Anleger können darauf hoffen, zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen. Gekündigte Anteile sind Grund für Insolvenz der Firma

Hamburg. Der Windanlagenfinanzierer Prokon aus Itzehoe will seine finanziellen Reserven mobilisieren. Nachdem das Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt hat, kündigte der geschäftsführender Gesellschafter Carsten Rodbertus an, einzelne Windparks zu verkaufen. Mit einem erfolgreichen Verkauf will er nachweisen, dass es stille Reserven im Unternehmen gibt. Sie haben bei den hohen Zinszahlungen an die 75.000 Anleger bisher eine wichtige Rolle gespielt. Insgesamt haben die Anleger dem Unternehmen 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ein Teil der Anleger hat allerdings seine Anteile gekündigt. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin sieht noch Chancen für das Unternehmen, das Windräder errichtet und betreibt. Nach seinen Angaben ist unklar, ob tatsächlich ein Fall von Insolvenz vorliegt. Der Antrag sei aus Vorsichtsgründen gestellt worden. Gutachter sollen nun klären, ob die fälligen Genussrechte der Anleger als Forderung berücksichtigt werden müssen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was können die Anleger jetzt tun?

„Sie müssen erst einmal abwarten. An ihr Geld kommen sie jetzt ohnehin nicht“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Hamburger Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin muss sich zunächst einen Überblick über die Liquiditätslage und die Geschäftsbeziehungen verschaffen, dessen letzte testierte Bilanz aus dem Jahr 2011 stammt. „Das Wichtigste ist jetzt, dass ein Außenstehender die Firma durchleuchtet, denn das Kernproblem bei Prokon ist die mangelnde Transparenz, obwohl viele Zahlen veröffentlicht wurden“, sagt der Hamburger Verbraucheranwalt Achim Tiffe. Erfahrungsgemäß dauert eine solche Bestandsaufnahme mehrere Monate.

Sollten sich Anleger dennoch anwaltliche Hilfe holen?

Bei den Forderungen der Anleger in Höhe von 1,4 Milliarden Euro ist es nicht verwunderlich, dass viele Anwälte zu Rechtsberatungen raten. Denn es locken lukrative Mandate. So versprechen einige Juristen, ihre Mandanten aus der sogenannten Genussrechtsfalle zu befreien und so in eine bessere Position bei der Rangfolge der Gläubiger zu bringen. Ihre Forderungen sollen so vor den anderen Genussrechtsinhabern bedient werden. Mit Genussrechten ab 100 Euro haben die Anleger dem Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt. „Solche Verfahren sind mit Kosten verbunden“, warnt Klug. Außerdem sei nicht sicher, ob diese Strategie aufgehe und den Anlegern wirklich einen Vorteil bringe. Erst wenn die Lage bei Prokon klarer werde, könne es sinnvoll sein, sich Rechtsschritte zu überlegen.

Was sind Genussrechte?

Mit einem Genussrecht stellen Anleger einer Firma Kapital zur Verfügung, ohne an ihr beteiligt zu sein. Dafür erhalten sie eine Zinszahlung, die aber vom geschäftlichen Erfolg der Firma abhängig ist. „Genussrechte sind sehr risikoreich, da sie der Firma auch als Eigenkapital dienen können, räumen aber gleichzeitig dem Anleger nur wenige Rechte ein und werden auf einem weitgehend unregulierten Markt ausgegeben“, sagt Tiffe. Von einem Genussschein spricht man nur, wenn das Genussrecht über eine Börse handelbar ist. Bei Prokon wurde das meiste Kapital aber über Genussrechte eingeworben. Die Anleger haben dabei jene Papiere bevorzugt, die nach sechs Monaten schon wieder kündbar waren.

Haben die Anleger, die ihre Genussrechte bereits kündigten, einen Vorteil?

Nein. Auch sie bekommen ihr Geld nicht ausbezahlt. Eine Kündigung in den vergangenen Wochen hat somit nichts gebracht.

Warum ist Prokon insolvent?

Die Kombination aus kurzfristig kündbarer Anlage mit hoher Verzinsung von bis zu acht Prozent und langfristigen Investitionen in Windkraftanlagen konnte auf Dauer nicht aufgehen. „Diese Konstruktion ist ein Fehler“, sagt Tiffe. Das Unternehmen selbst hatte eingeräumt, dass seine Existenz gefährdet sei, sobald mehr als fünf Prozent des Genussrechtskapitals abgezogen würden. Bisher wurden 227 Millionen Euro an Genussrechtskapital gekündigt. Ausschließlich diese Tatsache sei derzeit das Problem, sagte Penzlin.

Ist das ganze Geld der Anleger verloren?

Davon ist nicht auszugehen. Denn Prokon besitzt über 300 Windräder, die Energie erzeugen und ist Eigentümer eines Biodieselerzeugers in Magdeburg. In einer noch nicht testierten Bilanz für 2012 weist die Prokon Regenerative Energien GmbH Sachanlagen einen Wert von 564 Millionen aus. Die Finanzanlagen, also Kredite und Beteiligungen an verbundenen Unternehmen, werden auf 455 Millionen Euro beziffert. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger geht davon aus, dass die Inhaber der Genussrechte zumindest einen Teil ihres Geldes zurückerhalten können.

Kannten die Anleger die Risiken?

Wer nicht nur die Werbeplakate gelesen hat, konnte wissen, dass er sich auf eine sehr riskante Anlage einlässt. Zwar hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Prospekt genehmigt. Aber schon auf der Titelseite des Verkaufsprospekts steht, dass sich die Behörde nicht um die Richtigkeit der Angaben gekümmert hat. Auf Seite neun wird an herausragender Stelle darauf hingewiesen, dass eine Beteiligung nicht nur zum Totalverlust, sondern bis zur Privatinsolvenz führen kann. Eine nachvollziehbare Rechnung, wie die acht Prozent Rendite erwirtschaftet werden sollen, gibt es im Prospekt nicht. Die Stiftung Warentest hat seit Jahren vor einer Anlage bei dem Windanlagenfinanzierer gewarnt.

Warum haben sich dennoch so viele Anleger beteiligt?

Die Anleger wurden mit hoher Sicherheit und hohen Zinsen gelockt. „Viele haben das als Sparbuch- und Festgeldersatz gesehen“, sagt Tiffe. Auch der Zweck der Anlage, die Förderung regenerativer Energien, habe eine große Anziehungskraft gehabt. Der Durchbruch für Prokon sei mit der Werbung im öffentlich-rechtlichen TV gekommen.

Wie kann die Politik Prokon helfen?

Eigentlich gar nicht, war der Tenor einer Debatte im schleswig-holsteinischen Landtag. Der Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) sagte, das Land werde sich für die 340 Beschäftigten von Prokon in Schleswig-Holstein einsetzen, aber die Möglichkeiten von Landesbürgschaften bestehe nicht. „Unser Interesse ist, dass die produzierenden Teile der Firma Prokon fortgeführt werden“, sagte Meyer. Die Bundesregierung will die Finanzaufsicht BaFin mit mehr Befugnissen ausstatten. „Wo es Verbrauchern schwerfällt, sich selbst zu schützen, müssen wir für mehr Transparenz sorgen“, sagte Verbraucherminister Heiko Maas. Auch ein Verbot von Genussrechten soll im Gespräch sein. Genussrechte und Nachrangdarlehen gehören zu den wenigen Finanzinstrumenten, die noch keiner strengen Regulierung durch Aufsichtsbehörden unterliegen.

Ist Prokon ein Einzelfall?

Mit Ökofirmen haben Anleger in jüngster Zeit viel Geld verloren. Nach einer Analyse der Rating-Agentur Scope platzten seit dem Jahr 2010 die Anleihen von 14 Mittelständlern. Drei Viertel davon kamen aus dem Bereich erneuerbare Energien. 200 Millionen Euro verloren die Anleger durch die Pleite von Solar Millennium. Kürzlich scheiterte Windreich. Das Unternehmen hatte sich mit Windparks übernommen.