Supermarktkette will Discount-Marktführer mit Billigmarke unterbieten. Abstriche gibt es aber bei der Qualität

Düsseldorf/Hamburg. Seit Jahren gilt es als ein ehernes Gesetz im deutschen Einzelhandel: Discount-Marktführer Aldi setzt die Preisuntergrenze bei Lebensmitteln des täglichen Bedarfs. Doch jetzt will die zum Metro-Konzern gehörende SB-Marktkette Real das nicht länger akzeptieren. Sie startet eine neue Billigmarke, die Aldi, Lidl und Co. preislich unterbieten soll – wobei der Kunde allerdings auch deutliche Abstriche bei der Qualität hinnehmen muss.

„Es ist durchaus möglich, dass Real damit einen Preiskrieg in Deutschland auslöst, wie wir ihn seit Jahren nicht mehr gesehen haben“, sagt Handelsexperte Matthias Queck vom Beratungsunternehmen Planet Retail.

Die „Preisbrecher“ stehen zurzeit gut sichtbar platziert an prominenten Stellen in den mehr als 300 Real-Supermärkten in Deutschland – auch in den vier Filialen, die die Kette in Hamburg betreibt. Dabei handelt es sich insgesamt um knapp 20 Artikel: Fruchtsäfte, Nudeln, Toilettenpapier und Wurst, aber auch Socken und Glühbirnen. Knallgelb verpackt tragen sie statt eines Markennamens nur die Produktbezeichnung. Real wirbt dafür mit dem Slogan „Ohne Schnickschnack. Ohne teuer“.

„Die Discounter haben ihre Qualität immer weiter nach oben geschraubt, sodass darunter wieder Raum ist“, begründete Real-Chef Didier Fleury nach Angaben des Fachblattes „Lebensmittel Zeitung“ die Preisoffensive. Eine Studie der Marktforschungsgesellschaft GfK hatte erst jüngst ergeben, dass die Preise in den deutschen Billigketten in diesem Jahr deutlich stärker gestiegen sind als in den klassischen Supermärkten mit ihrem größeren Sortiment. Eine Entwicklung, die auch mit immer mehr Luxus- oder Bioartikeln bei den Discountern zu tun hat.

Die so entstehende Marktlücke im untersten Preissegment will Real jetzt besetzen. Kargheit und Abstriche bei der Qualität sind dabei Programm. Ein No-Name-Multivitamin-Fruchtsaftgetränk kostet in der 1,5 Liter-Packung bei Real nur 0,79 Euro, hat aber auch nur einen Fruchtgehalt von zwölf Prozent. Sogar auf die selbst im Billigsegment mittlerweile üblichen Kunststoffverschlüsse wird zugunsten eines einfachen Tetra-Packs verzichtet. Zum Vergleich: Aldi kassiert für einen Liter Multivitaminsaft 0,95 Euro. Dafür bekommt der Kunde aber auch hundert Prozent Fruchtsaft. Real bietet zweilagiges Toilettenpapier (achtmal 250 Blatt) für 1,88 Euro, während Aldi dreilagiges (achtmal 200 Blatt) für 1,95 Euro verkauft.

Bislang orientieren sich Supermarktketten mit ihren günstigen Eigenmarken zwar sehr wohl an den Preisen der Discounter, unterbieten diese in der Regel aber nicht. Dies gilt für Marken wie Gut & Günstig von Edeka ebenso wie für Ja! von Rewe oder auch die alte Billigmarke von Real namens Tip, die neben den neuen Produkten auch weiterhin im Sortiment bleiben soll.

Dass es einen zusätzlichen Markt für superbillige Produkte noch unter der bisherigen Preiseinstiegsschwelle gibt, davon ist Handelsexperte Queck überzeugt. „Es gibt Haushalte in Deutschland, für die selbst der Einkauf im Discounter eine finanzielle Herausforderung darstellt. Es gibt eine Klientel, die noch billiger einkaufen muss“, sagt er.

Doch sieht er in dem Vorstoß von Real auch ein Wagnis. Aldi, Kaufland und Co. ließen sich garantiert nicht auf der Nase herumtanzen. „Wenn das ein Erfolg wird, muss Real mit scharfen Reaktionen rechnen“, gibt der Branchenkenner zu bedenken.

Queck verweist darauf, das Aldi in anderen Ländern – etwa in Großbritannien – auch Waren im Programm habe, die preislich wie qualitativ unterhalb der in Deutschland angebotenen Produkte lägen, weil der Wettbewerb das Unternehmen dazu gezwungen habe. Bisher reagieren Aldi und Lidl allerdings zurückhaltend, vielleicht auch weil Real kein wirklich großer Spieler auf dem deutschen Lebensmittelmarkt ist. „Wir beobachten natürlich den Markt und nehmen die Veränderungen wahr. Letztlich liegt jedoch die Kaufentscheidung beim Kunden“, heißt es bei Lidl. Aldi will zu Planungen generell keine Auskunft geben.

Doch die Ruhe könnte trügen. Denn Real hat mit der neuen Produktlinie noch einiges vor. Unternehmenssprecher Markus Jablonski kündigt an: „Das können am Ende 200 Produkte werden oder 2000. Darüber entscheiden letztlich unsere Kunden. Auf jeden Fall soll es nicht bei den knapp 20 Produkten bleiben, die derzeit im Angebot sind.“