Düsseldorf. Der Mindestlohn wird laut einer Studie häufiger umgangen als bisher angenommen. Ganz vorn mit dabei sind das Hotel- und Gastgewerbe.

Rund 2,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben einer Studie zufolge im Jahr 2016 weniger als den Mindestlohn erhalten – obwohl er ihnen zustand. Damit verdienten 9,8 Prozent der Anspruchsberechtigten weniger als die damals vorgeschriebenen 8,50 Euro pro Stunde. Dies geht aus einem am Montag in Düsseldorf veröffentlichten Bericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Legale Ausnahmen vom Mindestlohn seien dabei bereits herausgerechnet, hieß es.

Die Auswertung zeige auch, dass unternehmensinterne Faktoren wie Betriebsräte und Tarifbindung verhindern könnten, dass Beschäftigte um den Mindestlohn geprellt werden, erklärte Arbeitsmarktexperte Toralf Pusch. In Betrieben mit Arbeitnehmervertretung und Tarifvertrag habe die Quote der Mindestlohn-Umgehungen bei 3,2 Prozent gelegen. Fehlte beides, erhielten 18,6 Prozent der Beschäftigten nicht den Mindestlohn, also mehr als fünfmal so viele.

Besonders Branchen mit vielen Kleinbetrieben betroffen

Verstöße gegen das Mindestlohngesetz kommen nach der WSI-Untersuchung in Branchen mit vielen Kleinbetrieben und Minijobs besonders häufig vor. So bekamen rund 43 der Beschäftigten in privaten Haushalten weniger als den Mindestlohn. Im Hotel- und Gaststättengewerbe betrug die Umgehungsquote 38 Prozent, im Einzelhandel etwa 20 Prozent.

Effektive Kontrollen seien zentral für die Umsetzung des Mindestlohngesetzes. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls benötige dringend mehr Stellen, mahnte Pusch und fordert eine Aufstockung auf 10.000 Planstellen. Aktuell seien es lediglich rund 7.200, von denen knapp 800 nicht besetzt seien.

Vorschläge für neue Ausnahmen vom Mindestlohn, etwa für Flüchtlinge, lehnt der Forscher ab. „Mit jeder weiteren Ausnahme sinkt die Akzeptanz bei Arbeitnehmern und Unternehmen, deren Wettbewerbsbedingungen schon heute durch die weit verbreitete Praxis der Mindestlohnumgehungen verzerrt werden.“ (epd)