Hamburger Spitzenbanker diskutieren beim Abendblatt über die Zukunft der Filialen, den Markt für Häuser und Wohnungen sowie die richtige Geldanlage.

Auf Einladung des Abendblatts trafen sich Repräsentanten der Hamburger Banken, um über wichtige Themen der Branche und über ihre Kunden zu diskutieren. Den ersten Teil des Gesprächs, in dem es unter anderem um die Euro-Krise ging, konnten Sie am Sonnabend auf der Themenseite lesen.

Hamburger Abendblatt: Immer mehr Kunden wickeln einfache Bankgeschäfte über das Internet ab, gehen nicht mehr für Überweisungen in Filialen. Welche Auswirkungen hat dieses Verhalten auf die Branche in den nächsten Jahren?

Reiner Brüggestrat: Die Art, wie wir in den Filialen arbeiten, hat sich schon gewandelt. Das wird in den nächsten fünf Jahren noch deutlicher werden. Das ist auch nicht erstaunlich: 30 bis 40 Prozent unserer Kunden haben ein Smartphone und wollen darüber Bankgeschäfte abwickeln. Schon heute hat sich in den Filialen der Anteil der Flächen, die für einfache Dienstleistungen wie etwa die Annahme von Überweisungsträgern vorgesehen sind, verringert. Der Charakter der Filialen ändert sich. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass die persönliche Beratung wichtig bleibt. In diesem Zusammenhang nehmen auch die Anforderungen an die Diskretion zu.

Harald Vogelsang: Die Finanzmarktkrise, die uns heute noch beschäftigt, ist eine vorübergehende Erscheinung, aber die Auswirkungen der digitalen Revolution werden uns erhalten bleiben. Wegen der zunehmenden Bedeutung des Onlinebankings werden wir in den Filialen künftig weniger Automaten wie etwa Kontoauszugdrucker brauchen. Wir sehen aber einen Trend, räumlich immer näher an die Kunden heranzurücken. Die Haspa ist mit kleineren Filialen unter anderem schon im Flughafen, im Universitätskrankenhaus Eppendorf und bei Airbus auf Finkenwerder vertreten. Die persönliche Beratung in einem ausführlichen Gespräch bleibt das Wichtigste in unserer Beziehung zum Kunden.

Christian Olearius: Auch wir bieten Onlinebanking an, die Korrespondenz und den Zahlungsverkehr kann man per Internet einreichen. Bei größeren Beträgen dürfen wir aber das damit verbundene Sicherheitsrisiko nicht verkennen. Generell meine ich, dass es in der Branche eine Spaltung geben wird: Die Direktbanken beherrschen das Geschäft mit stark standardisierten, simplen Produkten, bei denen schnelle Vertragsabschlüsse möglich sind. Die anderen Banken werden sich immer mehr auf beratungsintensive Dienstleistungen konzentrieren.

Dürfen wir Ihnen eine Wette anbieten? Wir wetten, dass innerhalb der nächsten sieben Jahre die Zahl der Bankfilialen in Hamburg um mehr als die Hälfte abnimmt.

Brüggestrat: Ich halte dagegen. Wir haben heute 43 Filialen. Auch in sieben Jahren werden es auf jeden Fall noch mehr als 22 sein.

Vogelsang: Ich bin überzeugt davon, dass die Anzahl der Filialen der Haspa in diesem Zeitraum nicht um die Hälfte sinken wird.

Adelheid Sailer-Schuster: Wir sehen, dass sich das Verhalten der Kunden verändert – und das ist sicher auch eine Generationsfrage. Ich habe zwei erwachsene Töchter, die ihre Bankgeschäfte ausschließlich im Internet betreiben. Eine Bankfiliale nutzen sie hauptsächlich, um sich bezüglich eines Immobilienkredits beraten zu lassen.

Womit wir beim nächsten Thema wären: Ist es angesichts der sehr stark gestiegenen Preise noch ratsam, eine Wohnung oder ein Haus in Hamburg zu kaufen?

Vogelsang: Offensichtlich sind sehr viele Menschen der Auffassung, dass dies für sie auch weiter sinnvoll ist: Weit über 50 Prozent unserer Kredite stehen in Zusammenhang mit Immobiliengeschäften, dieser Anteil ist in den letzten Jahren noch gewachsen. Solange es sich um Objekte in ordentlichen Lagen handelt, wird der Kauf einer Immobilie in unserer wachsenden Stadt keine falsche Entscheidung sein. Das gilt erst recht bei selbst genutzten Immobilien. Wir beobachten außerdem, dass Privatkunden ihr Objekt häufig mit einem hohen Eigenkapitalanteil von mehr als 30 Prozent finanzieren. Und für professionelle Projektentwickler ist das Geschäft aktuell so risikoarm wie noch nie zuvor, weil in der Regel bei Baubeginn die Vorvermarktungsquote schon bei 50 Prozent liegt.

Brüggestrat: Gar nicht selten kommen junge Familien zu uns, die ein Reihenhaus für 650.000 Euro in einer angesagten Gegend erwerben wollen – und die Eltern der Käufer bürgen für einen erheblichen Teil des Preises. Unsere Berater müssen heute aber intensiver auf die finanziellen Risiken aufgrund der derzeit sehr hohen Immobilienpreise hinweisen.

Constantin von Oesterreich: Pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten. Die entscheidenden Faktoren sind immer Lage, Preis, Zustand des Objekts und die individuellen Finanzierungsmöglichkeiten. Manche Menschen machen sich Illusionen, wenn es um die Sicherheit von Immobilieninvestitionen geht. Selbst bei Immobilien kann es – auch wenn es derzeit vor allem in Hamburg dafür keine Anzeichen gibt – natürlich zu Preisrückschlägen kommen. Wer eine Immobilie kauft, um darin selbst zu leben, für den spielen Renditeziele im Übrigen meist eine untergeordnete Rolle.

Wie sollte man vor dem Hintergrund der Ungewissheit über die Entwicklung in der Schuldenkrise sein Geld anlegen?

Vogelsang: Gerade in dieser Situation gilt die alte Regel: Nicht alle Eier in einen Korb legen. Eine vernünftige Streuung ist wichtig. Wenn es die finanzielle Situation zulässt, sollten nach Möglichkeit auch Aktien und eine Immobilie dabei sein.

von Oesterreich: Langzeituntersuchungen belegen, dass die Aktie historisch betrachtet die höchste Rendite bringt. Man braucht dafür aber auch einen langen Atem und gute Nerven.

Friedhelm Steinberg: Der „normale“ Privatanleger sollte aber eher auf Investmentfonds zurückgreifen. Die richtige Auswahl von Einzeltiteln und das ständige Verfolgen der Unternehmensentwicklung übersteigen doch die Möglichkeiten vieler Aktionäre. Mit Standardwerten wie Siemens oder BASF allerdings kann man langfristig nicht allzu viel falsch machen.

Ist es nicht erstaunlich, dass der Deutsche Aktienindex (DAX) trotz der Risiken aus der Schuldenkrise erst im Frühjahr mit mehr als 8500 Punkten einen neuen historischen Höchststand erreicht hat? Und wie sieht Ihre DAX-Prognose für das Jahresende 2014 aus?

Steinberg: Die Aktienkurse haben sich auch deshalb so gut entwickelt, weil es einen Anlagenotstand gibt: Die Notenbanken versorgen die Märkte reichlich mit Geld, aber mit sicheren, festverzinslichen Anleihen kann man nicht mehr viel Rendite erzielen. Ich denke, dass es an der Aktienbörse mangels attraktiver Anlagealternativen noch weiter aufwärts geht. Die Frage ist nur, wann womöglich negative Nachrichten zur Schuldenkrise oder zu weltpolitischen Ereignissen kommen, die zu einem Kursrückschlag führen. Wenn man sich ansieht, wie gut die meisten DAX-Konzerne dastehen, sollten deren Aktienkurse aber recht gut nach unten abgesichert sein.

Brüggestrat: Ich bin mir da nicht so sicher und schätze die Rückschlagsgefahr als eher hoch ein. Meine Prognose zum Jahresende 2014 lautet daher: 7500 Punkte.

Vogelsang: Es ist wahrscheinlicher, dass der DAX Ende 2014 bei knapp unterhalb von 10.000 Punkten steht, als dass er in Richtung 5000 Punkte fällt. Denn ich gehe davon aus, dass sich der Wohlstand auf der Welt weiter ausbreitet, wovon deutsche Unternehmen profitieren. Ich bin aber immer wieder erstaunt, welche Anlageprodukte man sich in manchen Banken sonst noch ausdenkt, um vermögende Kunden anzulocken: Weinfonds, Oldtimerfonds, Kunstfonds. Ein normaler Aktienfonds dürfte wesentlich sicherer sein. Es lässt sich aber nicht übersehen, dass breite Anlegerkreise an den Kursgewinnen an der Aktienbörse gar nicht teilhaben. Dabei sind Aktien als Beimischung eine gute Wahl. Wer vor drei Jahren hier investiert hat, kann sich heute nur freuen. Ganz allgemein macht sich nach unserer Beobachtung aber die Haltung breit: Ich konsumiere wegen der Unsicherheit lieber, als zu sparen. Das ist eine ungesunde Entwicklung für die Volkswirtschaft: Wenn die Sparquote sinkt, kann auf Dauer auch weniger investiert werden.

Müssen wir in den nächsten Jahren mit steigenden Inflationsraten rechnen? Zuletzt sind die Verbraucherpreise ja nur sehr mäßig um weniger als zwei Prozent gestiegen.

Vogelsang: Ich glaube, dass wir eine inflationäre Entwicklung bekommen werden. Wir sehen in Deutschland in den Tarifverhandlungen immer deutlicher Tendenzen, von der lange geübten Lohnzurückhaltung abzurücken.

Olearius: Wir können in der eigenen Branche beobachten, dass unsere Kosten gestiegen sind und wir diesen Effekt eigentlich an die Kunden weitergeben müssten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das geschieht, sobald der Wettbewerb es zulässt.

Die Stiftung Warentest hat gerade wieder die hohen Dispozinsen kritisiert. Sie lägen in Deutschland im Schnitt bei 11,3 Prozent, obwohl sich die Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld zu einem historisch niedrigen Zinssatz von 0,5 Prozent leihen könnten. Wie stehen Sie dazu?

Brüggestrat: Wir haben in dieser Beziehung in Deutschland eine gewisse Vertrauenskultur entwickelt, indem wir den Kunden die Möglichkeit einräumen, ihr Konto um das zwei- bis dreifache eines Monatsgehalts zu überziehen. In den meisten anderen Ländern lassen die Banken das gar nicht zu. Da müsste man eine Kreditkarte nutzen.

Vogelsang: Es ist nicht sachgerecht, den Dispozins einfach dem EZB-Leitzins gegenüberzustellen. Wir müssen einen erheblichen Betrag für mögliche Überziehungen ständig in unserer Liquiditätsplanung vorhalten. Das kostet Geld. Vor allem aber haben wir beim Dispokredit keine Sicherheiten, dafür aber hohe Ausfallraten. Und wenn unsere Kunden längere Zeit das Konto überziehen, sprechen unsere Berater sie an, ob sie nicht lieber einen wesentlich günstigeren Ratenkredit nutzen wollen.