Berlin. Die Idee von einem geeinten Europa – zumindest als Währungsunion hat sie keine Zukunft, glaubt der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz rechnet mit einem Zerfall der Eurozone in den kommenden Jahren. Grund für seine Prognose seien mangelnde Entschlossenheit und Solidarität der Mitgliedstaaten miteinander. „Mir macht die Geschwindigkeit Sorgen, mit der die Entscheidungen in Europa ablaufen“, sagte der US-Ökonom in einem Interview mit der „Welt“. „Die Politik einigt sich darauf, was getan werden muss, aber dann wird blockiert, getrödelt und sich Zeit gelassen.“

Nötig seien hingegen tiefgreifende Reformen wie die Schaffung einer Bankenunion oder einer gemeinsamen Einlagensicherung. Stiglitz sagte, er rechne nicht mehr damit, dass Europas Politik die wankende Währungsunion langfristig retten könne.

Eurozone mit weniger Mitgliedern

„Es wird in zehn Jahren noch eine Eurozone geben, aber die Frage ist, wie sie aussehen wird. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie immer noch 19 Mitglieder haben wird.“ Es sei schwer zu sagen, wer noch dazugehören werde. Deutschland habe sich etwa schon damit abgefunden, dass Griechenland die Eurozone verlassen werde. Nur durch die Auflösung der Gemeinschaftswährung oder deren Spaltung in einen Nord-Euro und einen Süd-Euro könne die lahmende Wirtschaft des Kontinents wieder in Schwung gebracht werden, glaubt der frühere Chefbanker der Weltbank.

Als Negativbeispiel nannte Stiglitz Italien. „Wenn ich mich mit Italienern unterhalte, spüre ich, dass die Menschen dort zunehmend enttäuscht sind vom Euro.“ Auch Wissenschaftlern und führenden Politikern des Landes werde immer klarer, „dass Italien im Euro nicht funktioniert. Das ist für die Italiener emotional wirklich schwierig, und sie haben sich lange geweigert, diese Einsicht zu akzeptieren.“ (dpa)