Berlin. Kartellvorwürfe und Abgasschummelei: Verkehrsminister Alexander Dobrindt versucht, den persönlichen Schaden möglichst gering zu halten.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) tut einfach so, als wäre nichts geschehen. Am Dienstag verschicken seine Mitarbeiter eine Mitteilung, in der Dobrindt ankündigt, dass Bahnstrecken bald schneller und günstiger gebaut werden sollen. Bund und Bahn würden eine „Offensive“ starten. Am Montag hat Dobrindt in Oberbayern eine Umgebungsstraße eingeweiht: „Weniger Abgase und mehr Lebensqualität für die Anwohner“ versprach er beim Spatenstich.

Bahnstrecken und Umgehungsstraßen sind Alltag für einen Verkehrsminister. Aktuell aber wirken die Meldungen darüber skurril. Denn seit Freitag ist klar, dass der ohnehin schon große Diesel-Skandal noch einmal größer ist als angenommen.

Die fünf großen deutschen Autohersteller haben nicht nur die Software ihrer Motoren manipuliert. Sie sollen auch durch Absprachen dafür gesorgt haben, dass die Dieselabgase nicht so sauber wurden, wie es technisch möglich gewesen wäre: Die Konzerne legten offenbar gemeinsam fest, dass die Tanks an Bord der Autos, in denen die Reinigungsflüssigkeit Ad-Blue aufbewahrt wird, bei allen deutschen Marken zu klein ausfielen.

Verkehrsminister Dobrindt will lieber über andere Themen reden

Für Dobrindt sind das schlechte Nachrichten. Der Minister möchte schon seit einiger Zeit den Eindruck erwecken, der Skandal sei politisch so gut wie aufgeklärt. Er würde die „Thematik“, wie er es nennt, lieber heute als morgen zu den Akten legen und weiter Umgehungsstraßen einweihen.

Das dürfte angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht einfach werden. Der Skandal geht weiter und verschmilzt nun mit dem Wahlkampf: Die Opposition will Dobrindt erneut vor den Bundestagsverkehrsausschuss zitieren und befragen. Die Grünen fordern seine Entlassung. Auch der Koalitionspartner SPD distanziert sich vorsichtig: Man habe „viele Fragen an die Hersteller und ihre Vorstände“, sagt Sören Bartol, der für Verkehr zuständige Vize-Fraktionschef. „Minister Dobrindt muss nun dafür sorgen, dass sie schnell darlegen, wie die Werte, ohne die Fahrzeughalter zu belasten, zukünftig eingehalten werden sollen und wie weiterer Schaden vom Automobilstandort ferngehalten werden soll.“

Echte inhaltliche Aufklärung erst in zweiter Linie

Dobrindt aber lässt solche Forderungen an sich abperlen: Die Kartellbehörden müssten die Vorwürfe detailliert untersuchen, sagt er und verweist am Dienstag noch einmal darauf, dass er selbst nichts wisse und die EU-Wettbewerbskommissarin per Brief um Aufklärung gebeten habe. Die Botschaft dahinter: Mit den neuesten Enthüllungen sollen sich andere herumärgern. Für das Wettbewerbsrecht ist die sozialdemokratische Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries zuständig, der das Bundeskartellamt untersteht.

Als Parteipolitiker, der Dobrindt als ehemaliger CSU-Generalsekretär durch und durch ist, hat er diese günstige Konstellation erkannt und versucht, den politischen Druck auf den Koalitionspartner umzuleiten. Dobrindts Grundprinzip kommt zum Tragen: Er behandelt den Diesel-Skandal so, dass der politische Schaden für ihn persönlich möglichst gering ausfällt.

Die Pkw-Maut hat Dobrindt ohne größeren politischen Schaden erledigt

Um echte inhaltliche Aufklärung oder gesetzgeberische Reformen geht es Dobrindt erst in zweiter Linie. Nie trat er der Autoindustrie wirklich auf die Füße. Freiwillige Lösungen mit Einverständnis der Hersteller waren Dobrindt beim Diesel-Skandal stets lieber als staatlicher Zwang.

Vor vier Wochen verkündete er, er habe die Autoindustrie dazu bewegen können, ihre Fahrzeuge in realen Fahrsituationen zu testen. Ein neues Institut soll dafür gegründet werden. Warum das keine staatliche Aufgabe sein soll, erschließt sich nicht. Rückendeckung bekam er von der SPD. Auch in sozialdemokratisch regierten Bundesländern stehen große Autofabriken. Entsprechend gering war der Aufklärungswille der großen Koalition im Untersuchungsausschuss des Bundestags, der den Diesel-Skandal unter die Lupe nahm.

Dass Dobrindt sein Ministerium lieber heute als morgen verlassen würde, ist kein Geheimnis. Verkehrspolitischen Gestaltungswillen hatte er nie. Das einzige Projekt, für das er wirklich gekämpft hat, die Pkw-Maut, war eine Auftragsarbeit von CSU-Chef Horst Seehofer. Auch die hat Dobrindt ohne größeren politischen Schaden erledigt.