Frankfurt/Main. Eine Umfrage zeigt, wie sich die Sparer in Nullzinsphase und Börsenboom verhalten. Viele reagieren kaum. Falsch muss das nicht sein.

In den vergangenen Tagen haben Nachrichten rund um die Digitalwährung Bitcoin hohe Wellen geschlagen. Ein Rekord jagt bei dieser Internetwährung den nächsten, zuletzt war die Währung mehr als 10.000 Dollar wert. Der Hype um Bitcoins jedenfalls hat auch etwas mit der derzeitigen Nullzinsphase im Euro-Raum zu tun. „Es geht um sehr viel Geld, das im Markt ist. Und diese Liquidität muss angelegt werden“, sagt Oliver Roth, Chefbörsenhändler im Wertpapierhandelshaus Oddo Sey­dler. Er schließt deswegen nicht aus, dass der Hype noch anhält – bei Bitcoin und an den Börsen überhaupt. Nur wie soll sich der normale Anleger verhalten? Mitspekulieren?

Die meisten Deutschen haben darauf eine überraschend einfache Antwort, wie eine Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim im Auftrag der Direktbank ING-DiBa ergab: nichts tun. Und Experten halten das gar nicht mal für schlecht.

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat zwei Folgen: Auf der einen Seite kauft die EZB für Milliarden Euro Anleihen, die dann andere Anleger nicht kaufen können, was quasi eine Geldschwemme bedeutet. Vor allem Großanleger versuchen, ihr Geld woanders anzulegen, was alle möglichen Kurse treibt.

Motivation für riskantere Anliegen müsste vorhanden sein

Auf der anderen Seite bekommen Sparer praktisch nichts, wenn sie ihr Geld auf dem klassischen, vergleichsweise risikoarmen Sparkonto oder Sparbuch deponiert haben. Denn dafür gibt es kaum oder gar keine Zinsen. Gepaart mit der Inflation, die in Deutschland derzeit wieder knapp zwei Prozent erreicht hat, sehen viele ihr Erspartes real sogar wegschmelzen – sie können für dieselbe Summe weniger kaufen. Also müsste die Neigung sein, in riskantere Anlagen zu gehen – wie Aktien oder eben hochspekulative Investments wie den Bitcoin.

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    Sollte man meinen. Für den gewöhnlichen deutschen Sparer und Bankkunden trifft das nicht zu. Was also macht der Sparer, der in erster Linie nur über ein klassisches Bankkonto oder Sparbuch verfügt? Er findet sich mit der Lage ab, die er nicht ändern kann. Gefragt haben die Forscher des ZEW rund 3100 Kunden der ING-DiBa, wie Bankkunden zum aktuellen Zinsniveau stehen und welche Konsequenzen sie aus den Nullzinsen für ihr Sparverhalten ziehen. „Herausgekommen ist, dass die niedrigen Zinsen im Grunde das Sparverhalten kaum mehr beeinflussen“, sagt Martin Schmidberger, Leiter des Produkt- und Zielgruppenmanagements bei der ING-DiBa.

    Anleger haben sich an die niedrigen Zinsen gewöhnt

    Das mag auf den ersten Blick erstaunen. Denn man hätte erwarten können, dass, je länger eine solche Nullzinsphase anhält, Sparer desto verzweifelter reagieren müssten. Das ist – zumindest nach dem Befund dieser Studie – nicht der Fall. Schmidberger meint: „Das ist nachvollziehbar und eigentlich auch ganz schlau. Wenn man eine bestimmte Einstellung hat, wie zum Beispiel eine bestimmte Risikoneigung, sollte man die nicht einfach über Bord werfen, nur weil die Zinsen mal nicht so gut sind.“

    Es ist das zweite Jahr, in dem die Forscher und die Bank gemeinsam diese Studie durchgeführt haben. Das Ergebnis insgesamt bringt Studienleiter Martin Weber so auf den Punkt: „Die Anleger haben sich an die niedrigen Zinsen gewöhnt, das ist die eigentliche Erkenntnis.“

    Bei Negativzinsen wollen Kunden Geld abholen

    Während sich gewöhnliche Sparer und Bankkunden also mehr oder weniger an die niedrigen Zinsen gewöhnt haben, gilt das nicht für alle Kundengruppen gleichermaßen. Es gibt nämlich auch welche, die bereit sind, Risiko zu fahren, damit sich ihr Geld auf dem Konto vermehrt – oder zumindest nicht schwindet. Und das sind in der Regel und in der Tendenz eher wohlhabendere Kunden. „Es gibt nun einmal viele Haushalte, die kein großes Sparvolumen haben. Für die stellt sich die Frage nach einer Investition in Aktien kaum“, sagt Schmidberger von der ING-DiBa. „Die Vermögenden – die sind sehr wohl in Aktien investiert.“

    Ein überraschendes Ergebnis der Studie schließlich ist die Reaktion auf mögliche Negativzinsen. Das wären sozusagen Gebühren, die auf Erspartes anfallen würden, statt dass man Zinsen dafür bekommt. Banken müssen solche Strafgebühren bereits bezahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank über Nacht parken wollen.

    Damit sollen sie dazu gebracht werden, das Geld lieber in Form von Krediten im Euro-Raum unter die Leute zu bringen. Was also macht der Sparer? „Wenn Negativzinsen kämen, dann sagen die befragten Bankkunden eindeutig, dass sie ihr Geld sofort mit nach Hause nehmen würden“, sagt Studienleiter Weber. „Dann wäre zwar nicht klar, was man dort mit dem Geld anfangen sollte. Aber um Negativzinsen zu verhindern, würden die Kunden das in Kauf nehmen.“