Berlin. Viele Versicherte entscheiden sich im Alter für eine Auszahlung des angesparten Vermögens auf einen Schlag. Das könnte riskant sein.

Ein Dreh am „Rad des Lebens“ bringt überraschende Ergebnisse. An der kleinen Pappscheibe des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lässt sich die eigene Lebenserwartung ablesen. Der heute 57-jährige Mann erreicht danach mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent das Alter von 80 Jahren, fast jeder Zehnte wird statistisch betrachtet sogar 100. 50-jährigen Frauen steht noch mehr Lebenszeit ins Haus. Zwei Drittel von ihnen erreichen wahrscheinlich das 90. Lebensjahr, mehr als jede fünfte wird mehr als 100 Jahre alt.

Was erfreulich klingt, kann finanziell zum Fiasko werden. Davor warnt der Wissenschaftler Jochen Ruß vom Ulmer Institut für Finanz- und Versicherungswissenschaften. Denn die staatliche Rente reicht oft nicht mehr zum Erhalt des Lebensstandards im Alter. Zwar haben viele Haushalte zusätzliche private Rentenversicherungen abgeschlossen. Doch am Ende der Vertragslaufzeit entscheiden sich zwei von drei Kunden für die Auszahlung des angesparten Vermögens auf einen Schlag. „Das Risiko, länger zu leben als das angesparte Geld reicht, ist eines der am meisten unterschätzten finanziellen Risiken“, sagt Ruß.

Sofort viel Geld zu besitzen, ist für viele verlockend

Die Gründe für die Einmalzahlungen sind vielfältig. Manche Versicherte wollen etwas vererben. Andere meinen, bereits ausreichend hohe Vermögen für den Rest des Lebens zu besitzen. Einige erliegen dabei aber auch eigenen Fehleinschätzungen, meint Ruß. So würden sich viele Versicherte bei der Frage nach ihrer Lebenserwartung am Sterbealter ihrer Eltern oder Großeltern orientieren. Dabei ist die Lebenserwartung mittlerweile deutlich angestiegen. Auch sei der Wunsch, sofort etwas zu besitzen, eine menschliche Triebfeder.

„Die Rentenversicherung wird nach falschen Kriterien bewertet“, meint Ruß. Deshalb plädiert der Ökonom für die lebenslange Zahlung, zumindest für Haushalte im Mittelstand. Für Haushalte mit geringer gesetzlicher Rente lohne sich dagegen eine Einmalauszahlung mehr, weil bei der Grundsicherung im Alter etwaige Privatrenten angerechnet werden. Bei Wohlhabenden spiele die Privatrente wiederum oft keine existenzielle Rolle, beide Varianten seien entsprechend angemessen.

Rente sichert Zusatzeinkommen bis zum Lebensende

In der Regel erhalten die Kunden etwa drei Monate vor Ablauf ihrer privaten Police ein Schreiben der Versicherung. Dann müssen sie entscheiden, ob sie eine Einmalzahlung oder eine Dauerrente wünschen. Fällt die Entscheidung für eine Rente, ist das Zusatzeinkommen bis zum Lebensende gesichert.

Es gibt unterschiedliche Modelle. „Nur mit der bei Vertragsbeginn garantierten Rente kann ein Kunde von vornherein sicher planen“, meint die Stiftung Warentest. Bei der „konstanten Rente“ wird eine angenommene Überschussbeteiligung gleich mitbezahlt. Das Problem: Erreicht die Versicherung die prognostizierte Verzinsung, kann die Rente auch sinken.

Wann eine dynamische Rente Sinn macht

Die „teildynamische Rente“ steigt mit den Jahren leicht an und bleibt wenigstens auf dem gerade erreichten Niveau. Beim dritten Modell, der „volldynamischen Rente“ ist die Auszahlung anfangs niedriger als bei der konstanten Rente. Durch Überschüsse erhöht sie sich jedoch jährlich. Die Entscheidung für eine der Varianten muss im besten Fall erst vor Rentenbeginn getroffen werden. Mitunter wird sie auch schon beim Vertragsabschluss eingefordert.

Die Stiftung Warentest rät zu einer dynamischen Rente, wenn jemand sicher gehen will, dass eine einmal erreichte Rentenhöhe garantiert nicht mehr sinken soll. „Das schützt vor Kürzungen, wenn die Überschüsse zurückgehen“, erläutern die Finanzexperten.

Steuerpflicht muss berücksichtigt werden

Auch mögliche Steuern sollten bei der Frage nach einer Einmalzahlung oder Verrentung beachtet werden. Bei Verträgen, die vor dem Jahr 2005 abgeschlossen wurden, bleibt die Einmalzahlung steuerfrei. Von der Rente muss hingegen ein kleiner Teil, der vom Alter beim Rentenbeginn abhängt, versteuert werden. Beginnt die Zahlung mit 61 Jahren, sind es beispielsweise 22 Prozent, mit 67 Jahren nur noch 17 Prozent.

Die Versicherungsbranche will das Bewusstsein für die Rentenzahlungen schärfen. Allerdings trägt sie selbst gerade zur Verunsicherung ihrer Kunden bei. Immer mehr Lebensversicherer verkaufen ihre Policen an Abwickler. Auch der Umgang mit Bewertungsreserven hat das Ansehen der Sparte beschädigt. „Mit dem Vertrauensverlust müssen wir uns auseinandersetzen“, räumt GDV-Geschäftsführungsmitglied Peter Schwark ein.

Allerdings stellt er klar: Ein Risiko beim Verkauf von Vertragsbeständen bestehe für Kunden nicht. Alle Verträge unterlägen deutschem Versicherungsrecht, selbst wenn ein britischer oder chinesischer Aufkäufer neuer Eigentümer werde. Das gelte auch für die zugesagten Leistungen.