Berlin. Kapitalgarantien sollen Beiträge der Sparer schützen. Doch sie verhindern oft bessere Renditen. Verbraucherschützer kritisieren das.

Viele Sparer dürften sich einig sein: Wenn sie fürs Alter vorsorgen und langfristig Geld anlegen, sollten sie zumindest den eingezahlten Betrag am Ende sicher wieder ausgezahlt bekommen. Eine sogenannte Kapitalgarantie in der Altersvorsorge, die genau das etwa bei der Riester-Rente sicherstellt, scheint da auf den ersten Blick nur vernünftig.

Die Sache hat jedoch einen gewaltigen Haken: Die Garantien in der Altersvorsorge kosten einen Großteil der möglichen Rendite. Ohne es zu wissen, entgehen den Sparern gerade in Zeiten niedriger Zinsen dadurch eklatant hohe Summen.

16,5 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen

Bis September 2016 schlossen deutsche Sparer insgesamt allein 16,5 Millionen Riester-Verträge ab. Der Bund fördert dabei durch Zulagen die private Altersvorsorge der Deutschen – jedoch mit gesetzlichen Einschränkungen. So müssen die Anbieter – Versicherer, Banken und Investmentfonds – garantieren, nach Renteneintritt zumindest die vom Sparer geleisteten Beiträge auszuzahlen.

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    Um diese gegebene Kapitalgarantie sicher einzuhalten, legen die Anbieter das Geld möglichst risikoarm an. Sie wählen meist festverzinsliche Staatsanleihen, die zwar sicher sind, den Anlegern aber nur geringe Sparzuwächse bringen. Ein Investment in risikoreichere Aktien schließt die Kapitalgarantie dagegen zu weiten Teilen aus – und damit auch deren meist deutlich höhere Rendite.

    Garantiekosten auf Höchststand

    Sparer bezahlen den Schutz ihrer Beiträge daher mit einem hohen Preis: den Garantiekosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Frankfurt School of Finance and Management, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach haben die Garantiekosten in der Altersvorsorge 2016 einen neuen Höchststand erreicht.

    Ein Beispiel, so der Studienautor Olaf Stotz: Eine 25-Jährige zahlt ab sofort bis zu ihrem Renteneintritt mit 67 Jahren jeden Monat 50 Euro in einen Sparplan ein – insgesamt also 25.200 Euro. Legt sie ihr Geld in ein Altersvorsorgeprodukt mit Kapitalgarantie an, erhält sie laut Studie nach 42 Beitragsjahren rund 84.000 Euro ausgezahlt. Das Geld wird dabei in „sichere“ Anlagen wie Staatsanleihen angelegt.

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      160.000 Euro Unterschied

      Legt sie ihr Geld stattdessen in Aktienfonds an und damit ohne Garantie auf Rückzahlung, würde sie am Ende rund 244.000 Euro herausbekommen, so die Studie. Unterm Strich werden ihr also 160.000 Euro weniger ausbezahlt – dies ist der Preis für die Garantie. Zur Hochphase der Niedrigzinsen im vergangenen Sommer lagen die virtuellen Kosten der Garantiezusage sogar bei über 200.000 Euro. Je geringer der Zinssatz, desto größer die Differenz zu Anlagen ohne Garantiezusagen.

      Den meisten Sparern sind diese Garantiekosten unbekannt. Auch deshalb entscheiden sich viele für eine garantierte Altersvorsorge etwa in Form einer Riester-Rente – und so indirekt gegen die höhere Rendite von Investments mit größerem Aktienanteil. „Mit Garantien verbinden die Leute etwas Positives“, sagt Wirtschaftsprofessor Stotz. „Solange sie deren Kosten nicht kennen, bleiben sie dabei.“

      Sparer überschätzen das Risiko

      Dabei zeigen Stotz’ Berechnungen: Die Sparer überschätzen das Risiko einer Altersvorsorge ohne Garantie deutlich. Bei der 25-jährigen Sparerin aus dem Beispiel etwa liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur 0,5 Prozent, ohne Kapitalgarantie am Ende weniger als ihre eingezahlten Beiträge anzusparen – während ihre Gewinne dadurch gleichzeitig um einiges höher ausfallen dürften.

      Die Ausfallwahrscheinlichkeit bei langfristigen Aktiensparplänen sei in der Regel gering. „Ein Verzicht auf die Garantie könnte das Altersvorsorgevermögen deutlich schneller wachsen lassen, ohne dabei das Risiko signifikant zu erhöhen“, so der Finanzwissenschaftler.

      „Kosten der Kapitalgarantie unfassbar hoch“

      Die negativen Folgen der garantierten Auszahlungen sieht auch Frank Breiting, Leiter des Bereichs private Altersvorsorge und Versicherungen bei der Deutsche Bank-Tochter Deutsche Asset Management, die die Studie in Auftrag gegeben hat: „Die Kosten der Kapitalgarantie sind unfassbar hoch. Dabei ist die einzige Garantie, dass man keine Rendite bekommt.“

      Zunehmend würde dieses Problem auch von Sparern erkannt. Viele möchten ihre geleisteten Riester-Beiträge stärker in Aktien investieren. Doch die gesetzlich vorgeschriebene Kapitalgarantie lasse dafür keinen Spielraum. „Wir können bei den Anlagen nichts ändern.“

      Problem der Garantien bei der Riester-Rente

      Neben der Fondsgesellschaft kritisiert auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Regelung. Verbraucherschützerin Dorothea Mohn weist auf die Probleme der Beitragsgarantien in der Riester-Rente hin. Unabhängig vom Zinsniveau seien „die Garantiekosten immer hoch und gehen zulasten der Rendite.“

      Ihre Forderung an die Bundesregierung: Flexible Garantiehöhen. „Man sollte Verbrauchern bei der Riester-Rente eine Wahlmöglichkeit einräumen, ob und wenn ja, wie viel Garantie sie wollen.“ Je nach Anlegerstrategie könnte diese dann für die ganze Beitragssumme gelten, oder aber nur für 80, 50 oder null Prozent des gezahlten Kapitals.

      Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

      Trotz der einhelligen Kritik sieht man in der Bundesregierung bei dem Thema aktuell keinen Handlungsbedarf. Das Problem der Garantiekosten sei bekannt, heißt es aus dem zuständigen Sozialministerium, Änderungen an der Riester-Rente seien jedoch nicht nötig. „Die Politik macht es sich hier zu leicht“, sagt Verbraucherschützerin Mohn.

      Mit dem Garantieversprechen lenke die Regierung den Blick zu einseitig auf die Sicherheit. „Über die Kehrseite der Garantien wird mit den Bürgern nicht gesprochen.“ Solange sich an der gesetzlichen Kapitalgarantie bei Riester nichts ändere, bleibt das Urteil von Mohn daher deutlich: „Für risikobewusste Sparer ist Riester nicht geeignet.“