Die “Marco Polo“ ist der größte Containerfrachter der Welt. Ihr Anlauf in der Hansestadt liefert der Hafenwirtschaft Anlass, für den Elb-Ausbau zu werben.

Draußen vor der Barkasse ist nur Blau zu sehen, zwischendurch erscheinen weiße Flecken. Fast eine halbe Minute lang geht das bei der Vorbeifahrt am Rumpf so, dann kommt ein mächtiger stählerner Bugwulst in den Blick und dahinter das Containerterminal Burchardkai der HHLA. "Im Grunde ist die ,Marco Polo' für uns ein ganz normales Containerschiff im Asienverkehr", sagt Stefan Behn, Vorstand der HHLA, der auf der Barkasse vor einem ausgedruckten Ladeplan des Frachters steht. Aber die "Marco Polo" ist kein normales Schiff, sondern der größte Containerfrachter der Welt. Sieben Containerbrücken zugleich arbeiten sich durch die Stapel auf und unter Deck. Das funktioniert nur deshalb, weil der blaue Rumpf mit dem weißen Schriftzug der französischen Reederei CMA CGM 396 Meter Länge und fast 54 Meter Breite misst.

Natürlich weiß auch Behn, dass die "Marco Polo" nicht normal ist. Und kaum jemand kann das so gut erklären wie der Manager, der beim größten Hamburger Hafenunternehmen für das Containergeschäft zuständig ist. "Die letzte Zeit in der Ära der Stückgutfrachter habe ich noch miterlebt", erzählt Behn, während die Barkasse im Waltershofer Hafenbecken auf das gewaltige Heck der Marco Polo zufährt. "Die ,Cap San Diego' hat bei einem Anlauf in Hamburg innerhalb von fünf Tagen insgesamt 5000 Tonnen gelöscht und geladen. 1000 Tonnen am Tag, sagte man damals zu Beginn der 1980er-Jahre, seien ein guter Schnitt. An der ,Marco Polo' werden innerhalb von 36 Stunden 30.000 Tonnen Ladung bewegt." 2078 Container werden bei dieser Jungfernfahrt in Hamburg entladen, 2169 Stahlkisten gehen an Bord. Ohne dass ein Arbeiter dabei auch nur ein einziges Kilo Ladung mit der Hand bewegt.

Sie kam zur rechten Zeit nach Hamburg, jedenfalls aus Sicht der Hafenwirtschaft. Am Mittwochmorgen um 3.45 Uhr zogen zwei Schlepper das Heck der "Marco Polo" aus der Elbfahrrinne in den Waltershofer Hafen, ein dritter Schlepper assistierte beim Drehen am Bug. Um 4.20 Uhr lag das Schiff fest vertäut an seinem Liegeplatz.

Die Hansestadt ist der erste Hafen in Kontinentaleuropa, den das neue Flaggschiff von CMA CGM auf der Jungfernreise aus Asien angesteuert hat. Es ist ein symbolträchtiges und zugleich politisches Ereignis. Mit den gewaltigen Dimensionen der "Marco Polo" will die Reederei auch deutlich machen, dass es auf der Elbe allmählich zu eng wird. "Die ,Marco Polo' ist hier, weil Hamburg für uns ein enorm wichtiger Hafen ist", sagt CMA-CGM-Deutschlandchef Reinhard Peschel auf der Barkasse. "Aber Hamburg läuft Gefahr, im Wettbewerb mit anderen europäischen Häfen ins Hintertreffen zu geraten. Die Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne ist ein absolutes Muss." Darin stimmen die Vertreter der Hamburger Hafenwirtschaft nahtlos überein.

Die Reederei weiß, dass ihr der Hamburger Hafen für diese Geste zu Dank verpflichtet ist. Peschel nutzt die Gelegenheit sogleich, um die eine oder andere Senkung der Terminalpreise anzumahnen. Der jüngste Nachlass bei den Hafengebühren bringe der Reederei für die "Marco Polo" je Anlauf zwar eine Einsparung von 4000 Euro. "Aber durch den Stopp der Elbvertiefung geht uns ein viel höherer Umsatz verloren, weil wir das Schiff nicht optimal auslasten können. Wir könnten nach der Elbvertiefung je Fahrt 17.000 Tonnen Ladung mehr mitnehmen. Der Hafenrabatt kann das nicht ausgleichen."

Am 17. Oktober hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Vollzug des Elbausbaus gestoppt. Das Gericht reagierte damit auf die Klagen von Umweltverbänden und anderen Beteiligten - für viele in der Hamburger Politik und Hafenwirtschaft völlig überraschend. "Wir haben uns erst einmal erschrocken", sagt Peschel. Die führenden Linienreedereien, die Hamburg im Asienverkehr anlaufen, machen Druck für die Verbreiterung und Vertiefung der Elbe, weil sie im zunehmend harten Wettbewerb immer mehr besonders große Frachter in Fahrt setzen. 161 Schiffe mit mehr als 10.000 Containereinheiten (TEU) Ladekapazität sind bereits auf den Ozeanen unterwegs, weitere 123 werden bis 2015 zusätzlich an den Markt kommen. Auch für große Massengutfrachter wird es komplizierter, Hamburg zu erreichen.

Die 130 Kilometer Revierfahrt von der Deutschen Bucht bis nach Hamburg sind für diese Schiffe problematisch, weil sie einander nur an wenigen Stellen auf der Elbe begegnen dürfen. Und weil sie, vor allem beim Auslaufen, nur kleine Zeitfenster während der Flut nutzen können. Unabhängig von der Tide können Schiffe den Hamburger Hafen derzeit mit einem Tiefgang von 13,50 Metern verlassen, nach einer Vertiefung der Elbe wären es 14,50 Meter.

Der Anlauf der "Marco Polo" in Hamburg ist eine zweischneidige Angelegenheit. Das Schiff erreichte den Hafen mit 10,70 Metern Tiefgang und wird Hamburg mit voraussichtlich 12,50 Metern Donnerstagnacht wieder verlassen. Umweltverbänden wie dem BUND, der gegen den Elbausbau klagt, liefert das Schiff einen zusätzlichen Beweis dafür, dass die Vertiefung und Verbreiterung des Flusses nicht nötig sei: "Der Verdacht liegt nahe, das die symbolträchtige Ankunft der ,Marco Polo' missbraucht wurde, um Stimmung für die Elbvertiefung zu machen", sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. "Das Schiff hätte mit dem tatsächlichen Tiefgang jederzeit Hamburg erreichen können und wird dies künftig sogar im Linienverkehr tun. Es ist an der Zeit, dass die Öffentlichkeit wieder seriös informiert wird."

Für Hafenveteran Stefan Behn zeugen solche Argumente von wenig Sachverstand. Das Großprojekt Elbausbau ist für ihn ohne Alternative. "Jeder weiß", sagt er, während sich die Barkasse von der "Marco Polo" entfernt, "dass Schiffe allzeit eine Handbreit Wasser unterm Kiel brauchen."