Hannover. 2017 wollte TUI die Flugtochter noch verkaufen. Jetzt wird TUIfly im Konzern immer wichtiger – auch wegen des Endes von Air Berlin.

Wenn Roland Keppler zum Gespräch bittet, kann es schon mal laut werden. Denn direkt vor dem Bürofenster des TUIfly-Chefs starten Flugzeuge vom Flughafen Hannover-Langenhagen. Von einem eher schlichten Bürohochhaus aus lenkt er eine Fluggesellschaft, die vor allem eines macht: Deutsche in den wohlverdienten Urlaub zu fliegen – nach Fuerteventura, Rhodos, auf die Kap Verden.

Keppler ist Herr über 39 Flugzeuge, die von zehn Flughäfen in Deutschland und von Basel aus starten. Verglichen mit den 431 Maschinen des irischen Billigfliegers Ryanair oder den zuletzt 728 Flugzeugen von Lufthansa ist TUIfly klein, allerdings ist das Geschäftsmodell auch völlig anders, was mit TUI zu tun hat, dem größten Reisekonzern Europas, zu dem die Fluggesellschaft gehört. „Für die Fluggesellschaft eines Reiseveranstalters ist unsere Größe schon ausreichend“, sagt Keppler.

Ziele außerhalb des Liniengeschäfts

TUIfly bringt vor allem die deutschen Urlauber, die bei TUI eine Pauschalreise gebucht haben, ans Urlaubsziel und wieder zurück. Zudem fliegt das Unternehmen für die Konkurrenz und verkauft, wie andere Fluggesellschaften auch, einzelne Plätze. Der Vorteil für Reisende: Das Unternehmen steuert viele Ziele an, die Linienfluggesellschaften eher nicht anfliegen. Und es sind alles Urlaubsgebiete. Wer etwa die Kap Verden allein erkunden will, ist bei Direktflügen auf TUIfly angewiesen.

Das Besondere an Pauschalreisen im Vergleich zu selbst organisierten Flug- und Urlaubsreisen: Ein Reiseveranstalter wie TUI muss die Flugplätze für einen Pauschalurlaub garantieren. Sonst kann es nach EU-Recht sehr teuer werden.

Phase billiger Tickets nicht durchzuhalten

Wegen des besonderen Geschäftsmodells muss Keppler auch nicht mit den Billigfliegern und deren 9,99 Euro Lockangebote mithalten. Gerade in Deutschland drängen zahlreiche Anbieter in die Lücke, die Air Berlin hinterlassen hat. Entsprechend hoch ist der Wettbewerb, was wiederum die Preise drückt. Keppler glaubt aber, dass die Phase des grenzenlosen Wachstums und der billigen Tickets auf Dauer nicht durchzuhalten ist.

Zuletzt richtig Schlagzeilen machte das Unternehmen vor zwei Jahren. Damals wollte TUI das deutsche Fluggeschäft mit dem Ferienflieger Niki aus der Air-Berlin-Familie zu einem großen Ferienflieger zusammenlegen – unter der Ägide der arabischen Fluggesellschaft Etihad, die auch an Air Berlin beteiligt war. Die TUIfly-Crews erkrankten darauf fast alle gleichzeitig – es war der erste Arbeitstag Kepplers als Chef.

Das Projekt scheiterte 2017, als die Araber sich überraschend zurückzogen. TUI setzt jetzt wieder voll auf TUIfly. Keppler verstärkt derzeit die Zusammenarbeit mit den anderen Fluggesellschaften innerhalb des Konzerns in Großbritannien und Belgien, den Niederlanden und Skandinavien.

„Wir versuchen, wo es geht, Synergien zu heben“, sagt er. „Wenn wir neue 72 Boeing 737 Max ordern, machen wir das als Gruppe.“ Die Flugzeuge werden dann auf die Gesellschaften verteilt. Auch Wartungs- und Abfertigungsverträge sollen als Gruppe abgeschlossen werden. „Wir stehen bei den Potenzialen eher am Anfang als am Ende.“ Das Fluggeschäft dagegen koordiniert jede Landesgesellschaft selbst.

TUIfly fliegt auf Strecken mit wenig Konkurrenz

Wobei Kepplers Mannschaft nur eingeschränkt bestimmen kann, welche Maschine wohin fliegt. Eher weist die TUI die Richtung, je nachdem, wo die Hotels des Konzerns stehen. Dabei braucht TUI nicht für jedes Ziel eine eigene Fluggesellschaft. „Noch eine weitere Maschine nach Palma zu schicken, wenn schon genug andere Unternehmen fliegen, ist nicht nötig“, sagt Keppler. Die nötigen Sitzplätze könne TUI bei anderen Fluggesellschaften zukaufen.

Und wenn bei einem Kreuzfahrtschiff mit 2000 Passagieren Bettenwechsel sei, könne TUIfly das ohnehin nicht allein bewältigen. Die Flieger des Unternehmens, ausschließlich Boeing 737, haben 189 Plätze.

TUIfly fliegt eher auf Strecken, die der Konzern ausbauen will oder auf denen wenig andere Anbieter unterwegs sind. „TUI hat Hotels an Ecken oder Flughäfen, wo kein Linienverkehr stattfindet“, sagt Keppler. Rhodos etwa, Fuerteventura, Gran Canaria. Und so hat sich auch das Kap-Verden-Geschäft entwickelt. „Vor zehn Jahren flog da kaum jemand hin. Dann hat TUI begonnen, Hotelkapazitäten aufzubauen. Jetzt haben wir dort 70 bis 80 Prozent Marktanteil“, sagt Keppler. Die Inseln liegen auf der Höhe von Senegal vor der afrikanischen Küste. Es ist das entfernteste Ziel, das TUIfly mit seinen Mittelstreckenjets erreichen kann.

Die Hannoveraner profitieren auch von der Pleite Air Berlins. „Das hat Lücken hinterlassen, etwa in Berlin und Düsseldorf“, sagt Keppler. Die Start- und Landerechte hat sich jetzt zum Teil TUIfly gesichert. Allein in Düsseldorf sind sechs Maschinen stationiert, in Berlin-Tegel und Hamburg jeweils eine.

Das Ende von Air Berlin – Chronik eines Sinkflugs

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    Konzern will wachsen

    Früher hatte TUI auch bei Air Berlin Flugkapazität eingekauft, um die Urlauber zu den Hotels zu bringen. „Jetzt machen wir das verstärkt selber“, sagt Keppler. Zudem wolle der Konzern wachsen. Gerade das Einzugsgebiet von Düsseldorf ist aus Sicht TUIs attraktiv: mehrere Millionen mögliche Kunden, zum Teil sehr kaufkräftig.

    Derzeit fliegen sieben Maschinen von TUIfly im Auftrag von Eurowings. Die Billigtochter von Lufthansa wächst dermaßen rasant, dass sie Maschinen und Besatzung auch von anderen Unternehmen mietet. Der Vertrag mit Eurowings läuft Keppler zufolge bis Anfang 2021. Dann wird er die sieben Maschinen selbst einsetzen können. Ob sein Unternehmen darüber hinaus noch zusätzliche Maschinen bekommt? Noch unklar.

    TUIfly transportiert pro Jahr etwa acht Millionen Passagiere, wenig angesichts der zuletzt 131 Millionen etwa der Lufthansa. Dafür sind es alles Menschen mit besonderem Anspruch: Erholung. „Und die haben dem Konzern die wohl wichtigste Investition des Jahres anvertraut: den Urlaub.“

    Von Preussag über Europcar zu TUIfly

    Wirtschaftsingenieur Roland Keppler (53) startete seine berufliche Laufbahn 1992 bei der Preussag, dem Vorgängerunternehmen von TUI. Nach verschiedenen Stationen bei Hapag-Lloyd Flug, dem Billigflieger HLX und bei TUI Deutschland wechselte er 2009 zum Autovermieter Europcar nach Paris, den er dann auch leitete.

    2014 übernahm der Manager die Geschäftsführung der Carsharing-Firma Car2go (Daimler). Seit 2016 steuert er TUIfly. Keppler ist verheiratet. In der Freizeit wandert er gern oder bezwingt Klettersteige.