Frankfurt/Main. Unternehmen schützen sich laut einer Studie von KPMG vor Hacker-Attacken – und bescheren Versicherungen einen neuen Geschäftszweig.

Es ist erst einige Wochen her, da musste Thyssen Krupp den schlimmsten Spionageangriff seiner gut zweihundertjährigen Geschichte eingestehen: Schon im Frühjahr hatten Hacker die IT-Systeme des Stahlkonzerns geknackt, um Informationen aus den Netzwerken zu ziehen. Im November wurde die Telekom Opfer eines Hackerangriffs, von dem 900.000 Kunden betroffen waren. Nur zwei Fälle von vielen.

Durch die Digitalisierung von immer mehr Lebensbereichen wächst die Vernetzung, die Anfälligkeit könnte sich erhöhen, analysiert die Unternehmensberatung KPMG in einer Studie. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, fordert eine ganzheitliche Gefahrenvorsorge, um sich vor ungewolltem Abfluss von Know-How und Daten zu schützen. „Zugleich gilt es, für den Schadensfall ein komplettes Schadensmanagement vorzuhalten.“

Schäden durch Cyber-Kriminalität

Das aber ist bisher noch nicht der Fall. Risiken der Cyber-Kriminalität werden von den üblichen Versicherungspolicen nicht erfasst. Doch dieses Feld könnte ein Riesengeschäft für die Branche werden, vergleichbar der Kfz-Versicherung heute, glaubt die Unternehmensberatung KPMG. 2036 könnte das Prämienvolumen aus solchen Versicherungen gegen Cyber-Risiken mindestens zwölf, vielleicht sogar 26 Milliarden Euro erreichen – und das nur in den deutschsprachigen Ländern Europas. Jörg Wälder, Senior Executive und Experte für Finanzdienstleistungen bei KPMG, hält etwa 20 Milliarden Euro für realistisch, davon gut 15 Milliarden in Deutschland.

Schon heute belaufen sich die Schäden durch Cyber-Kriminalität auf 50 Milliarden Euro, das entspricht 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Damit sind wir Weltmeister“, sagt KPMG-Partner Markus Heyen. Weltweit betragen die Schäden zwar 450 Milliarden Euro, doch der Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist in der Industrienation Deutschland am höchsten. Abgesichert aber seien in Deutschland vielleicht gerade einmal 100 Millionen Euro, sagt Wälder.

Cyber-Mobbing in sozialen Netzwerken

Bei großen Unternehmen könnten Schäden durch Produktionsausfälle oder Datenklau über individuelle Lösungen der Versicherungen abgedeckt werden. Auf lange Sicht reizvoll dürfte für die Assekuranz aber das standardisierte Geschäft mit Privatpersonen und kleinen Gewerbetreibenden werden. In einigen Jahren soll es vier Fünftel dieses neuen Versicherungsmarktes abdecken. Als Beispiel für solche Fälle nennt Heyen das Cyber-Mobbing in sozialen Netzwerken. Das könne schon im Privatbereich sehr belastend sein, aber auch Geschäftsleute seien betroffen.

Kleinen Gewerbetreibenden oder Selbstständigen könne ein Reputationsverlust Verdienstausfälle und damit schwere finanzielle Schäden zufügen. Wenn das Handy geknackt werde, könnten womöglich wichtige Kontodaten und andere persönliche Informationen gestohlen werden. Ein solcher Schaden treffe Privat- wie Geschäftsleute gleichermaßen, erklärt Heyen.

Einfallstore für Hacker

Noch bieten nur wenige Versicherungen Policen an, die Schäden aus dem Internet abdecken. Die aktuellen Lösungen seien für die enger vernetzte Welt nicht ausreichend. Denn künftig sind nicht nur große Rechner, PCs oder Mobiltelefone mögliche Einfallstore für Hacker. Auch Autos oder Küchengeräte werden digital eingebunden – und damit zur Angriffsfläche.

Auch Versicherungen müssen sich – und das ist die andere Seite der Medaille – auf die digitalisierte Welt einstellen. Die Branche investiere nur halbherzig in diese Bereiche. Von Kfz-Versicherungen etwa würden Kunden aber künftig schnellere Lösungen erwarten: Wer mit einem Motorschaden liegen bleibe, wolle nicht erst in zwei bis vier Stunden wieder mobil sein – dann sei der Geschäftstermin vorbei. Auf solche Prozesse sei die Branche noch nicht ausreichend vorbereitet.