Frankfurt/Main. Das Bundesverfassungsgericht stützt den Anti-Krisenkurs und das Anleiheprogramm der EZB. Allerdings verhängen die Richter Auflagen.

Der Anti-Krisenkurs der Europäischen Zentralbank (EZB) verstößt nicht gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Dienstag eine entsprechende Klage gegen einen zentralen Baustein der Euro-Rettung ab – setzte aber Grenzen. Die Richter billigten im Grundsatz, dass die EZB einzelne Euro-Staaten im Notfall durch Staatsanleihenkäufe in großem Stil stützt. Mit der Entscheidung darf sich die Bundesbank an solchen Maßnahmen beteiligen.

Wer hat geklagt und warum?

Geklagt hatten unter anderem der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die Linken-Bundestagsfraktion. Die Kläger waren der Überzeugung, die EZB überschreite ihr Mandat und finanziere Staaten über die Notenpresse. Damit greife sie in die Wirtschaftspolitik souveräner Staaten ein.

Was ist der Hintergrund?

Im Sommer 2012, zum Höhepunkt der Euro-Krise, hatte EZB-Präsident Mario Draghi versprochen, den Euro zu retten – „whatever it takes“, was auch immer dafür nötig ist. Die EZB legte deshalb im Herbst 2012 ein Kaufprogramm auf, um unter bestimmten Bedingungen notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenländern erwerben zu können. Umgesetzt wurde das OMT genannte Programm bisher nicht – Draghis Worte beruhigten die Märkte.

Warum entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Strategie einer europäischen Institution wie der EZB?

Das hat mit den Aufgaben der EZB und den Folgen ihrer Programme zu tun. So ist die Deutsche Bundesbank Teil des EZB-Systems mit entsprechenden Verpflichtungen. Möglicherweise führt das EZB-Programm zu sehr großen Verlusten bei der Bundesbank. In den vergangenen Jahren hat die Bundesbank regelmäßig Überschuss verzeichnet, der in den Bundeshaushalt floss. Fällt er aus, hat das Folgen für den deutschen Staatsetat und die Politik. Hier setzten die Kläger an. Denn die Aufgabe der EZB ist Preisstabilität, wofür sie Geldpolitik betreiben darf, also zum Beispiel Leitzinsen erhöhen oder senken. Wirtschaftspolitische Eingriffe sind ihr untersagt, das ist Sache der jeweiligen demokratisch gewählten Regierungen.

Was sagt der Europäische Gerichtshof?

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Frage vor zwei Jahren den Europäischen Gerichtshof EuGH eingeschaltet. Er entschied 2015, die EZB überschreite nicht ihr Mandat, sie dürfe zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen. Die Notenbank muss den Ankauf dabei gut begründen, er muss verhältnismäßig sein und keine wirtschaftspolitische Maßnahme.

Welche Auflagen hat das Bundesverfassungsgericht formuliert?

Die Karlsruher Richter verweisen zum einen auf die Auflagen des EuGH. Darüber hinaus seien Bundesregierung und Bundestag verpflichtet, ein solches EZB-Programm genau zu kontrollieren, ob daraus etwa „ein konkretes Risiko für den Bundeshaushalt“ erwachsen könnte. Zulässig wäre ein solches Programm nur, wenn unter anderem die Anleihekäufe nicht vorher angekündigt werden, das Volumen im Voraus begrenzt wird und zwischen Ausgabe einer Staatsanleihe und Aufkauf durch die EZB eine ausreichend lange Frist liegt.

Was bedeuten diese Auflagen?

Mit diesen Auflagen macht das Bundesverfassungsgericht sein Unbehagen an der Entscheidung des EuGH deutlich. Diese Zweifel haben auch Experten, etwa Clemens Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts. Für ihn ist es offensichtlich, dass das OMT-Anleihe-Programm in erster Linie das fiskalische Ziel verfolge, hoch verschuldeten Staaten den Zugang zu Krediten zu erhalten: „Die damit verbundenen Risiken tragen die deutschen Steuerzahler mit, ohne dass der Bundestag zugestimmt hat. Die Schranken für eine Beteiligung der Bundesbank durch die Bedingungen des EuGH fallen viel zu schwach aus und hätten vom Bundesverfassungsgericht geschärft werden müssen.“

Ist der Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts für die EZB bindend?

Es hat indirekte Auswirkungen: Wenn Bundesregierung oder Bundestag glauben, mit einem Anleihekaufprogramm überschreite die unabhängige EZB ihr geldpolitisches Mandat, könnte sie der Deutschen Bundesbank als Teil des EZB-Systems untersagen, daran teilzunehmen. „Die Europäische Zentralbank unterliegt wie jede europäische Institution Kompetenz beschränkenden Regeln, deren Einhaltung von Gerichten kontrolliert werden kann.“ Darauf verwies Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, ausdrücklich.

Ist die EZB in ihrer aktuellen Geldpolitik nun eingeschränkt?

Nicht wirklich. Denn mit dem aktuellen Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) soll nicht Krisenländern, sondern der Wirtschaft im Euro-Raum geholfen werden. Das Geld fließt in Anleihen aus dem gesamten Euro-Raum, nicht nur in Papiere einzelner Staaten. Und die Banken sollen es der Wirtschaft für Investitionen zur Verfügung stellen.

Gibt es weitere Klagen gegen die EZB?

Ja, auch gegen dieses QE-Programm liegen schon Verfassungsbeschwerden vor. Denn diese Programme könnten unkalkulierbare Risiken für die Bilanz der Bundesbank und damit am Ende den deutschen Steuerzahler in sich bergen, meinen die Kläger. Doch anders als bei der OMT-Klage ist dieses Programm tatsächlich in Kraft getreten.