Frankfurt. Seit Jahren lässt EZB-Präsident Mario Draghis den Leitzins senken. Diese Politik wirkt sich auch auf die private Rentenvorsorge aus.

Wer im Alter nicht unter Armut leiden will oder nur seinen Lebensstandard einigermaßen aufrechterhalten, der muss zusätzlich privat vorsorgen. Dazu investieren viele Deutsche immer noch in eine Kapitallebensversicherung oder private Rentenversicherung. Doch denen fällt es immer schwerer, eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften. Lagen die Nettoverzinsung auf Kapitalanlagen 1985 noch bei 8,12 Prozent, ist sie bis 2015 auf 4,5 Prozent gesunken. Garantiert sind für 2016 nur noch 1,25 Prozent, für 2015 waren noch 1,75 Prozent zugesagt worden.

Zwar muss man bedenken, dass nach Abzug der Inflationsrate real doch noch etwas übrig bleibt. Doch die Versicherungswirtschaft schlägt Alarm: „Die aktuelle Geldpolitik der EZB zehrt an den Fundamenten, auf denen alle Sparer in Europa ihre Zukunft aufgebaut haben“, warnte kürzlich Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Versicherungen spüren das besonders stark, weil sie die Kundengelder immer noch zu 85 Prozent in festverzinslichen Papieren investiert haben.

Die aber bringen kaum noch Rendite: Am Montag sank die Umlaufrendite deutscher Bundesanleihen erstmals auf 0,0 Prozent. Die Anleihen anderer Staaten mögen etwas mehr abwerfen, aber da die Versicherer strengen Anlagevorschriften unterliegen, fällt es ihnen immer schwerer, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Die Sicherheit der Kapitalanlagen hat oberste Priorität, heißt es beim GDV: „Die Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass die Versicherungsleistungen jederzeit auch gezahlt werden können, vor allem im Bereich der Altersvorsorge.“ Diese Vorschriften sind im vergangenen Jahr jedoch schon etwas gelockert worden, so dürfen sie jetzt in potenziell ertragreichere Anlagen als bislang investieren, etwa in Infrastruktur oder erneuerbare Energien.

Versorgungswerke haben größeren Spielraum

Die Versorgungswerke für die selbstständigen Berufe kommen mit den niedrigen Zinsen noch besser klar. Sie können die Gelder ihrer Mitglieder nach etwas weniger strengen Regeln anlegen als die privaten Lebensversicherungen. Deshalb halten sie einen Anteil von 35 bis 40 Prozent an Realwerten wie Aktien, Immobilien, Beteiligungen oder Infrastrukturinvestitionen.

Ärzte, Apotheker, Architekten und einige andere Berufsstände zahlen nicht in eine gesetzliche Rentenversicherung, sondern in berufsständische Versorgungswerke ein. Die sind anders als die gesetzliche Rentenversicherung nicht umlagefinanziert, sondern sie beruhen auf Kapitalanlage. Rosig geht es den freien Berufen aber auch nicht: So musste das Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen seinen Rentnern eine Nullrunde bei den ausgezahlten Renten ankündigen. Die gesetzliche Rente steigt dagegen.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat EZB-Präsident Mario Draghi unterdessen gegen Kritik aus Deutschland in Schutz genommen. „Die Menschen sind nicht nur Sparer: Sie sind auch Arbeitnehmer, Steuerzahler und Schuldner, die von den aktuell niedrigen Zinsen profitieren“, sagte Weidmann der „Financial Times“.