Tief in der Nacht erreichte das größte Containerschiff der Welt den Hamburger Hafen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Hamburg. Am frühen Morgen ist die "Marco Polo", Flaggschiff der französischen Linienreederei CMA CGM, zum ersten Mal in Hamburg eingelaufen. Mit der Flutwelle schob sich der 396 Meter lange Schiffskörper die Elbe herauf und erreichte gegen 3.45 Uhr das Hafengebiet. Trotz eisiger Kälte hatten sich auch mitten in der Nacht einige schaulustige „Shipspotter“ eingefunden, um den ersten Anlauf des Schiffes in Hamburg zu beobachten und zu filmen.

Die „Marco Polo“ passierte zunächst die Einfahrt zum Waltershofer Hafen und wurde dann rückwärts von mehreren Schleppern ins Hafenbecken gezogen. Am Burchardkai der HHLA wird der Riesenfrachter rund 4000 Container umschlagen. Das ist nur ein Viertel seines enormen Fassungsvermögens von 16.000 Standardcontainern (TEU). Am Donnerstag gegen 23 Uhr soll der Frachter nach den bisherigen Planungen wieder ablegen und elbabwärts die Reise nach Asien antreten. Das Schiff wird in die Liniendienste der französischen Reederei CMA CGM zwischen Europa und Asien eingegliedert und künftig regelmäßig den Hamburger Hafen anlaufen.

+++ Service: Schiffspositionen im Hamburger Hafen und auf der Elbe +++

Der Erstanlauf des weltgrößten Containerschiffs ist gleichermaßen ein Signal für die Bedeutung des größten deutschen Seehafens wie auch Routine für die Reederei. Insgesamt drei Schiffe mit einer Tragfähigkeit von bis zu 16.000 Containereinheiten (TEU) fädelt CMA CGM in den kommenden Monaten in seinen Asien-Europa-Dienst FAL 1 ein. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuen Flaggschiff der Reederei, das Anfang November in Südkorea in Dienst gestellt worden war.

Warum gilt die "Marco Polo" als größtes Containerschiff der Welt?

Maßstab dafür ist die Ladekapazität. CMA CGM gibt für die "Marco Polo" 16.000 Containereinheiten (TEU) an. Bisherige Rekordhalter sind die "Emma Mærsk" und ihre sieben Schwesterschiffe der dänischen Reederei Mærsk mit rund 15.200 TEU. Allerdings sind die "Emma Mærsk" und ihre Schwestern nach Abmessung von 397 Meter Länge und 56,40 Meter Breite noch immer die größten Containerschiffe. Die "Marco Polo" misst 396 Meter Länge und 53,60 Meter Breite. Sie kann jedoch mehr Container tragen, weil ihr Brückenhaus näher am Bug steht als das der "Emma Mærsk". Hinter dem Brückenhaus kann auf Deck durchgehend die maximale Höhe an Containern gestapelt werden. Zum Bug hin ist das nicht möglich, weil ein bestimmter Sichtwinkel von der Brücke aus über das Vorschiff gewährleistet sein muss.

Wie viele Mitglieder hat die Besatzung der "Marco Polo"?

Das Schiff wird, inklusive Kapitän, von 25 Menschen gefahren, das sind Offiziere, der Chefingenieur, Seeleute und Stewards. Die Besatzungsstärke ist üblich für Schiffe dieser Größe. Kapitän beim Erstanlauf der "Marco Polo" in Hamburg ist der Kroate Velibor Krpan, 44.

Wie lange dauert eine Reise des Schiffs von Asien nach Europa?

Ein sogenannter Umlauf der "Marco Polo" vom chinesischen Ningbo nach Europa und wieder zurück dauert 77 Tage. In Europa läuft das Schiff die Häfen Southampton, Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam, Zeebrugge, Le Havre und Malta an. In Asien stoppt die "Marco Polo" unter anderem in Shanghai, Hongkong und Port Kelang. Die Abfahrtszeiten in den Häfen sind genau getaktet. Mitunter lassen Linienreedereien Container stehen, wenn Großschiffe mit der Flut den Hafen verlassen müssen. Sie werden dann auf kleineren Schiffen in einen anderen regionalen Hafen quasi nachgereicht und dort verladen, wenn sie für einen anderen Kontinent bestimmt sind.

Wie stark und wie schnell ist das neue Flaggschif der Reederei CMA CGM?

Die Hauptmaschine des Schiffs ist ein 14-Zylinder-Zweitakt-Dieselmotor von Wärtsilä, der stärkste Motor der Welt mit 108.000 PS Leistung. Die Höchstgeschwindigkeit gibt CMA CGM mit 24,1 Knoten (44,6 Stundenkilometer) an. Die Marschgeschwindigkeit dürfte aber um 21 Knoten und der Brennstoffverbrauch dann bei rund 300 Tonnen am Tag liegen. Gegenüber 21 Knoten Marschgeschwindigkeit steigt der Brennstoffverbrauch bei der möglichen Höchstgeschwindigkeit stark an. Die Reedereien setzen deshalb auf den üblicherweise "Rennstrecken" genannten Linienrouten zwischen Asien und Europa mittlerweile mehr Schiffe ein, anstatt die Motoren voll auszufahren - das sogenannte "slow steaming" ist unter dem Strich billiger.

Woher stammt die "Marco Polo"?

Gebaut wurde das Schiff auf der Daewoo-Werft im südkoreanischen Geoje, dem drittgrößten Schiffbauunternehmen der Welt. Die Südkoreaner sind besonders spezialisiert auf den Bau sehr großer Containerschiffe in Serien. Der mehr als 150 Millionen Euro teure Neubau von CMA CGM war ursprünglich für eine Kapazität von 14.000 Containereinheiten geplant und wurde dann mit einer zusätzlichen Rumpfsektion von 34 Metern auf 396 Meter und 16.000 TEU verlängert. An Bord ist auch Technik aus Schleswig-Holstein. Martin Richter von der Kieler Firma Raytheon Anschütz sagt stolz: „Wir haben die Kreiselkompassanlage sowie die Drehratenanzeige, die manuelle Rudersteuerung und einen Autopiloten geliefert.”

Welchen Tiefgang hat die "Marco Polo"?

Der maximale Tiefgang ist mit 16 Metern angegeben. Nach Hamburg wird das Schiff mit einen Tiefgang von maximal 12,50 Metern kommen. Mehr ist ohne die Elbvertiefung derzeit bei dieser Schiffsgröße nicht möglich. Denn auch die Länge und Breite des Rumpfes beeinflusst durch die Verwirbelung von Sedimenten am Boden des Flusses den möglichen Tiefgang.

Wie viel Ladung löscht und lädt das Schiff in Hamburg?

Die "Marco Polo" bleibt etwa 36 Stunden am Terminal HHLA-Burchardkai. In dieser Zeit werden von sechs Containerbrücken gut 4000 Container ent- und beladen. Das entspricht rund 6500 Containereinheiten (TEU). Den genauen Ladezustand beim Ein- und Auslaufen gibt die Reederei nicht öffentlich an.

Wie lange wird die "Marco Polo" den Größenrekord halten?

Nicht lange. Die weltgrößte Linienreederei Mærsk hat bereits die nächste Generation riesiger Containerschiffe bestellt. Von 2013 an liefert die Daewoo-Werft in Südkorea die ersten von insgesamt 20 Frachtern der neuen Triple-E-Klasse ab. Sie sind 400 Meter lang, 59 Meter breit und sind ausgelegt auf eine Kapazität von bis 18.000 Containereinheiten. Weil sie besonders breit sind, wird der maximale Tiefgang der Triple-E-Frachter mit weniger als 16 Metern kalkuliert. Die Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt hat im Auftrag der südkoreanischen STX-Werft bereits ein Modell für ein Containerschiff mit 22.000 TEU getestet.