Windanlagen-Finanzierer Prokon aus Itzehoe stellt Insolvenzantrag. 1,4 Milliarden Euro wurden eingesammelt

Hamburg. Mehr als die Hälfte der 75.000 Anleger hatten dem Windenergieunternehmen Prokon zugesichert, die Treue zu halten. Doch am Ende hat das nicht gereicht. Das Unternehmen aus Itzehoe stellte am Mittwoch beim Amtsgericht Itzehoe einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Geschicke der Firma werden künftig von dem Hamburger Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin gesteuert. Er kündigte an, mit dem Insolvenzverfahren den Erhalt des Unternehmensvermögens zu sichern. Wie viel Geld die Anleger verlieren, ist derzeit noch nicht absehbar.

Mit der Insolvenz zeichnet sich einer der größten Anlegerskandale in Deutschland ab. Es sind rund doppelt so viele Sparer betroffen wie 2008 beim Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, die in Deutschland Zertifikate verkauft hatte, die mit der Insolvenz wertlos wurden. Die insgesamt 75.000 Prokon-Anleger haben dem Unternehmen rund 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, mit dem Geld wurden Windräder errichtet. Gelockt wurden sie mit acht Prozent Zinsen. Insgesamt wurden bisher 330 Millionen Euro an die Anleger ausgezahlt. Doch immer wieder hatte es Berichte über wirtschaftliche Probleme des Unternehmens gegeben. Danach sollten die Einnahmen bei Weitem nicht ausreichen, um die Zinszahlungen zu decken. Prokon hatte argumentiert, die Anleger an stillen Reserven beteiligt zu haben.

Gleichzeitig hatte ein Teil der Anleger damit begonnen, Genussrechte zu kündigen. Mit diesen Papieren stellten die Anleger dem Unternehmen Kapital zur Verfügung und erhielten im Gegenzug Zinsen. Anders als bei einer Anleihe kann die Zinszahlung aber auch ausfallen oder das eingezahlte Kapital reduziert werden, wenn Prokon Verluste macht. Unternehmensgründer Carsten Rodbertus hatte den Anlegern in einem Schreiben mit einer Insolvenz gedroht, wenn mehr als fünf Prozent der Genussrechte gekündigt werden. Nach jüngsten Angaben des Unternehmens wurden Genussrechte im Umfang von insgesamt 109 Millionen Euro bisher gekündigt. Vor einigen Tagen hatte Prokon noch eingeräumt, dass es bereits rund 150 Millionen Euro gewesen seien.

Insolvenzverwalter Penzlin kündigte an, den Geschäftsbetrieb in vollem Umfang weiterzuführen. Die Löhne der rund 1300 Mitarbeiter sind bis April über das Insolvenzgeld gesichert. Dagegen können die Anleger, die ihre Einlage gekündigt haben, nicht damit rechnen, ihr Geld jetzt ausgezahlt zu bekommen. „Rückzahlungen von Genussrechtskapital oder Zinsen sind insolvenzbedingt derzeit nicht möglich“, sagt Penzlin. Auch sollten Anleger keine Zahlungen mehr auf die Prokon-Konten vornehmen. Wer bereits an dem Unternehmen beteiligt war, hatte bisher die Möglichkeit, seine Genussrechte noch aufzustocken, wovon einige Anleger auch Gebrauch gemacht haben.

In der gegenwärtigen Lage müssen Anleger nichts unternehmen. „Forderungen können erst angemeldet werden, falls das Insolvenzverfahren später eröffnet werden sollte“, sagt Penzlin. Zunächst muss Penzlin untersuchen, ob ein Insolvenzgrund wie Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung überhaupt vorliegt. Es ist also noch offen, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird. Denn in die Schieflage ist das Unternehmen offenbar nur geraten, weil die Anleger Kapital abziehen wollten und nicht weil Prokon seine Rechnungen und Gehälter nicht mehr bezahlen konnte, was ein üblicher Insolvenzgrund ist. Penzlin kündigte deshalb an, dass Rechtsgutachten wegen dieser besonderen Situation in Auftrag gegeben wurden.

Prokon gab sich trotz des Insolvenzantrags optimistisch. Er bedeute keineswegs das Aus für Prokon. Das Geschäftsmodell solle angepasst werden. „Wir sind nach wie vor operativ gut aufgestellt und sind zuversichtlich, dass wir die aktuellen Schwierigkeiten überstehen werden.“ Gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und im Dialog mit den Anlegern werde man „alles daransetzen, die Zukunftsfähigkeit von Prokon zu sichern“.

Rodbertus hatte Prokon 1995 gegründet. Das Unternehmen mit mehr als 1300 Mitarbeitern, davon 330 in Itzehoe, betreibt nach eigenen Angaben gut 50 Windparks mit 314 installierten Windkraftanlagen in Deutschland und Polen. Weitere seien im Bau. Zum Konzern gehört auch ein Biodiesel-Hersteller in Magdeburg. Zudem finanziert Prokon ein Sägewerk in Torgau, das Holzpaletten produziert.

Vor Gericht hatte Rodbertus am Mittwoch noch einen Sieg errungen. Das Landgericht Itzehoe schmetterte den Antrag der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Das umstrittene Schreiben des in Schieflage geratenen Windanlagen-Finanzierers Prokon war nach Ansicht des Landgerichts Itzehoe rechtlich nicht zu beanstanden. Die Verbraucherschützer hatten von Erpressung gesprochen.