Hamburg/Frankfurt. Edeka verbannt 160 Nestlé-Produkte aus Regalen. Offenbar setzt der Konzern das als Druckmittel für günstigere Einkaufskonditionen ein.

Maggi, Tiefkühlpizza von Wagner, Thomy-Salat-Dressing oder Hundefutter von Felix – dies sind traditionelle Produkte des weltweit größten Nahrungsmittelherstellers Nestlé, die normalerweise in jedem Supermarkt zu finden sind.

Doch das wird sich in den nächsten Tagen wohl ändern. Denn der Handelskonzern Edeka will mit einem radikalen Bestellstopp bessere Einkaufsbedingungen erzwingen. (Lesen Sie hier, warum Nestlé-Produkte aus Edeka-Regalen verschwinden.)

Schritt für Schritt sollen bis zu 160 Nestlé-Produkte aus den Regalen verschwinden. Hinter der konzertierten Aktion stehen neben Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka fünf weitere Partner, die in der europäischen Einkaufsgemeinschaft Agecore zusammengeschlossen sind: Intermarché, Coop Schweiz, Conad, Eroski und Colruyt.

150 Artikel werden nicht mehr bestellt

„Wir haben einen Bestellstopp auf über 150 Artikel veranlasst“, berichtet Coop-Sprecher Urs Meier der Schweizer „Handelszeitung“. Mit der Macht eines gemeinsamen Bruttoumsatzes von 140 Milliarden Euro fordert die Einkaufsallianz günstigere Preise von dem Lebensmittelprimus, wie er diese dem Konkurrenz-Verbund Cooperic, dem unter anderem Rewe angehört, angeblich bereits gewährt. Denn: Nach Informationen der „Lebensmittel Zeitung“ ist der Streit entbrannt, weil Nestlé billiger an Konkurrenten liefert.

Edeka und Nestlé wollten den Preiskampf am Montag auf Anfrage nicht kommentieren. Edeka hatte bereits Ende Januar seinen Filialen eine erste Vorinformation mit Produkten übersandt, die möglicherweise künftig nicht mehr lieferbar sein könnten.

Betroffen sind unterschiedliche Warengruppen: Von der Kosmetikmarke Bübchen, über Nescafé, Vittel-Mineralwasser bis zu Maggi-Produkten. Der Lebensmittelhändler Edeka mit Hauptsitz in Hamburg verweist auf alternative Produkte. Man sei nicht auf Nestlé angewiesen, heißt es aus der Zentrale.

Edeka-Händler befürchten erste Sortimentslücken

Das erste Anzeichen für die bevorstehende Kampfansage flatterte einem Edeka-Lebensmittelhändler in Hamburg bereits Ende Januar ins Haus. „Es war eine Vorankündigung, dass Produkte des Lieferanten Nestlé wegen Problemen auf internationaler Ebene nicht mehr gelistet würden“, sagt Geschäftsführer Frank Ebrecht. Anlage war eine mehrseitige Liste.

Betroffen: „Ausgewählte Artikel jedes Warenbereichs.“ Sichtbare Folgen gab es zunächst keine. Doch langsam sind die Bestände in den Lagern von Deutschlands größtem Lebensmittelhändler verbraucht – und die ersten Artikel nicht mehr lieferbar.

Edeka-Händler sehen den Kampf der Giganten kritisch und befürchten im Laufe dieser Woche erste Sortimentslücken. „In der Tiefkühltruhe wird sich der Lieferstopp schnell bemerkbar machen“, führt Ebrecht aus. „Für uns ist das ein Tiefschlag.“

Harter Kampf im Preiswettbewerb

In Branchenkreisen hieß es, beide Seiten ließen die Muskeln spielen, um im Preiswettbewerb die Oberhand zu behalten. „Es geht um eine Machtdemonstration“, sagt Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Konflikte zwischen Herstellern und Händlern im Zuge der regelmäßigen Preisverhandlungen gebe es immer wieder.

Auch Auslistungen als Druckmittel seien keine Seltenheit, heißt es hinter vorgehaltener Hand. So hatte die Supermarktkette Real 2015 Produkte von Dr. Oetker, Nestlé oder Müller Milch ausgelistet.

Ein Jahr zuvor hatte Lidl Schlagzeilen gemacht, als der Discounter Coca Cola aus den Regalen nahm. Die Begründung damals: „Streit um ein Vermarktungskonzept“. Und auch bei anderen Ketten fehlen immer wieder mal bekannte Marken, wenn sich Hersteller und Händler gerade nicht über Konditionen einigen können. „Das gehört zum normalen Geschäft“, heißt es in der Branche.

Nestlé kämpft bereits mit schwächerer Nachfrage

Der Einzelhandelsspezialist von der Wirtschaftshochschule WHU, Martin Fassnacht, weiß: „Der Handel in Deutschland ist hart umkämpft. Die vier Großen – Edeka, Lidl, Aldi und Rewe – haben einen Marktanteil von rund 85 Prozent. Wenn der eine bessere Preise bekommt als ein anderer, würde mich ein solches Vorgehen nicht wundern“.

Denn neben der harten Konkurrenz, die sich die Handelsketten liefern, macht ihnen zunehmend der Internethandel zu schaffen. Dort zittert die Branche vor allem vor dem Onlinehändler Amazon, der in den USA bereits mit dem Zukauf der Bio-Supermarktkette Whole Foods in den stationären Handel vorgestoßen ist.

Für Nestlé kommt der Boykott zur Unzeit. Denn dem Konzern machen aktuell bereits hohe Umbaukosten und eine schwächere Nachfrage zu schaffen. Verbraucher könnten dagegen von dem Machtkampf profitieren. Sollten die Supermarktketten bessere Preise bei Nestlé durchsetzen, könnten diese angesichts des harten Wettbewerbs in Deutschland schließlich auch bei den Kunden ankommen.