichnen den bislang größten Freihandelsvertrag. Weitere Abkommen sollen schnell folgen – etwa mit Südamerika.

Es ist der größte Freihandelspakt, den die Europäische Union je geschlossen hat: An diesem Dienstag unterzeichnen die Spitzen der EU und Japans in Tokio das Jefta-Abkommen, das fast 600 Millionen Verbraucher in Europa und Fernost betrifft und ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung abdeckt.

Japan und die EU bauen die gegenseitigen Zölle nach Übergangsfristen fast vollständig ab und wollen auch andere Handelshemmnisse in großem Umfang beseitigen. „Europa glaubt an einen offenen und fairen Handel“, sagt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Japans Premier Shinzo Abe will mit dem Pakt „die Fahne des Freihandels hochhalten“.

Die USA ziehen sich wegen Trump zurück

Dass beide dieses Zeichen setzen, ist allerdings vor allem US-Präsident Donald Trump zu verdanken. Jahrelang hatten die Japaner aus Angst um ihre Landwirtschaft einen angestrebten Deal mit der EU verzögert. Doch dann leitete Trump die Ära des amerikanischen Protektionismus ein, kündigte das transpazifische Freihandelsabkommen TPP auch mit Japan wieder auf. Und plötzlich ging es mit den Gesprächen zwischen Tokio und Brüssel rasch voran. Dank Trump kann nun Europa nach der Führungsrolle im Welthandel greifen.

Das neue Motto heißt: Wo die USA rausgehen, gehen wir rein. „Uns rennen die Interessenten die Türen ein, um Handelsabkommen abzuschließen“, sagt der Generalsekretär der EU-Kommission, Martin Selmayr. „Die Handelspolitik war in der Krise“, meint Selmayr mit Blick auf die Konflikte um TTIP und Ceta, aber jetzt sei gerade die Handelspolitik „ein Zeichen, dass Europa sein Schicksal selbst in die Hand nimmt“.

Auch mit Australien sind Gespräche vereinbart

Ein Containerfrachter in Hamburg.
Ein Containerfrachter in Hamburg. © dpa | Axel Heimken

Tatsächlich geht es nun Schlag auf Schlag: Mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur verhandelte die EU-Kommission seit zwei Jahrzehnten mühsam und zäh – jetzt stehen die Gespräche vor dem Abschluss. Beim Handel mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, einem Wirtschaftsraum mit über 300 Millionen Verbrauchern, sollen 90 Prozent der Zölle wegfallen.

In den Verhandlungen mit Mexiko gab es im Frühjahr einen Durchbruch, mit Australien und Neuseeland wurden kürzlich offizielle Gespräche über ein Abkommen vereinbart, die erste Runde findet dieser Tage in Brüssel statt. Abkommen mit Vietnam und Singapur sind abgeschlossen; das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada ist bereits vorläufig in Kraft. Mit Indien und Indonesien gibt es Gespräche.

Europa erhofft sich einen großen Schub

Für die fernere Zukunft wird schon die Idee eines Freihandelsabkommens mit China sondiert. „In einer Zeit, wo andere Mauern bauen, müssen wir mehr denn je Brücken schlagen“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Schon heißt es in der Kommission scherzhaft, man sollte Donald Trump mit dem Karlspreis für große Europäer auszeichnen – denn er habe „einen großen Schub für das europäische Projekt gebracht“.

Die europäische Wirtschaft ist elektrisiert: „In der EU-Handelspolitik macht die Kommission einen sehr guten Job“, sagt der Generaldirektor des europäischen Wirtschaftsverbandes Business Europe, Markus Beyrer. „Wenn es gut läuft, liegt die EU in drei Jahren im Zentrum des größten Freihandelsnetzwerks, das es je gegeben hat.“ Die Abkommen mit Kanada, Japan und demnächst hoffentlich mit den Mercosur-Ländern seien „in der Summe ein wirklich großer Fortschritt“. Die Wirkung für Europa sei kaum zu überschätzen. „Die Lücke, die die USA hier gelassen haben, erweist sich am Ende als hilfreich“, sagt Beyrer.

Übergangsfristen gelten etwa für japanische Autos

Europa füllt diese Lücke mit einer neuen Generation von Handelsverträgen, breit angelegt nicht nur zu Zollfragen, sondern auch zu Dienstleistungen und nicht-tarifären Handelshemmnissen. Im EU-Japan-Abkommen ist ein Bekenntnis zur Einhaltung höchster Standards in Bereichen wie Arbeit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz enthalten.

Von Beginn an werden für 91 Prozent aller EU-Exporte und 75 Prozent der japanischen Importe die Zölle abgeschafft, später fällt für 99 Prozent des Warenhandels der Zoll weg. Übergangsfristen gelten etwa für japanische Autos, bei denen die Zölle über sieben Jahre hinweg abgesenkt werden; dafür passt Japan seine Kfz-Normen den internationalen Standards an. Die Preise für viele Importgüter dürften sinken.

Verbraucherschützer fürchten Deregulierung

Verbraucherschützer und Gewerkschaften fürchten aber, dass das Abkommen auch zur Deregulierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen führen könnte, in der Folge würden die Preise für Wasser- und Abwasserversorgung steigen. Die EU weist die Sorgen als unbegründet zurück und betont, die öffentliche Hand habe auch künftig das Vorrecht, Dienstleistungen in eigener Regie zu übernehmen.

Dennoch moniert DGB-Vorstand Stefan Körzell: „Die verantwortlichen Akteure haben wenig aus den gesellschaftlichen Debatten rund um TTIP und CETA gelernt.“ Das sehen sie in Brüssel anders: „Wir machen jetzt schlankere Abkommen“, sagt Kommissions-Generalsekretär Selmayr. Die großen, überdimensionierten Verträge seien ein Fehler gewesen. Auf umstrittene Elemente wie die privaten Schiedsgerichte, die in der öffentlichen Debatte einigen Angst gemacht hätten, werde nun verzichtet. Nicht nur deshalb tun sich Kritiker der Abkommen jetzt schwer, Protest zu organisieren. Die neuen Abkommen sind wegen des abgespeckten Inhalts auch „EU-only“: Nur das EU-Parlament und der EU-Ministerrat müssen diesen neuen Verträgen zur Ratifizierung zustimmen – aber nicht mehr die nationalen Parlamente.