Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft Anton Schlecker vorsätzlichen Bankrott vor. Der Anwalt wies den Vorwurf zu Prozessbeginn zurück.

  • Am Landgericht Stuttgart hat der Prozess gegen Anton Schlecker begonnen
  • Im Kern geht es um die Frage, wann Schlecker wusste, dass die Kette nicht zu retten ist
  • Dem gelerntem Metzgermeister wird betrügerischer Bankrott vorgeworfen

Der weißhaarige Schlecker wirkt neben seinen Verteidigern klein, als er im Nadelstreifenanzug den Saal im Untergeschoss des Landgerichts betritt. Der für schreiend bunte Oberhemden bekannte Mann trägt diesmal einen schwarzen Rollkragenpullover. Die Verhandlung verfolgt er fast reglos, nur die Augen wandern ständig hin und her zwischen Richter, Publikum und Staatsanwalt.

Wann wusste Anton Schlecker, dass sein Drogerie-Imperium nicht mehr zu retten war? Das ist die Frage, der das Landgericht Stuttgart in den nächsten Monaten immer montags auf den Grund gehen will. Nach den Worten seines Verteidigers Norbert Scharf wollte der ehemalige Drogerie-König Anton Schlecker die drohende Milliarden-Pleite bis zum großen Knall nicht wahrhaben.

Den Vorwurf des betrügerischen Bankrotts wies Scharf deshalb am Montag zurück: „Die Insolvenz seines Unternehmens war für ihn schlicht nicht vorstellbar. Die Firma war sein Lebenswerk – und blieb es bis zuletzt.“

Staatsanwalt: Schlecker zog Millionen aus Unternehmen ab

Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 72-Jährigen vor, längst vorher Millionen aus der einst größten deutschen Drogeriemarktkette gezogen zu haben. Geld, das überwiegend seinen Kindern zugute kam, den Gläubigern aber fehlte.

Das Unternehmen sei spätestens Ende 2009 insolvenzreif gewesen, gut zwei Jahre bevor Schlecker tatsächlich Insolvenz anmeldete, sagte Staatsanwalt Thomas Böttger. Die einst größte deutsche Drogeriekette habe seit 2004 nur noch in einem Jahr – 2006 – operativ Gewinne geschrieben.

Ab 2009 keine Aussicht auf Kredite

2009 habe Schlecker klar sein müssen, dass seinem Unternehmen der Zusammenbruch drohte. Da habe es keine Aussicht mehr gegeben, mittelfristig in die Gewinnzone zurückzukehren. Schlecker habe zu diesem Zeitpunkt weder nennenswertes Vermögen gehabt, um die Dauer-Verluste auszugleichen, noch Aussicht auf Kredite.

Dass er die Insolvenz habe vermeiden wollen, stehe nicht im Widerspruch zur Anklage, betonte der Staatsanwalt. Schlecker haftete als „eingetragener Kaufmann“ allein für den Konzern aus Ehingen bei Ulm. „Er wollte in seinem Unternehmen frei schalten und walten“, sagte Staatsanwalt Christoph Buchert. „Aber dann muss ich auch in der Krise mein Vermögen zusammenhalten.“

Schlecker bleibt in Verhandlung regungslos

Anton Schlecker sei kein rücksichtsloser Unternehmer, sagte sein Verteidiger. Er sei „ein schwäbischer Unternehmertyp klassischen Zuschnitts“. Vor dem Gericht gehe es darum, „die individuelle Vorstellungswelt von Herrn Schlecker“ aufzuklären.

Die Frage sei, ob der Metzgermeister erkannt habe, wie schlecht es um seinen Konzern stehe. Scharf warnte vor einem „Klima der Treibjagd“ auf Schlecker. Informationen, die vor dem Prozess durchgesickert seien, könnten auch die Zeugen beeinflussen.

Auf betrügerischen Bankrott in einem schweren Fall, wie er Schlecker vorgeworfen wird, steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Ehemalige Schlecker-Mitarbeiterin hofft auf Entschädigung

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    Auch Frau und Kinder angeklagt

    Lars und Meike Schlecker sowie ihre Mutter sind unter anderem wegen Beihilfe zum Bankrott angeklagt. Die Anklage umfasst daneben Insolvenzverschleppung, Untreue und eine falsche eidesstattliche Versicherung vor dem Insolvenzrichter.

    Auch zwei Wirtschaftsprüfer von EY (Ernst & Young), die falsche Bilanzen abgesegnet haben sollen, stehen vor Gericht. Bei der Pleite der ehemals größten Drogeriekette Europas hatten mehr als 23.000 meist weibliche Mitarbeiter – die „Schlecker-Frauen“ – ihre Arbeit verloren.

    Schlecker habe Millionen auf Firma der Kinder umgeleitet

    Im Kern geht es darum, dass Schlecker jahrelang Millionen auf die Logistik-Gesellschaft LDG umgeleitet haben soll, die die Filialen mit Waren aus dem Zentrallager belieferte und nicht zum Konzern gehörte, sondern Schleckers Kindern Lars und Meike.

    Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Schlecker „zum Wohle seiner Kinder“ bewusst überhöhte Preise an die LDG gezahlt und sein Unternehmen damit geschädigt hat.

    Anton Schlecker will sich später äußern

    Andererseits hätten die Kinder als stille Gesellschafter von Schlecker dem Vater insgesamt 320 Millionen Euro geliehen, die er aber als Eigenkapital verbuchte. Tatsächlich sei Schlecker schon Ende 2010 überschuldet gewesen, auf dem Unternehmen lasteten fast eine Milliarde Euro Schulden.

    Im Prozess spielen auch teure Urlaubsreisen mit der Familie, Schenkungen an die Enkel und ein Beratervertrag für Schleckers Frau eine Rolle. Anton Schlecker werde sich später zu den Vorwürfen äußern, sagte sein Anwalt. Auch die Verteidiger von Lars, Meike und Christa Schlecker wiesen die Anklage zunächst nur pauschal zurück. (rtr/les)