Berlin. Nach dem Machtwort aus Düsseldorf ist die Zukunft der Handelskette Kaiser’s Tengelmann ungewiss. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Statt entspannt an den Sommerurlaub zu denken, müssen die mehr als 15.000 Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann mehr denn je um ihre Stellen bangen. Nach dem Stopp der Ministererlaubnis für die Übernahme durch Edeka durch das Oberlandesgericht Düsseldorf scheint die Zukunft des Traditionsunternehmens mit mehr als 440 Filialen ungewisser denn je.

Warum wollen die Eigentümer Kaiser’s Tengelmann unbedingt verkaufen?

Die Supermarktkette schreibt seit Jahren rote Zahlen. Insgesamt sollen sich die Verluste seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro summieren. Der Eigentümer – die Unternehmerfamilie Haub – will deshalb einen Schlussstrich ziehen und Kaiser’s Tengelmann komplett an Deutschlands größten Lebensmittelhändler Edeka abgeben. Doch ob es dazu kommt, scheint nach der Entscheidung der Düsseldorfer Richter zweifelhaft.

Wie entwickelt sich die Lage bei Kaiser’s Tengelmann?

Die Ungewissheit über die Zukunft bremst das Geschäft. „Wir schrumpfen. Wir verlieren Mitarbeiter jeden Tag. Wir verlieren Läden, weil die Mietverträge nicht verlängert werden können“, beschrieb Firmenchef Karl-Erivan Haub in der vergangenen Woche dem WDR die Lage. Die Folge: Die Umsätze sanken allein 2015 um mehr als 4 Prozent. Dadurch habe die Kette auch im vergangenen Jahr erneut „bittere Verluste“ eingefahren, sagte Haub.

Welche Möglichkeiten bleiben Edeka und Tengelmann jetzt noch?

Die Unternehmen können versuchen, vor dem Bundesgerichtshof die Eilentscheidung der Düsseldorfer Richter auszuhebeln. Doch werden die Aussichten eines solchen Schritts von dem Kartellrechtler Maxim Kleine von der Kanzlei Norton Rose Fulbright als gering eingeschätzt. Oder sie können mit dem Vollzug der Fusion einfach bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren warten.

Was spricht dagegen, das Verfahren einfach auszusitzen?

Vor allem die Dauer eines solchen Prozesses. Es kann Kartellrechtlern zufolge ein, zwei oder sogar drei Jahre dauern. Und Karl-Erivan Haub hat bereits deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, so lange zu warten. „Es kann keine unendliche Geschichte geben“, sagte er erst in der vergangenen Woche.

Was sind die Alternativen?

Neben Edeka haben in der Vergangenheit zahlreiche Konkurrenten wie Rewe, Coop oder die Schweizer Migros Interesse an Kaiser’s-Tengelmann-Filialen signalisiert. Klappt der Komplettverkauf an Edeka nicht, könnte die Kette deshalb zerschlagen werden. Rewe-Chef Alain Caparros bekräftigte erst am Dienstag im Gespräch mit der „Bild“, der Handelsriese sei „weiterhin bereit, Kaiser’s Tengelmann als Ganzes oder auch die Märkte einzelner Regionen zu übernehmen“.

Also eine Komplettübernahme durch Rewe statt durch Edeka?

Eher nicht. Das Bundeskartellamt hat bereits in der Vergangenheit signalisiert, dass es auch bei einem Komplettverkauf an Rewe Probleme sähe. „Rewe wird sicher nicht alles übernehmen können, aber vielleicht zwei Drittel der Geschäfte“, meint denn auch der Kartellrechtsexperte Kleine. Dies biete dem Konzern die Möglichkeit zu strategischem Wachstum insbesondere in den Regionen, wo er bislang nicht so stark sei.

Und der Rest der Filialen?

Etliche könnten von anderen Wettbewerbern – zum Teil auch von Edeka – übernommen werden, meint Kleine. Doch macht er auch keinen Hehl daraus, dass es bei einer solchen Einzelverwertung der Läden nicht nur Gewinner geben würde: „Am Ende werden sicher etliche Läden überbleiben, die keiner will.“ Tengelmann-Chef und Miteigentümer Haub hat einen solchen Schritt als letzte Möglichkeit nie ausgeschlossen. Er betonte zuletzt allerdings: „Ich glaube nicht, dass wir die Einzelverwertung noch selber machen würden. Das würde dann jemand anders tun.“

Und was wäre die Folge einer Zerschlagung für die Arbeitnehmer?

Viele müssten wohl um ihre Arbeitsplätze bangen. Haub warnte erst in der vergangenen Woche, eine Zerschlagung werde zu einer „massiven Arbeitsplatz-Belastung“ führen. In der Vergangenheit hatte er gesagt, bis zu 8000 der damals noch 16.000 Stellen im Unternehmen seien dann gefährdet. Besonders stark wäre wohl Nordrhein-Westfalen betroffen, wo nicht nur die Firmenzentrale liegt, sondern wo sich auch überdurchschnittlich viele Filialen ballen, die als unattraktiv und wenig wettbewerbsfähig gelten.

Was würde sich für die Verbraucher ändern?

Wohl eher wenig. Viele Filialen würden von Konkurrenten übernommen und unter neuem Namen weitergeführt. Und wo Geschäfte geschlossen würden, wäre der nächste Supermarkt in der Regel nicht weit. Preissteigerungen müssten die Verbraucher bei einer Zerschlagung von Tengelmann kaum fürchten, denn im Preiswettbewerb spielte das Unternehmen nach Ansicht von Experten seit Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle. Preisführer waren andere. (dpa)