Essen/Schleswig. Angehörige des Aldi-Gründers streiten sich über Einfluss und Lebensstil. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig entscheidet den Fall.

Sehr wahrscheinlich hat Theo Albrecht solche Termine wie diesen ausschließen wollen. Der Aldi-Nord-Gründer pflegte einen eher zurückhaltenden Lebensstil – trotz seines Milliardenvermögens. Und jetzt ist die Familie Thema vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in Schleswig.

Der Fall gewährt nicht nur interessante Einblicke in das Privatleben des verschwiegenen Clans, es geht unter dem Aktenzeichen Az. 3 LB 3/17 auch darum, wer die Macht im Aldi-Nord-Imperium hat. Diese Frage wollte Theo Albrecht durch eine komplizierte Stiftungskonstruktion für die Zeit nach seinem Tod eigentlich sicher klären.

Verfahren vertagt

Rein rechtlich gesehen ging es vor dem Gericht am Donnerstag um Formalien im Zusammenhang mit einer Satzungsänderung in einer der drei Stiftungen, denen Aldi-Nord gehört. Tatsächlich ist es aber ein Verfahren, in dem sich Theo Albrecht junior und die Erben seines Bruders Berthold gegenüberstehen.

Beide Seiten können miteinander eher weniger anfangen. Nach knapp achteinhalb Stunden wurde das Verfahren vertagt. Aldi-Nord wird über drei Stiftungen gesteuert, aus steuerlichen Gründen haben sie ihren Sitz in Schleswig-Holstein. Der Markus-Stiftung (61 Prozent der Anteile) steht Theo Albrechts Witwe Cäcillie vor, Stellvertreter ist Theo Albrecht junior. Zur Führung gehören auch Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger und der Familienanwalt Emil Huber.

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    Einfluss der Familie in der Stiftung begrenzen

    In der Lukas-Stiftung (19,5 Prozent) hat Theo Albrecht junior, der operativ im Konzern arbeitet, das Sagen. Auch Heußinger und Huber sitzen im Vorstand. In der Jakobus-Stiftung (19,5 Prozent), über die am Donnerstag in Schleswig verhandelt wurde, hatte bis zu seinem Tod 2012 Berthold Albrecht den Vorsitz. Derzeit steuern zwei seiner Töchter und Huber die Stiftung. Wichtige Entscheidungen und auch Investitionen können nur von allen drei Stiftungen gemeinsam beschlossen werden. Jahrzehntelang, die Stiftungen gibt es seit 1973, funktionierte das, seit dem Tod Bertholds 2012 hakt es.

    Der Streit um die Macht in der Jakobus-Stiftung findet seinen Ausgang am Tag vor Heiligabend 2010. Cäcillie, Theo junior und Berthold Albrecht sowie Familienanwalt Emil Huber treffen sich, um eine Satzungsänderung zu unterschreiben. Wie es heißt, soll es der Wunsch Bertholds gewesen sein, den Einfluss seiner Familie in der Stiftung spürbar zu begrenzen. Anfang 2011 trat die Änderung in Kraft.

    Kinder von Berthold Albrecht behielten das Sagen

    Der Kreis Rendsburg-Eckernförde als Stiftungsaufsicht hatte die neue Fassung akzeptiert. Das Verwaltungsgericht Schleswig kippte nach dem Tod Bertholds wegen einer Klage der Erben aus formalen Gründen jedoch die Satzungsänderung. Dagegen wiederum legte der Kreis Berufung ein. Trotz aller juristischen Turbulenzen behielten die Kinder von Berthold Albrecht das Sagen in der Jakobus-Stiftung.

    Bertholds Witwe Babette Albrecht und ihr Anwalt stellen ohnehin infrage, ob die Satzungsänderung 2010 ordnungsgemäß zustande kam. Wie es heißt, soll Berthold Albrecht wegen seiner schweren Alkoholerkrankung zum Zeitpunkt, als er das Papier unterschrieb, nicht geschäftsfähig gewesen sein.

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      Das gehe auch aus seiner Krankenakte hervor. Überdies führen die Kinder ins Feld, ihr Vater habe für einen erkrankten Aldi-Manager, der zum damaligen Zeitpunkt im Stiftungsvorstand gesessen habe, mitunterschrieben. Aus rechtlichen Gründen könnten sich Vorstände in Stiftungen, Vereinen, Aktiengesellschaften oder GmbHs aber nicht gegenseitig vertreten, argumentieren sie. Dazu kommt aus Sicht der Kinder, dass es seit Gründung der Stiftung keine wesentlichen Veränderungen gegeben habe, die eine so weitreichende Satzungsänderung rechtfertige.

      Streit der Familienstämme schlug auf operatives Geschäft um

      Verschärft wird der Streit durch unterschiedliche Auffassungen über den Lebensstil. „Der Name Albrecht verpflichtet zu einem bescheidenen Lebensstil“, schrieb Theo Albrecht junior an den „Stern“. Die Witwe seines Bruders hält sich aus seiner Sicht nicht daran und tritt sogar öffentlich auf – etwa auf der Messe „Boot“ in Düsseldorf im Januar. Auch darüber, wie viel Geld von der Jacobus-Stiftung an die Erben von Berthold Albrecht ausgeschüttet wird, wird gestritten. Die Summen – dem Vernehmen nach jährlich in zweistelliger Millionenhöhe – hatte Theo Albrecht junior 2016 heftig kritisiert.

      Aus dem Umfeld der fünf Kinder, darunter ein Vierlingspaar, verlautete dagegen, die Ausschüttungshöhen deckten sich mit dem Testament, das ihr Vater Berthold nach seinem Tod hinterlassen hatte. Der Streit der Familienstämme schlug im Sommer erstmals auf das operative Geschäft durch. Während Markus- und Lukas-Stiftung die mehr als fünf Milliarden Euro teure Modernisierung des gesamten Filialnetzes durchgewunken hatten, zögerte die Jakobus-Stiftung. Wie es hieß, gab es noch Detailfragen. Inzwischen hat sie auch zugestimmt. Und der Vertrag von Aldi-Nord-Chef Heußinger wurde auch einstimmig verlängert.