Rust. Der Europa-Park in Rust setzt nun auf Film und Virtual Reality, um mehr Kunden zu begeistern. Damit will man Disney Konkurrenz machen.

Als Beweis, dass der Europa-Park dem US-Medienriesen Walt Disney Konkurrenz machen kann, soll ausgerechnet eine der ältesten Attraktionen im Park dienen – das Hotel „El Andaluz“. Juniorchef Michael Mack steht im terrakottafarbenen Innenhof. Hier gibt es ein Restaurant namens „Don Quichotte“, auf den Wänden prangt der spanische Stier, sogar die spanische Flagge haben sie gehisst. Manch einer fühlt sich wie auf Mallorca, manch einer findet das kitschig.

An dieser Stelle erzählt Mack gerne vom Kampf der Generationen, wie einst Großvater Franz seinen Vater Roland davon abhalten wollte, das Hotel zu bauen. Der Großvater, Kriegsgeneration, hatte sich vor 20 Jahren nicht vorstellen können, dass Besucher im Park auch übernachten, dass sie an einer Hotelbar für Cocktails zehn Mark locker machen würden. Als der Vater dann für kurze Zeit in den Urlaub verschwand, soll der Großvater aus Protest mit einem Messer das oberste Stockwerk aus den Bauplänen geritzt haben. „Deshalb hat das „El Andaluz“ drei statt vier Stockwerke“, berichtet Mack. Ein Erfolg wurde das Hotel trotzdem.

Freizeitparks haben es zunehmend schwer

Der Juniorchef erzählt die Geschichte gerne, wenn es darum geht, wie sich der Europa-Park immer wieder durch die Ideen der jüngeren Generation neu erfunden hat. Er selbst steht nun vor einer Prüfung wie einst sein Vater. Der Europa-Park im südbadischen Rust ist der größte Freizeitpark Deutschlands und angeblich das meist besuchte Touristenziel hierzulande – noch vor dem Kölner Dom und Schloss Neuschwanstein.

Doch in Zeiten der Digitalisierung haben es Freizeitparks zunehmend schwer, Kunden zu begeistern. Mack muss neue Geschäftsfelder entwickeln. Er will den Freizeitpark zu einem Medien- und Filmunternehmen machen. Es geht um Virtual Reality bei Achterbahnfahrten, um Vermarktungsstrategien wie bei Disney und darum, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten.

Park lockte lange Zeit Familien an

Lange Zeit lockte der 1975 gegründete Park mit den detailverliebten Themenbereichen, in denen die Macks die Länder Europas nachgebaut haben, vor allem Familien an.

Dass sich etwas ändern muss, wird selbst an einem schönen Sommertag klar, an dem der Park üblicherweise bis zu 30.000 Menschen anlockt. Im Schweizer Teil des Parks brettert die Bobbahn, im Themenbereich Russland glitzert die Raumstation MIR in der Sonne. Es gibt viel zu entdecken, doch viele Parkbesucher beachten zunehmend vor allem eins: ihr Smartphone. Der 38-jährige Mack nennt das „Head Down“-Generation. „Wir haben uns gefragt: Haben wir noch für die ganze Familie etwas im Angebot?“

Weltweit soll „Happy Family“ in den Kinos laufen

Mack zögerte nicht lange, als vor ein paar Jahren Forscher der Universität Kaiserslautern vorschlugen, die Virtual-Reality-Technik (VR) bei Achterbahnen auszuprobieren. Der Europa-Park scheint wie gemacht für das Experiment, denn die Macks entwickeln und bauen die Achterbahnen selbst – nicht nur für den eigenen, sondern für Freizeitparks weltweit. Seine Firma MackMedia, die bis dato vor allem Imagefilme für den Europa-Park produzierte, ließ Michael Mack die Software für die VR-Brillen entwickeln. Und er produzierte die Kurzfilme, die während der Achterbahnfahrt über die Brillen zu sehen sind.

Wer die VR-Brille bei der Fahrt aufsetzt, taucht ein in eine virtuelle Welt, in der die Fahrt durch tiefe Schluchten führt, vorbei an Eisbergen und anderen Fantasiewelten. Das aber ist nur der erste Teil von Macks Digitalisierungsoffensive. In dieser Woche ist der erste von Mack mitproduzierte Film in den Kinos angelaufen. Der Animationsfilm „Happy Family“ handelt von der verhexten Familie Wünschmann. Weltweit wird er in mehr als 60 Ländern zu sehen sein. In Deutschland ist der Film in der ersten Woche auf Platz vier der Kinocharts eingestiegen.

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Film als „letzte Verwertungsstufe“

Und an dieser Stelle kommt das Vorbild Disney ins Spiel. Die Charaktere aus dem Film hat Mack schon Monate vorher im Freizeitpark vermarktet. In den VR-Filmen werden die Wünschmanns während der Achterbahnfahrt eingeblendet, im parkeigenen 4-D-Kino läuft die Kurzfilmversion von „Happy Family“. Dazu passend gibt es in den Parkshops allerhand zu kaufen – vom Plüschtier bis hin zum T-Shirt. Von so einer Werbeplattform können manche Filmproduzenten nur träumen.

All das erinnert stark an das Geschäftsmodell des großen US-Konkurrenten – nur in umgekehrter Reihenfolge. Während Disney zuerst einen Film ins Kino bringt und anschließend – sofern er gut läuft – eine entsprechende Attraktion in den Disneyparks aufbaut, ist der Film für Mack die „letzte Verwertungsstufe“. Eine „logische Weiterentwicklung des Freizeitparks“.

Widerstand aus der eigenen Familie

Nun aber erlebt Mack seinen persönlichen „El Andaluz“-Moment, denn unter den Macks regt sich Widerstand. „In der Familie wollte das zunächst keiner“, berichtet er. Vor allem Vater Roland sei skeptisch gewesen. Weil man etwa mit der VR-Brille gar kein Gefühl mehr für die eigentliche Achterbahnfahrt hat, ist die Technik unter den Fans der Fahrgeschäfte verpönt.

Mack-Junior hält wenig von solchen Dogmen. Er verkörpert das, was man sich unter einem Familienunternehmer aus der schwäbischen Provinz vorstellt. Bodenständig, pragmatisch, das Auge aufs Geschäft. Aber er kann auch schwärmen – von Amerika, der Heimat der Traumindustrie Hollywood und Visionären wie dem Elektroautobauer Elon Musk.

Mack muss Familiengeschäft in finanziell solide Zukunft führen

Für Mack ist das Projekt auch die Chance, sich von dem Vater, der einst gemeinsam mit dem Großvater den Freizeitpark gegründet und ihn groß gemacht hat, zu emanzipieren. „Es ist nicht so, dass ich meinen Vater und die anderen Familienmitglieder überholen will“, erklärt der Juniorchef. „Aber man muss seine Rolle beim Generationenwechsel finden und Projekte entwickeln, für die man steht.“

Vor allem aber muss Mack das Familiengeschäft in eine finanziell solide Zukunft führen. „Es ist ein gewisser Druck da“, sagt er. „Man möchte nicht derjenige sein, der den Park an die Wand fährt.“

Keine Angaben zu Gewinn und Umsatz

Zwar sind die Besucherzahlen im Europa-Park in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, doch große Steigerungen verzeichnete der Park zuletzt nicht mehr. 2015 sollen es 5,5 Millionen Besucher gewesen sein. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 5,5 Millionen – wie viel mehr gibt der Park allerdings nicht bekannt. Dem Verband Deutscher Freizeitparks zufolge hat das Wachstum der Freizeitparkindustrie in Europa und den USA einen Höhepunkt erreicht. Verbandspräsident Klaus-Michael Machens spricht von einem „kontinuierlichen, moderaten Anstieg der Besucherzahlen“ in Deutschland. Zuwächse gibt es vor allem in Asien, wo die meisten neuen Parks öffnen.

Angaben zu Gewinn und Umsatz macht der Europa-Park nicht. Aber es dürften schwarze Zahlen sein. Derzeit entsteht vor den Toren des Parks das nächste Großprojekt – ein Wasserpark für rund 150 Millionen Euro, der anders als der Europa-Park das ganze Jahr über geöffnet haben soll – und somit auch in den Wintermonaten Einnahmen bringen soll. In zwei Wochen ist Grundsteinlegung, die Eröffnung ist für Ende 2019 geplant.

Bis zu 400.000 Euro kostet die Virtual-Reality-Technik

Die Einnahmen des Freizeitparks dienten auch MackMedia als Startkapital für die Produktion des Films „Happy Family“. Mittlerweile aber generiert MackMedia eigenständig Einnahmen. Mack hat sich die VR-Technik patentieren lassen. Er ist nach eigener Aussage der einzige Anbieter weltweit, der die virtuellen Welten für die Achterbahnen entwickelt. „Eine Achterbahn mit VR-Technologie auszustatten kostet pro Bahn zwischen 100.000 und 400.000 Euro“, rechnet er vor.

Hinzu kommt: MackMedia verkauft nicht nur die Software an andere Parks, sondern auch die Filme, die auf den Brillen gespielt werden. Dafür kassiert das Unternehmen Lizenzgebühren. „Wir haben in diesem Jahr einen Umsatz im einstelligen Millionenbereich gemacht – allein mit dem Verkauf der VR-Coaster-Technologie an andere Parks“, sagt der Unternehmer.

Obwohl noch nicht klar ist, wie viel „Happy Family“ an den Kinokassen einspielen wird – Mack verfolgt schon das nächste Projekt. Gemeinsam mit der Nürnberger Spielzeugfirma Simba Dickie, will er im kommenden Frühjahr eine neue Marke entwickeln: „Mod Squad P.D.“ – Actionautos, die Teil einer Geschichte werden sollen. Simba Dickie produziert die Figuren, im Europa-Park sollen sie vermarktet werden. Und vielleicht kommt noch ein Film in die Kinos. Auch hier ist Disney Vorbild, das mit den Spielzeugherstellern Hasbro oder Mattel zusammenarbeitet. „Mein Wunsch ist es, mit den Erträgen von MackMedia auch mal eine Achterbahn für den Park zu finanzieren“, sagt Mack. Sollte ihm das gelingen, wird wohl auch der Vater von der digitalen Seite des Europa-Parks überzeugt sein.