Der größte Konkurrenzhafen will in der deutschen Verkehrspolitik stärker mitmischen und fordert eine bessere Anbindung ans Ruhrgebiet

Hamburg. Einen eher ungewöhnlichen Beitrag zum deutschen Bundestagswahlkampf leistet gerade der größte europäische Seehafen Rotterdam. In einem mehrseitigen Positionspapier nahm das privatwirtschaftliche Hafen-Betreiberunternehmen Port of Rotterdam Stellung zur deutschen Verkehrspolitik – und schickte gleich einige Kernforderungen mit.

„Der Hafenbetrieb Rotterdam hält es für zielführend und konsequent, die Häfen Zeebrugge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam bei der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans und der Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts stärker zu berücksichtigen als bislang“, heißt es in dem Papier. Ausdrücklich unterstützt Rotterdam unter anderem die Forderungen deutscher Logistikverbände, die Mittel des Bundesverkehrsministeriums für die Verkehrswege des Bunds von derzeit rund zehn Milliarden Euro im Jahr auf jährlich 14 Milliarden zu erhöhen.

Mit einem Güterumschlag von 442 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr ist Rotterdam der mit Abstand größte Hafen in Europa. Hamburg folgt nach Antwerpen auf Rang drei, mit einem Umschlag von rund 131 Millionen Tonnen im Jahr 2012. Konkurrenten sind Rotterdam und Hamburg vor allem beim Containerumschlag. Der niederländische Hafen hat in den vergangenen Jahren seine seeseitigen Kapazitäten massiv ausgebaut. 2014 sollen auf dem Hafenerweiterungsgebiet Maasvlakte 2 die beiden modernsten Containerterminals der Welt in Betrieb gehen. Hamburg wiederum verfügt über die besten Bahnanbindungen aus dem Hafen nach Zentral- und Osteuropa. Vor allem die Blockade der Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig schwächt allerdings die Hansestadt derzeit. Die Hafenwirtschaft und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wollen die Elbfahrrinne stellenweise vertiefen und verbreitern, um Hamburg für Großschiffe erreichbar zu halten.

Pikant ist der Vorstoß aus Rotterdam auch deshalb, weil sich nicht einmal die großen deutschen Nordseehäfen Hamburg, Bremerhaven und der neue JadeWeserPort in Wilhelmshaven in den vergangenen Jahren auf eine Kooperation oder eine Bündelung ihrer Stärken verständigen konnten. Nun drängen, mit wachsendem wirtschaftlichen Gewicht, auch noch die Niederländer verstärkt in die deutsche Diskussion hinein. Neben Hamburg ist Rotterdam der wichtigste Hafen für die deutsche Wirtschaft.

Bis zum Jahr 2030 rechnet der Hafenbetrieb an der Maas mit einem möglichen Umschlag von jährlich 750 Millionen Tonnen. Entscheidend für ein solches Wachstum ist aus Sicht der Niederländer allerdings eine gesunde deutsche Wirtschaft und eine moderne Infrastruktur hierzulande. Die deutschen Fernstraßen, Brücken, Schleusen und Binnenwasserwege aber sind vielerorts marode.

Im direkten Wettbewerb stehen Hamburg und Rotterdam bei den Container-Transitverkehren aus Fernost in die Ostseeregion und in die umgekehrte Richtung. Argwöhnisch beobachtet die Hamburger Hafenwirtschaft obendrein, ob die Niederländer und Belgier mit ihren sogenannten Westhäfen (vor allem Rotterdam und Antwerpen) ihr Einflussgebiet auch auf dem Landweg in Richtung Zentral- und Osteuropa ausbauen. Bislang bedient Rotterdam vor allem die Industriezentren entlang des Rheins in West- und Südwestdeutschland. Enger Kooperationspartner ist dabei Duisport, das Betreiberunternehmen des größten europäischen Binnenhafens Duisburg. Sowohl Rotterdam als auch Duisburg werden Ambitionen nachgesagt, beim geplanten Ausbau der europäischen Bahnverbindungen – der transeuropäischen Korridore – auch einen verbesserten Zugang in Richtung Osten zu bekommen. So würde die „Rheinschiene“ Hamburgs Hafen auch auf dem Landweg verschärfte Konkurrenz bringen.

In dem Positionspapier mahnt Rotterdam unter anderem einen schnellen Ausbau der Betuwelinie an, einer Bahnverbindung von den Niederlanden ins Ruhrgebiet. Auf niederländischer Seite wird die Linie ausschließlich für den Güterverkehr genutzt, in Deutschland sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr. Auf deutscher Seite soll ein drittes Gleis gebaut werden. Allerdings gibt es für die nötigen Arbeiten bislang kein Baurecht. Die Realisierung der Schienenstrecke kann sich deshalb noch um bis zu zehn Jahre hinziehen. „Ohne den Ausbau drohen dort von 2015 an Kapazitätsengpässe“, schreibt Port of Rotterdam. „Der Hafenbetrieb Rotterdam ist der starken Auffassung, dass wir uns bei der Realisierung des dritten Gleises keinen weiteren Zeitverlust mehr leisten sollten.“

Die Hamburger Wirtschaftsbehörde reagierte auf Anfrage auf das Papier aus den Niederlanden: „Rotterdam spricht auf ein verkehrspolitisches Thema an – nämlich die Anbindung der Westhäfen an die logistischen und industriellen Zentren in Westdeutschland –, das im Rahmen des Nationalen Hafenkonzepts längst diskutiert wird“, sagte Behördensprecherin Susanne Meinecke. Es obliege der Bundesregierung, bei der Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans zu bewerten, welche Hinterlandanbindungen volkswirtschaftlich den größeren Nutzen bringen. „Nach Aussage der jüngst vorgestellten Seeverkehrsprognose entwickelt sich das deutschlandrelevante Umschlagsvolumen in den Westhäfen weniger dynamisch als das Umschlagsvolumen in den deutschen Nordseehäfen. Das gilt es zu berücksichtigen.“