Berlin. Fast eine halbe Million offener Stellen verzeichnen die Unternehmen in der technischen Branche. Besten Job-Chancen haben Informatiker.

Die Zahlen, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Donnerstag in Berlin vorstellte, sind alarmierend. Der Fachkräftemangel in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Demnach waren Ende September beinahe eine halbe Million Jobs in den sogenannten Mint-Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu besetzen – knapp 18 Prozent mehr als vor einem Jahr zu diesem Zeitpunkt und so viele wie noch nie.

Für noch nicht einmal die Hälfte davon stehen Fachkräfte zur Verfügung: „Mit einer Arbeitskräftelücke von 290.900 Personen ist im Mint-Sektor ein Rekordstand erreicht“, sagte IW-Direktor Michael Hüther. Die Lücke sei damit 42 Prozent höher als im Vorjahr. Zudem habe sich die Struktur des Fachkräftemangels in den vergangenen Jahren verändert.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, ist der Anteil der nichtakademischen Berufskategorien, darunter fallen Ausbildungsberufe zum Facharbeiter, Meister oder Techniker, auf 66 Prozent gestiegen. 34 Prozent der unbesetzten Stellen fallen auf akademische Mint-Berufe wie die des Ingenieurs. Die besten Aussichten haben derzeit Informatiker auf dem Arbeitsmarkt.

Zuwanderungsgesetz soll klarer werden

Nach Angaben des IW habe sich die Lücke bei den IT-Experten seit 2014 mehr als verdoppelt. 37.000 Stellen waren im September offen. Aus dem Report geht auch hervor, dass durch die starke Zuwanderung der vergangenen Jahre ein noch höherer Fachkräftemangel verhindert werden konnte.

„Ohne das hohe Beschäftigungswachstum von Ausländern in den Mint-Berufen würden heute zusätzlich 118.100 Kräfte fehlen“, sagte Hüther. Der Zuwachs der Arbeitskräfte aus Drittstaaten, wie zum Beispiel Indien, ist in akademischen Berufen seit 2012 um rund 52 Prozent gestiegen. Durch Geflüchtete aus Eritrea, Irak, Afghanistan und Syrien konnten bis zum ersten Quartal dieses Jahres über 10.000 Stellen besetzt werden. Das IW prognostiziert, dass bis 2020 fast 50.000 Stellen im Mint-Bereich mit Beschäftigten aus der Flüchtlingsmigration besetzt werden können.

Um dieses Potenzial ausschöpfen zu können, müssten bestehende rechtliche Regelungen noch besser strukturiert werden, sagte Hüther. Das Zuwanderungsgesetz solle noch klarer und transparenter gestaltet werden.

In der Alten- und Krankenpflege fehlen viele Kräfte

Die Botschaft vom Fachkräftemangel ist nicht neu. Bereits 2009 sagte der Geschäftsführer des IW, dass „erheblicher Handlungsbedarf“ bestehe, „um den Technologiestandort Deutschland fit für die Zukunft zu machen“. Dennoch fehlt bislang ein Konzept, um die Lücke zu schließen. Schon jetzt würde durch den Engpass jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag an Wertschöpfung verloren gehen, sagte Hüther am Donnerstag. Wichtig sei deshalb die Förderung von Mint-Kompetenzen an Schulen und eine Aufstockung der Ausbildungsplätze im IT-Sektor an Hochschulen.

Hüther appellierte an die künftige Bundesregierung, die Überschüsse im Staatshaushalt sinnvoll dafür einzusetzen. „Noch nie haben Koalitionsverhandlungen unter günstigeren Bedingungen stattgefunden, was das Finanzielle betrifft.“

Karl Brenke, Arbeitsmarktforscher beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht das Problem ähnlich. Er betont jedoch, dass das Problem auch andere Branchen betrifft. Auch in der Alten- und Krankenpflege, sowie im Kfz-Bereich würden beispielsweise Kräfte fehlen. „Europaweit haben wir ein großes Problem mit Jugendarbeitslosigkeit, hier muss man angreifen. Ein offener deutscher Arbeitsmarkt ist dafür unabdingbar“, sagt Brenke.