Münster. Bei der Aufzucht von Legehennen in Brütereien dürfen Küken weiterhin getötet werden. Das hat ein Gericht in NRW am Freitag entschieden.

Aufatmen in der Geflügelwirtschaft, Enttäuschung bei Tierschützern: Männliche Eintagsküken dürfen nach wie vor getötet werden, wenn sie bei der Legehennen-Aufzucht ausgebrütet werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen in Münster am Freitag entschieden. Das massenhafte Töten dieser Küken verstoße nicht gegen das Tierschutzgesetz.

Eine Revision wurde nicht zugelassen. Damit hat die seit Jahrzehnten in der Geflügelwirtschaft übliche Praxis bis auf Weiteres Bestand. Bundesweit werden pro Jahr etwa 50 Millionen männliche „Eintagsküken“ getötet. Sie werden zumeist mit Kohlendioxid begast und ersticken. Das umstrittenen Kükenschreddern gebe es in den hiesigen Großbetrieben nicht mehr, heißt es in der Branche.

Kükentöten ist kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Wie das Gericht begründete, sei das Töten von Tieren in Deutschland dann erlaubt, wenn „ein vernünftiger Grund im Sinne des Gesetzes vorliege“. Dies sei in Bezug auf die Legehennen-Aufzucht gegeben, teilte das OVG in Münster mit: „Die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken aus einer Legehennenrasse sei für die Brütereien mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Würden diese Küken aufgezogen, seien sie von den Brütereien praktisch nicht zu vermarkten.“ Solche Küken zu töten, sei deshalb kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) hatte im September 2013 bundesweit für Aufsehen gesorgt, als er Behörden in den Kreisen Gütersloh und Paderborn aufgefordert hatte, das Töten männlicher Küken aus Legehennen-Linien zu untersagen. Vor dem OVG Münster hatte bereits unter anderem das Verwaltungsgericht Minden diese Verfügung wieder gestoppt.

Bisher keine praxistauglichen Alternativen zum Kükentöten

Nach wie vor gibt es zum Kükentöten keine praxistauglichen Alternativen, sagt Heinrich Bußmann, Geschäftsführer vom Geflügelwirtschaftsverband NRW. Die Universität Leipzig hatte 2013, gefördert vom Bund, ein Verfahren entwickelt, wonach sich das Geschlecht von Küken bereits nach drei Tagen im Ei bestimmen lässt. Dann könnten statt lebender Küken befruchtete Eier aussortiert werden. „Bisher aber schafft man nur zehn Bestimmungen am Tag“, sagt Heinrich Bußmann: „Tatsächlich aber wären 8000 solcher Tests täglich nötig“.

Um das Verfahren weiterzuentwickeln, hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) im vergangenen Jahr der Universität Leipzig weitere 1,7 Millionen Euro Fördergelder zur Verfügung gestellt. Im September 2015 gab Schmidt zudem das Ziel vor, „dass das Kükenschreddern 2017 aufhört“.

„Zweitnutzungsküken“ und „Bruderhahn“

Thomas Schröder, Präsident des DeutschenTierschutzbundes, forderte indes am Freitag NRW-Landwirtschaftsminister Remmel auf, weiter gegen den „Kükenmord“ zu kämpfen: „Grundursache für den Mord an männlichen Küken ist eine Zucht, die auf immer intensivere Nutzung ausgerichtet ist. Daher stellt sich die Systemfrage.“ Die Geschlechtserkennung im Ei bekämpfe nur ein Symptom und sei höchstens eine kurzfristige Lösung.

Geflügelzüchter bekräftigen, dass auch sie das Kükentöten leid seien: „Wir haben ein großes Interesse daran, dass das Problem gelöst wird“, sagt Heinrich Bußmann, vom NRW Geflügelwirtschaftsverband. Doch auch die Tierzucht biete bis dato keine tauglichen Alternativen. Sogenannte Zweinutzungsküken, bei denen männliche Küken nicht getötet sondern gemästet werden, seien wirtschaftlich für die Betriebe ein Verlustgeschäft, ergaben Berechnungen der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.

Am Leben gelassene und gemästete männliche Küken würden auch mit Hilfe von Gentechnik keine Eier legen. Und als Suppenhuhn oder Brathähnchen ließen sie sich bestenfalls im „Premium“-Segment als „Bruderhahn“ vermarkten - zu Preisen, die dann aber 70 Prozent über dem vergleichbarer Hähnchen lägen. Studien und Umfragen von Geflügelzüchtern hätten jedoch gezeigt, dass Verbraucher in Deutschland, selbst wenn sie vorher ihr Interesse am Küken-Schutz bekundet hätten, zur billigsten Ware griffen.

Dieser Text ist zuerst auf derwesten.de erschienen.