Soll ich meine Genussrechte jetzt noch kündigen? Kann Prokon die hohen Zinsen für die Anleger erwirtschaften? Wie ist die schwierige Lage entstanden? Das Abendblatt klärt auf.

Hamburg . Sein Geld wird man in der Hamburger Prokon-Filiale nicht mehr los. „Wir geben im Moment keine Genussrechte mehr aus, weil wir eine kleine Krise haben“, sagt die Mitarbeiterin freundlich. Kommen Sie in einem Monat wieder, dann sei alles geklärt, fügt sie noch hinzu. Dass jemand jetzt nach den Schlagzeilen der vergangenen Tage noch Geld investieren will, kommt ihr nicht ungewöhnlich vor. Denn Einzahlwillige gibt es offenbar, wie das Unternehmen durch veröffentliche Mails ihrer Kunden deutlich macht. Die Mehrheit dürfte dagegen um ihr Geld bangen. Das Unternehmen hat Genussrechte, eine Art Darlehen, im Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro an 75.000 Anleger ausgegeben, die mit mindestens sechs Prozent verzinst werden. Jetzt steckt die Firma offenkundig in Schwierigkeiten. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie ist die Lage bei Prokon?

Die Anleger müssen offenbar weiterhin mit einer Insolvenz rechnen. Bisher wurden Genussrechte im Volumen von 187,7 Millionen Euro gekündigt. Das sind rund 13 Prozent des Genussrechtskapitals und damit mehr, als das Unternehmen möglicherweise verkraften kann. Denn es hatte in einem Schreiben an die Anleger selbst erklärt, eine Planinsolvenz lasse sich nur beim Erhalt von mindestens 95 Prozent des Genussrechtskapitals verhindern. Die Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte rechnet bei Prokon mit einem baldigen Insolvenzantrag.

Wie reagieren die Inhaber von Genussrechten?

Bei der Verbraucherzentrale Hamburg stehen die Telefone nicht still. „Der Andrang der Ratsuchenden ist enorm“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Verbraucherschützer hatten wie auch die Stiftung Warentest seit Längerem vor den Genussrechten gewarnt. „Während viele bisher von der Anlage angetan waren, haben sie jetzt nur noch Angst um ihr Geld“, sagt Klug. Manche haben bis zu 500.000 Euro in das Unternehmen investiert, ihre ganze Altersvorsorge. Es hat für die Windkraftanlagen kaum Bankkredite aufgenommen, sondern sich fast ausschließlich bei Sparern bedient. Von deren Vertrauen hängt die Zukunft des Unternehmens ab. Doch zum großen Teil wurden offenbar Genussrechte vom Typ A ausgegeben, die nach sechs Monaten schon wieder gekündigt werden können.

Soll ich meine Genussrechte jetzt noch kündigen?

Zu einem solchen klaren Rat wollen sich die Verbraucherschützer nicht durchringen. Denn wenn der größte Teil der Anleger auf der Rückzahlung beharrt, ist Prokon innerhalb kürzester Zeit zahlungsunfähig. Das Geld der Anleger steckt in den Windkraftanlagen. „Andererseits ist aber auch nicht klar, ob durch das weitere Engagement der Anleger die Probleme des Unternehmens gelöst werden können“, sagt Klug. Die Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte rät von einer Kündigung ab. Dieser Schritt laufe aller Voraussicht jetzt ins Leere. Prokon selbst verweist darauf, dass in einem möglichen Insolvenzverfahren gekündigte und nicht gekündigte Genussrechte gleichrangig behandelt werden. Wer also jetzt nicht kündigt, hat im Fall einer Insolvenz keine Nachteile gegenüber den Anlegern, die kurz vorher noch ausgestiegen sind.

Wie ist Prokon in die schwierige Lage gekommen?

„Ein Problem ist die langfristige Finanzierung von Windrädern in Verbindung mit den Genussrechten, die schon nach sechs Monaten wieder gekündigt werden können“, sagt der Hamburger Anwalt Achim Tiffe. „In Krisensituationen kann es dann für das Unternehmen eng werden, wenn alle gleichzeitig aussteigen wollen.“ Das hätte das Unternehmen wissen müssen. Nach Ende Dezember veröffentlichten Jahresabschlüssen nahm die Unruhe unter den Anlegern zu, denn danach wurden zum Stichtag 31. Oktober 2013 hohe Verluste angehäuft, und das Stammkapital war aufgezehrt. Nach Einschätzung der Stiftung Warentest sehen die Genussrechtsbedingungen vor, dass das Genussrechtskapital an weiteren Fehlbeträgen beteiligt wird. Das würde bedeuten, dass die Anleger weniger zurückbekommen, als sie eingezahlt haben. Prokon bestreitet das und macht eine Kampagne in den Medien für die schwierige Lage des Unternehmens verantwortlich.

Kann Prokon die hohen Zinsen für die Anleger erwirtschaften?

Bis auf eine Ausnahme im Jahr 2006 gab es wohl bisher keine Probleme mit den Zinszahlungen, die bis zu acht Prozent betragen. Allerdings haben die Ergebnisse über mehrere Jahre nicht ausgereicht, um die Zinszahlungen an die Anleger abzudecken. Das wird auch mit der Konzernzwischenbilanz zum 31.10.2013 deutlich. Sie zeigt einen Verlust von 209,9 Millionen Euro. An die Anleger wurden 330,4 Millionen Euro ausgeschüttet. Prokon begründet das mit einer fairen Beteiligung an den stillen Reserven. Die Zinsen werden also schon auf zukünftige Erträge heutiger Investitionen gezahlt. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich der Umsatz bis zum Jahr 2017 fast verdoppeln wird, und sieht keine Probleme, die langfristigen Verpflichtungen zu erfüllen, wenn die Anleger die Treue halten.

Warum haben sich so viele beteiligt?

„Der Werbung des Unternehmens konnte man nicht entkommen“, sagt Tiffe. Hohe Zinsen und eine Anlage mit gutem Gewissen hätten überzeugt. „Die Tücken der Genussrechte und das riskante Geschäftsmodell waren vielen nicht bewusst“, sagt er. Nach seiner Einschätzung hat es viele konservative Kleinanleger getroffen.