Berlin. In dieser Woche kommen Interessenten der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin zu Gesprächen nach Berlin. Nicht jeder hat Chancen.

Es ist in gewisser Weise die Woche der Wahrheit im Fall Air Berlin. Mehrere Interessenten für die insolvente Fluggesellschaft kommen zu Gesprächen nach Berlin. Am Mittwoch etwa Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und Ryanair-Chef Michael O’Leary. Danach wird vermutlich klarer sein, wer weiter für Air Berlin bietet. Derzeit gibt es sechs Interessenten.

Im Angebot ist die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nach der Lufthansa – ganz oder in Teilen. Derzeit verfügt Air Berlin, seit 15. August insolvent, über 144 Maschinen. Zum Unternehmen gehört auch der Ferienflieger Niki mit Sitz in Wien, der nicht insolvent ist und als hochprofitabel gilt. Air Berlin verfügt über zahlreiche Start- und Landerechte an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf. Das Unternehmen beschäftigt derzeit mehr als 8000 Mitarbeiter.

Lufthansa

Konzernchef Carsten Spohr möchte bis zu 90 Maschinen von Air Berlin übernehmen – die Langstreckenflieger, den Ferienflieger Niki sowie die 38 Maschinen, die Lufthansa inklusive Besatzung bereits seit Herbst gemietet hat. Dafür bietet Spohr einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, genauere Zahlen sind bisher nicht bekannt. Spohr will mit den Maschinen seinen Billigflieger Eurowings schnell ausbauen, um europaweit mit Konkurrenten wie Ryanair mithalten zu können. 2016 hatte Ryanair den Lufthansa-Konzern erstmals als Nummer eins in Europa nach Zahl der Passagiere überholt. Zudem will Eurowings auf der Langstrecke wachsen. Und Lufthansa interessiert sich für Landerechte in Berlin und Düsseldorf.

Vorteil: Lufthansa bereitet sich seit Längerem auf den Fall vor. Spohr kennt zudem den Air Berlin-Chef gut – Thomas Winkelmann war bis Januar 2017 Lufthansa-Manager.

Nachteil: Lufthansa bekäme in Deutschland praktisch ein Monopol für Inlandsflüge – mit möglicherweise steigenden Preisen als Folge. Die Kartellbehörden dürften das kritisch sehen.

Chancen: Hoch. Ein Vertreter von Eurowings sitzt im Gläubigerausschuss, der alle Verkäufe Air Berlins genehmigen muss. Zudem steht die Bundesregierung hinter den Plänen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wünscht sich einen starken deutschen Luftverkehrskonzern. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) befürwortet das Konzept.

Gläubiger von Air Berlin beraten über Zukunft der Airline

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    Easyjet

    Der britische Billigflieger ist offenbar an bis zu 40 Fliegern Air Berlins interessiert. Das Unternehmen schweigt sich offiziell aus. Unklar ist auch, wie viel Chefin Carolyn McCall zahlen möchte, um an Maschinen und Landerechte zu kommen. Easyjet ist bereits heute stark in Berlin, hat zwölf Maschinen hier stationiert. Düsseldorf fliegt Easyjet bisher nicht an. Die Briten liefern sich einen Wettstreit mit Billigflugkonkurrent Ryanair und würden mit dem Zukauf auf einen Schlag kräftig wachsen. Easyjet wird besonders unter dem Austritt der Briten aus der EU leiden. Über eine Tochter in Wien will die Firma weiter die lukrativen Strecken innerhalb Europas anbieten. Das Geschäft ließe sich mit den Maschinen von Air Berlin schnell ausbauen.

    Vorteil: Der Plan passt geradezu ideal zu dem von Lufthansa. Die Kartellbehörden hätten eher keine Einwände.

    Nachteil: Air Berlin wird zerschlagen.

    Chancen: Hoch in Verbindung mit einem Lufthansa-Angebot. Sonst eher mittel.

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    Condor

    Der deutsche Ferienflieger gehört zum britischen Reisekonzern Thomas Cook, Nummer zwei in Europa hinter TUI. Bisher ist bekannt geworden, dass sich Condor wohl für eine deutlich zweistellige Anzahl von Flugzeugen interessiert – vor allem für die Mittel- und Langstrecke. Über weitere Einzelheiten schweigt sich der Konzern unter Leitung von Ralf Teckentrup aus. Er hat allerdings Rückendeckung von Thomas Cook.

    Vorteil: Auch dieses Angebot passt recht gut zu dem von Lufthansa.

    Nachteil: Condor will lediglich Teile Air Berlins kaufen. Das Konzept geht nur auf, wenn andere Bieter andere Teile haben wollen.

    Chancen: In Verbindung mit dem Lufthansa-Angebot hoch.

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    Ryanair

    Michael O’Leary, Chef der irischen Fluggesellschaft Ryanair, war zunächst sauer, dass Lufthansa ihn bei Air Berlin offenbar ausgebremst hat. Inzwischen ist er zum Angriff übergegangen. Er hat zunächst die EU-Kartellbehörden eingeschaltet und dann verkündet, Air Berlin komplett übernehmen zu wollen. Ryanair bekäme eine starke Basis in Berlin, möglicherweise eine Mitsprache bei der Gestaltung des BER und könnte von Düsseldorf aus starten.

    Vorteil: Air Berlin würde weitgehend als Ganzes verkauft. Lufthansa bekäme weiterhin Konkurrenz auch im Inland.

    Nachteil: Unklar ist, was Michael O’Leary wirklich will. Air Berlin fliegt vor allem Airbus, Ryanair kalkuliert eng und setzt aus Kostengründen auf eine einheitliche Boeing-Flotte.

    Chancen: Eher schlecht. Was kartellrechtlich unproblematisch ist, findet wenig Zustimmung in der Bundesregierung. Vor allem Gewerkschaften bemängeln die angeblich schlechten Arbeitsbedingungen bei Ryanair – im Bundestagswahlkampf kein Thema, mit dem sich ein Politiker herumschlagen möchte. Lufthansa versucht zudem, eine solche Lösung zu verhindern.

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    Hans-Rudolf Wöhrl

    Der deutsche Unternehmer will Air Berlin als Ganzes übernehmen und fortführen – der Name bliebe also erhalten. Wöhrl setzt auf Ferienflüge und innerdeutschen Verkehr. Ziel sind schwarze Zahlen ab 2019. Ob das Konzept mit der desolaten Lage bei Air Berlin vereinbar ist, ist bisher unklar.

    Vorteil: Wöhrl kennt sich in der Branche aus. Sollte die Wende gelingen, gäbe es weiterhin einen, wenn auch kleinen, Lufthansa-Konkurrenten.

    Nachteil: Auch Wöhrl weiß nicht genau, wie dramatisch die Lage bei Air Berlin ist. Fünf Firmenchefs scheiterten bisher mit der Sanierung.

    Chancen: Mittelmäßig. Die Air-Berlin-Führung hält bisher nichts davon – sie handelt einen möglichen Verkauf des Unternehmens aus. Kaum Rückendeckung in der Bundesregierung.

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    Niki Lauda

    Der Ex-Rennfahrer kündigte an, Niki kaufen zu wollen. Er hatte die Fluggesellschaft 2003 übernommen, nach sich benannt und 2011 an Air Berlin verkauft.

    Vorteil: In Österreich gäbe es ein zweites Angebot neben der Lufthansa-Tochter Austrian.

    Nachteil: Pickt nur den lukrativen Teil von Air Berlin heraus, bietet aber in dieser Form keine Lösung in Kombination mit anderen Interessenten.

    Chancen: Allein sehr gering.