Berlin. Deutschland ist im europäischen Vergleich nur graues Mittelmaß. Zumindest, wenn man sich die Rahmenbedingungen für Familienbetriebe ansieht.

Deutschlands Familienunternehmen wurde im vergangenen Jahr eine bittere Pille verabreicht: Die im September beschlossene Reform der Erbschaftsteuer verlangt den Erben großer Familienunternehmen fortan höhere Steuern ab. Und auch die Fälle, bei denen beim Erben von Betriebsvermögen gar keine Steuern anfallen, wurden eingeschränkt.

Aus Sicht des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat die Bundesregierung mit dieser Entscheidung dem Standort Deutschland aber geschadet. Denn es sind derlei Faktoren, auf die Unternehmer besonders achten, wenn sie entscheiden, in welchem Land sie einen weiteren Standort eröffnen oder gar ein Unternehmen gründen. In einer Untersuchung zu den Standortfaktoren für Unternehmen, die das ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchführte, schneidet die Bundesrepublik im europäischen Vergleich nun schlechter ab.

Erbschaftsteuer ist ein Streitpunkt

Die Forscher untersuchten, unter welchen Bedingungen Familienunternehmen in 17 ausgewählten Ländern Europas und den USA wirtschaften: wie hoch ihre Energiekosten sind, wie hoch die Ausgaben des Staates für Bildung. Untersucht wurde zudem, welche Gesetze unternehmerische Entscheidungen wie etwa die Kündigung von Arbeitskräften einschränken sowie wie hoch die Steuerlast für die Unternehmen ist. Die Erbschaftsteuer, da ist sich ZEW-Studienleiter Friedrich Heinemann sicher, wird künftig zu einem weiteren Abrutschen Deutschlands im Ranking führen. Dabei liegt die Bundesrepublik schon jetzt mit Platz zwölf nur im Mittelfeld und hat im Vergleich zu 2014 sogar einen Punkt eingebüßt.

Sorge bereitet Heinemann auch, dass die gute Lage der öffentlichen Haushalte und der Sozialversicherung künftig durch eine „Vielzahl von anstehenden Leistungsausweitungen bei Rente, Gesundheit und Pflege infrage gestellt wird“. Das Standortranking offenbart zudem die ökonomische Spaltung Europas in Nord und Süd. Während die skandinavischen Länder, Großbritannien und die Niederlande die vordersten Plätzen belegen, rangieren Frankreich, Spanien und Italien am Ende. Die Sorgenkinder Europas haben mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigem Wirtschaftswachstum zu kämpfen.

Großbritannien könnte wegen Brexit Punkte verlieren

Wichtig, vor allem für die exportstarken deutschen Mittelständler sind darüber hinaus die Bedingungen für den Außenhandel. 2017 kommen beim Export große Herausforderungen auf die Unternehmer zu. Der neue US-Präsident Donald Trump machte bereits deutlich, dass er vom Freihandelsabkommen der EU mit den USA, auf das die meisten Unternehmen gehofft hatten, nichts hält. Unter seiner Präsidentschaft dürfte das Abkommen TTIP daher wohl kaum zum Abschluss kommen.

Doch auch in Europa gewinnen die Freunde des Protektionismus Oberhand. Populistische Parteien in nahezu allen EU-Staaten stehen in der Gunst der Wähler. Dabei hat der europäische Binnenmarkt jetzt schon an Freiheit verloren. Während der europäischen Schuldenkrise etwa wurden für Griechenland teilweise wieder Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Und einige Schengen-Staaten haben im Zuge der Flüchtlingskrise wieder Grenzkontrollen durchgeführt. Jeder Stopp an der Grenze bedeutet für die Unternehmen mehr Zeit und Kosten für grenzüberschreitende Handelsgeschäfte. Auch Großbritannien dürfte im Ranking künftig Punkte verlieren. Mit der Entscheidung für den Austritt aus der EU steigt die Unsicherheit über den zukünftigen Zugang zum Freihandel in Europa.