DAX überspringt die Marke von 10.000 Punkten. Niedrige Zinsen und schwacher Euro dürften Kurse weiter stützen

Hamburg. Noch im Oktober sah es so aus, als hätte die deutsche Börse die besten Zeiten hinter sich. Es ging schnell abwärts mit den Kursen. Doch Gelegenheit, etwas günstiger in Aktien einzusteigen, gab es nur für wenige Tage. Denn seit Mitte Oktober hat der Deutsche Aktienindex (DAX), das wichtigste deutsche Kursbarometer, schon wieder rund 16 Prozent zugelegt, und am Dienstag übersprang der DAX zum ersten Mal seit Anfang Juli die Marke von 10.000 Punkten – wenn auch nur für kurze Zeit. Bei solchen Zahlen fragen sich vor allem Anleger, die die Aktie bisher links liegen lassen haben, ob sie nicht doch etwas verpasst haben. Seit September 2011 geht es mit dem DAX in der Tendenz nach oben. Anleger konnten seitdem 80 Prozent Rendite einfahren. Ist jetzt das Hoch erreicht, oder geht die Rallye weiter? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum hat sich der Aktienmarkt so schnell erholt?

Viele Konjunktursignale waren in den vergangenen Wochen deutlich besser als die Stimmung. Ob Konsumklima oder Ifo-Index, der die Geschäftserwartungen der Unternehmen bewertet, mit diesen Frühindikatoren geht es wieder aufwärts, und an der Börse wird vor allem die Zukunft gehandelt. „Der Ifo-Index ist im November deutlich gestiegen, nachdem er sechs Monate lang in Folge gefallen war“, sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse. Dadurch habe sich die Stimmung schnell gedreht. Die positiven Signale nehmen zu. Die Exportwirtschaft profitiert auch von der Abwertung des Euro im Vergleich zum US-Dollar. Produkte aus der Euro-Zone werden dadurch in anderen Regionen der Welt günstiger. Für den wichtigen Absatzmarkt USA sind die Vorzeichen besonders positiv: So erwartet die Deutsche Bank für die größte Volkswirtschaft der Welt im kommenden Jahr ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent.

Welche Rolle spielt das billige Geld der Notenbanken?

Die Geldflut gilt als einer der stärksten Kurstreiber der vergangenen Jahre. Nachdem die US-Notenbank Fed ihre Anleihenkäufe eingestellt hat und die Anleger auf die erste Leitzinserhöhung seit der Weltfinanzkrise vorbereitet, rückt die Europäische Zentralbank (EZB) stärker in den Fokus. „Sie will den Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen insbesondere dem Dollar schwächen und in der Euro-Zone wieder eine Inflationsrate von zwei Prozent erreichen“, sagt Intelmann. Dazu will sie ihre Bilanzsumme von zwei auf drei Billionen Euro ausweiten. Mit dem frisch gedruckten Geld kauft sie Pfandbriefe und verbriefte Kredite auf – und im nächsten Jahr wahrscheinlich auch Staatsanleihen. Die Banken werden von Altkrediten entlastet und sollen wieder mehr Kredite an Firmen und Verbraucher vergeben. „Größe, Tempo und Zusammensetzung“ von Wertpapierkäufen können angepasst werden, sagt EZB-Chef Mario Draghi.

Welche Vorteile bringt diese Strategie den Unternehmen?

Ob das den Firmen in Spanien, Italien oder Portugal wirklich hilft, ist umstritten, weil die Kreditvergabe noch immer stockt. „Die deutschen, exportorientierten Firmen profitieren aber von dem schwachen Euro, denn der fördert den Absatz ihrer Produkte außerhalb der Euro-Zone. „Die Unternehmensergebnisse werden besser ausfallen als noch vor einem halben Jahr erwartet“, sagt Intelmann. Die rohstoffabhängige deutsche Industrie profitiert auch vom niedrigen Ölpreis. Die Gewinne der DAX-Unternehmen dürften im kommenden Jahr um bis zu zehn Prozent steigen, erwartet Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank.

Welche Rolle spielen die niedrigen Zinsen?

Die Anlagezinsen sind inzwischen so niedrig, dass nach Abzug der Inflationsrate meist keine positive Rendite mehr übrig bleibt. Selbst negative Strafzinsen wollen die Banken nicht mehr ausschließen. Zehnjährige Bundesanleihen bringen noch eine Rendite von 0,7 Prozent. „Wenn die EZB Staatsanleihen aufkauft, kann das Zinsniveau noch weiter sinken“, sagt Intelmann. Mangels Anlagealternativen kann also das Interesse für Aktien im nächsten Jahr noch steigen. Auch die einstige Krisenwährung Gold enttäuscht Anleger schon seit Jahren.

Wie geht es weiter am Aktienmarkt?

Die Deutsche Bank ist sehr optimistisch. „Ziel ist die Marke von 11.500 Punkten zum Jahresende 2015“, sagt Ulrich Stephan. Die Haspa sieht das Börsenbarometer auch im fünfstelligen Bereich, „aber eher unterhalb der Erwartungen von der Deutschen Bank“, so Intelmann. „An der genauen Prognose arbeiten wir noch.“ Ohnehin rechnet der Experte zunächst mit einem Rückschlag, weil der Aktienmarkt in den jüngst sehr stark und sehr schnell gestiegen ist. „Wahrscheinlich ist diese Korrektur aber erst im ersten Quartal 2015.“ Zum Ende des Jahres 2014 rechnet er damit, dass der DAX knapp unter 10.000 Punkten schließen wird.

Welche norddeutschen Aktien sind noch aussichtsreich?

Viele Hamburger Aktien wie Fielmann oder Jungheinrich sind schon sehr gut gelaufen. „Etwas größeres Potenzial sehen wir noch beim Kesselwagenvermieter VTG“, sagt Ingo Schmidt von der Haspa. Das Unternehmen hat durch die Übernahme des Schweizer Konkurrenten AAE seine Flotte um 30.000 auf 80.000 Waggons ausgebaut. Von den DAX-Werten gehören Allianz, BASF und Münchener Rück zu den Empfehlungen der Haspa. Selbst wenn es keine großen Kursgewinne mehr gibt, liegt die Dividendenrendite der Werte zwischen drei und fünf Prozent. Auch Fielmann bleibt aus Sicht der Haspa ein solider, langfristiger Anlagewert. Aber Aktionäre sollten mit Rückschlägen rechnen.