Frankfurt/Main. Kaum ist ein Unternehmen gekauft, plant die Fluggesellschaft Lufthansa schon den nächsten Coup. Zumindest Geld gibt es dafür genug.

Für Lufthansa-Chef Carsten Spohr läuft es dieser Tage verdächtig gut: Tarifstreit mit den Piloten beigelegt, große Teile des insolventen Konkurrenten Air Berlin übernommen. In Italien will Spohr eine Art neue Alitalia aus den Trümmern der pleite gegangenen alten auferstehen lassen – natürlich unter dem Kranich-Symbol. „Die Lufthansa-Gruppe ist wieder in der Offensive“, verkündet Spohr am Mittwoch. Wie will Spohr das stemmen? Anders gefragt: Ist das nicht alles eine Nummer zu groß? Verschluckt sich Lufthansa am Übernahmehunger?

Zunächst einmal die Zahlen: Spohr legte das beste Neun-Monats-Ergebnis der Unternehmensgeschichte vor und steht vor einem weiteren Rekordjahr. Der Umsatz stieg um zwölf Prozent auf knapp 27 Milliarden Euro, sogar 50 Prozent mehr waren es beim bereinigten Betriebsergebnis von fast 2,6 Milliarden Euro – und schon Ende September hat der Konzern mit 1,85 Milliarden Euro mehr Überschuss erwirtschaftet als im gesamten Jahr 2016. Zudem, behauptet Spohr, habe man auch die Kosten wieder im Griff.

Air-Berlin-Übernahme dürfte erst im kommenden Jahr zu Buche schlagen

Die Finanzkraft für weitere Übernahmen habe die Fluggesellschaft, ist aus der Finanzbranche zu hören. Allein der frei verfügbare Cashflow ist zwischen Januar und September um fast 84 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro gestiegen. Die 1,5-Milliarden-Euro teure Air-Berlin-Übernahme dürfte erst im kommenden Jahr zu Buche schlagen.

Das Ende von Air Berlin – Chronik eines Sinkflugs

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    Der Lufthansa-Chef sieht zumindest finanziell kein Problem mit Alitalia, auch wenn das ein Kraftakt wäre mitten in der Übernahme von Teilen Air-Berlins. Allerdings stellt er Bedingungen: In der jetzigen Form sei die ehemalige italienische Staatslinie nicht von Interesse. „Wenn sich die Chance bietet, eine neue Alitalia zu kreieren – das Modell ist die Wandlung von der Swissair zur Swiss – dann wäre die Lufthansa mit ihrer Erfahrung daran interessiert“, sagte der Lufthansa-Chef. Auch Swissair hatte Lufthansa in einem eher desolaten Zustand übernommen und als Swiss neu aufgestellt.

    Insolvenzverwalter mit bisherigen Bewerbern noch nicht zufrieden

    Italien ist für Lufthansa wichtig. Das Land sei nach den USA der zweitwichtigste Auslandsmarkt, sagt Spohr. Anhängen will er die neue Alitalia bei der Billigflugtochter Eurowings, die mit ihrer Plattformstrategie eher einem Technologie-Start-up ähnelt als einem altehrwürdigen Luftfahrtunternehmen. Zudem hat sie inzwischen auch neue tarifvertragliche Freiheiten. Die Mitarbeiter könnten also zu günstigeren Tarifen eingestellt werden als beim Mutterkonzern Lufthansa.

    Bis sich die Frage eines Alitalia-Kaufs konkretisiert, dürfte noch einige Zeit vergehen. Bis zum Frühjahr hat die italienische Regierung der Fluggesellschaft einen weiteren Übergangskredit gewährt. Das spricht eher dafür, dass die Insolvenzverwalter mit den bisherigen Bewerbern noch nicht ganz zufrieden sind oder länger Zeit brauchen, um ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten. Lufthansa sitze am längeren Hebel, ist aus der Branche zu hören, werde also nur aktiv, wenn eine Übernahme zu ihren Konditionen angeboten werde.

    Fluggesellschaften vom Golf leiden unter niedrigeren Kerosinpreisen

    Auch das Umfeld für weitere Käufe ist günstig: Konkurrent Ryanair schwächele wegen Fehlplanungen beim Einsatz der Piloten, sagt Yvonne Ziegler, Luftverkehrsexpertin der Frankfurt University of Applied Sciences. Die Fluggesellschaften vom Golf hätten zu hohe Kapazitäten und seien deshalb in schwächerer Position. Sie leiden zudem unter den niedrigeren Kerosinpreisen – denn das Geld fließt deshalb nicht mehr so reichlich in den Ölförderländern. Die einst konkurrierenden Emirates und Etihad, beide aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, sprechen sogar über eine Zusammenarbeit.

    Allerdings ist da noch das vierte Quartal 2017: Bis zum Jahresende wird es noch „ruckelig“ am deutschen Himmel, wie Spohr sagte. Den Ausfall von 80 bis 90 Air Berlin Maschinen könne auch Lufthansa mit ihren 700 Flugzeugen nicht ausgleichen. Der Konzern setzt jetzt Langstreckenflieger auf verschiedenen Strecken ein, um möglichst viele Passagiere zu transportieren. Und hier liegt für viele Beobachter eine Gefahr.

    EU will jede einzelne Strecke der Lufthansa genau prüfen

    Lufthansa hat noch keinen vollen Zugriff auf die neuen Maschinen, unter anderem, weil die Wettbewerbsbehörden noch zustimmen müssen. Die EU will jede einzelne Strecke genau prüfen. Lufthansa muss also sehen, wie sie die erhöhte Nachfrage in den Griff bekommt, ohne die Fluggäste zu verschrecken. Immerhin profitiert der Konzern vom Aus der Nummer zwei in Deutschland, da erwarten die Kunden einiges von der Nummer eins. Klar ist allerdings schon jetzt: Die Preise werden steigen.

    Spohr ist jedenfalls zuversichtlich für den Konzern. Eurowings, die durch die Zukäufe wachsen wird, soll bereits im laufenden Jahr ein positives Betriebsergebnis erwirtschaften und nach der Integration der Air-Berlin-Teile von 2019 an Gewinn schreiben.