Ver.di stellt die grundlose zeitliche Begrenzung von Jobs an den Pranger. Vor allem junge Frauen sind besonders stark betroffen

Hamburg. Vor allem für junge Arbeitnehmer ist es fast schon zur Normalität geworden: Bei Neueinstellungen erhalten 42 Prozent von ihnen nur einen befristeten Arbeitsvertrag – im Jahr 2001 waren es erst 32 Prozent. Besonders die jungen Frauen machen diese Erfahrung, bei ihnen liegt die Befristungsquote bei der Neueinstellung sogar bei 47 Prozent.

Planungsunsicherheit und Schwierigkeiten im Alltag seien die Folgen, sagt Berthold Bose, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Ein Beispiel dafür seien Probleme bei der Wohnungssuche: „Bei einem zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnis ist aus Sicht eines Vermieters keine sichere Einnahmequelle gegeben.“

Zwar hätten befristete Einstellungen als Ersatz bei Krankheitsfällen, als Schwangerschaftsvertretung oder auch als verlängerte Probezeit ihre Berechtigung, so Bose, dies gelte aber nicht für endlose „Kettenbefristungen“ über viele Jahre: „Befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund sind in der Regel eine Form prekärer Beschäftigung und gehören damit vom Tisch.“

In Hamburg arbeiten nach Erkenntnissen von Ver.di 75.000 abhängig Beschäftigte mit zeitlich begrenzten Verträgen, davon 35.000 grundlos. Mit einer Befristungsquote von knapp zehn Prozent liege Hamburg über dem Bundesschnitt, der knapp neun Prozent beträgt. Besonders stark sei der Dienstleistungssektor betroffen.

Unter den Betrieben mit auffallend hohen Anteilen grundloser Befristungen seien Bildungs- und Weiterbildungsträger wie die Grone Schule, patientenferne Bereiche an Krankenhäusern, der Hamburger Flughafen, die Post, aber auch städtische Unternehmen wie Bäderland. Nach Angaben von Katharina Ries-Heidtke, Konzernbetriebsratsvorsitzende von Asklepios, sind in den Service-Töchtern des Krankenhauskonzerns, die unter anderem für Transporte und für die Speiseversorgung verantwortlich sind, knapp ein Drittel aller Beschäftigten befristet angestellt. In Abteilungen mit besonders hoher Befristungsquote herrsche ein „Klima der Angst“. Die Mitarbeiter seien auch nicht bereit, für ihre Rechte einzutreten, weil sie befürchteten, dass ihr Vertrag dann nicht verlängert wird. Ein Asklepios-Sprecher äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu.

Bei der Otto-Logistiktochter Hermes Fulfillment in Bramfeld habe man keine guten Erfahrungen gemacht, sagt Betriebsratsmitglied Olaf Brendel. Vor einigen Jahren habe die Befristungsquote bei nahezu 50 Prozent gelegen, weil damals Zeitarbeiter übernommen wurden, so Brendel, bis heute sei die Quote auf weniger als zehn Prozent gesunken. „Befristete Verträge führen dazu, dass Mitarbeiter Krankheiten verschleppen, weil sie lieber krank zur Arbeit kommen, als die Vertragsverlängerung zu gefährden“, erklärt Brendel.

Weiterbildungsträger seien der Sektor mit der höchsten Befristungsquote von durchschnittlich 47 Prozent, sagt Peter Petersen, Betriebsrat bei der Grone Schule. „Kollegen, die schon seit sieben oder zehn Jahren mit zeitlich begrenzten Verträgen arbeiten, sind bei uns keine Seltenheit.“

Befristet Beschäftigte müssten sich überdurchschnittlich motiviert zeigen, sagt Bose zu den Gründen, warum Arbeitgeber auf diese Form der Arbeitsverträge setzen. „Außerdem verlagern die Unternehmen das Risiko vollständig auf die Mitarbeiter, sie können dann nach Belieben auf den Arbeitsmarkt zurückgeschickt werden.“

Ver.di will in den nächsten Monaten gegen die grundlose Befristung vorgehen. „In einer reichen Stadt wie Hamburg wirkt es beschämend, dass auch hier grundlosen Befristungen in den öffentlichen und privatwirtschaftlichen Betrieben Tür und Tor geöffnet wurden und die Arbeitgeber sich ihrer Verantwortung entledigen“, so der Landesbezirksleiter. „Es passt einfach nicht zum Bild des Ehrbaren Hamburger Kaufmanns, den Schwächsten in der Beschäftigungskette die Karotte für ein sicheres Arbeitsverhältnis vor die Nase zu halten, um sie dann doch sang- und klanglos vor die Tür zu setzen.“

Die Gewerkschaft will daher auf den Senat und die öffentlichen Betriebe einwirken, damit regionale Regelungen zur Eindämmung von Befristungen getroffen werden. Auch an die Handels- und die Handwerkskammer will sich Ver.di wenden. Positive Beispiele gebe es bereits: „In einigen Unternehmen wurden Betriebsvereinbarungen gegen sachgrundlose Befristungen abgeschlossen“, sagt Bose. Von September an seien auch öffentliche Aktionen in der Innenstadt vorgesehen.

„Ver.di versucht ein Problem zu lösen, das keines ist“, sagt dazu Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands UVNord. „75 Prozent der Menschen, die zwei Jahre lang sachgrundlos befristet beschäftigt waren, werden dann unbefristet übernommen.“