Berlin. Die Deutsche Post macht laut einem Bericht seinen Mitarbeitern strenge Vorgaben. Wer diese nicht erfüllt, hat im Konzern keine Zukunft.

Im Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr waren befristete Arbeitsverträge ein großes Thema. Die SPD, die Grünen, die Linke und die Gewerkschaften kämpften gemeinsam gegen Jobs, die ohne konkreten Grund nur auf einige Monate oder Jahre beschränkt waren. Die sogenannte sachgrundlose Befristung gehöre komplett abgeschafft, lautete die Forderung. Die SPD machte davon sogar ihre Zustimmung zu den Koalitionsverhandlungen mit der Union abhängig. Beide Partner einigten sich dann darauf, die Befristungen immerhin einzuschränken.

Vor diesem Hintergrund ist es auf den ersten Blick erstaunlich, dass ein Unternehmen plötzlich in der Kritik steht, das befristete Arbeitsverträge in unbefristete umwandelt: Die Deutsche Post hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 9000 Stellen entfristet. In diesem Jahr seien es bereits 2500. Dass das Lob aus der Politik dennoch ausbleibt, liegt an den Umständen, unter denen dies geschehen ist.

Die Post macht die Umwandlung von befristeten in entfristete Arbeitsverträge nämlich offenbar von den Krankheitstagen ihrer Mitarbeiter abhängig. Die „Bild am Sonntag“ berichtet über Vorgaben aus der Konzernspitze an Niederlassungsleiter der Post. Darin heiße es, dass Mitarbeiter in zwei Jahren nicht mehr als sechsmal krank gewesen sein dürften. Die Fehlzeiten dürften sich nur auf maximal 20 Krankheitstage summieren.

Weiter schreibe die Post vor, dass der Mitarbeiter „höchstens zwei selbst verschuldete Kfz-Unfälle mit einem maximalen Schaden von 5000 Euro“ verursachen dürfe. Außerdem dürften Postboten in drei Monaten nicht mehr als 30 Stunden länger für ihre Touren gebraucht haben als vorgesehen.

Die Empörung von Arbeitsmarktpolitikern darüber ist groß. „Diese Kriterien sind völlig menschenverachtend und sittenwidrig“, sagte Beate Müller-Gemmeke, Grünen-Sprecherin für Arbeitnehmerrechte, der „Bild am Sonntag“. Und Peter Weiß, der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe von CDU und CSU im Bundestag, kritisierte: „So ein Kriterienkatalog, wie er vorliegt, ist ein Quatsch und der Personalabteilung eines Großunternehmens unwürdig.“ Von der SPD war am Wochenende kein Arbeitsmarktpolitiker zu erreichen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ließ ausrichten, er nehme zu den Vorgängen in einzelnen Unternehmen keine Stellung.

Die Post hält ihr Vorgehen für rechtmäßig

Ein Sprecher der Post in Bonn bestätigte den Bericht. Es gehe um Arbeits­verträge für Paketboten, die mit Lieferwagen unterwegs seien. Die Post habe die Kriterien für die Umwandlung in unbefristete Arbeitsverträge rechtlich prüfen lassen und fühle sich auf der sicheren Seite des Rechts. Die Aufregung darüber könne man nicht nachvollziehen. Die gleichen Medien, die das Konzept nun kritisierten, wären die ersten, die aufschreien würden, wenn es Mängel bei der Zustellung geben sollte.

Nach Angaben des Sprechers handelt es sich um keine Vorgabe aus der Konzernzentrale, sondern um eine „Handreichung“, nach der sich die Post-Niederlassungen richten könnten. Tatsächlich heißt es in dem Dokument, das die „Bild am Sonntag“ als Beleg abgedruckt hat: „Niederlassungen können unter Einhaltung folgender Prämissen eigenständig entscheiden.“

Konzern sieht im Vorgehen Vorteil für Kunden

Dass sich der Konzern überlege, wer auf Dauer den Anforderungen als Paketfahrer gewachsen ist, sei „im Interesse aller Beteiligten, insbesondere der Kunden“, sagte der Sprecher. Die Auslieferung von Paketen sei ein „Knochenjob“. Im Übrigen lege die Post aber keine Schablonen an, sondern berücksichtige immer das Gesamtbild. Da Zusteller im Moment dringend gesucht würden, könne man davon ausgehen, dass die Auswahl nicht nach zu strengen Kriterien erfolge.

Der Sprecher fügte hinzu, dass jeder Paketfahrer vor der ersten Einstellung ärztlich untersucht werde. Er bekomme auch ein Training, wie er beim Austragen der Pakete seinen Rücken schone. Die Post sei zudem einer der wenigen Arbeitgeber, die kostenlose Berufskleidung stellen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Ver.di, Andrea Kocsis, die im Aufsichtsrat der Post AG sitzt, war am Sonntag nicht zu erreichen. Ein Ver.di-Sprecher sagte, die Praxis der Post, die Entfristung von Arbeitsverträgen an gesundheitliche Voraussetzungen zu knüpfen, sei bekannt. Die Ver.di-Betriebsräte bei der Post würden „seit Jahren“ darüber reden. Die Praxis, „pauschale Kriterien“ zur Beurteilung der Mitarbeiter zu verwenden und ihre Übernahme davon abhängig zu machen, sei falsch. Wie die anderen Gewerkschaften lehne Ver.di sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen generell ab.